# taz.de -- Keine Kontrolle: Zu nah dran am "Sign"-Projekt | |
> Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns EWE, Werner Brinker, hat | |
> offenbar im Alleingang dafür gesorgt, dass das Präventionsprogramm zum | |
> Millionengrab wurde. | |
Bild: Hat wesentliche Dokumente alleine unterschrieben: der EWE-Vorstandsvorsit… | |
OLDENBURG taz | Nicht lange her, da behauptete die Kommunikationsabteilung | |
des Oldenburger Energiekonzerns EWE noch, der Vorstandsvorsitzende Werner | |
Brinker habe keine besondere Nähe zum Präventionsprogramm "Sign". War das | |
der erste Versuch, Brinker zu schützen? Längst war klar, dass "Sign" zu | |
einem Problem für den EWE-Chef werden könnte. | |
Die taz hatte Ende September aufgedeckt, dass EWE das Programm, mit dem | |
Schüler an nordwestdeutschen Schulen für ein Leben ohne Gewalt und Drogen | |
ausgebildet werden sollten, mit jährlich zuletzt circa 3,3 Millionen Euro | |
unterstütze - dass ein Großteil des Geldes aber offenbar gar nicht für | |
"Sign" verwendet wurde. EWE überwies das Geld an die Agentur Prevent GmbH, | |
deren Chefin Claudia del Valle Millionenbeträge über ein Konstrukt aus der | |
GmbH und ihrer Prevent KG auf Konten fließen ließ, die ihre Bank als | |
Privatkonten führte. | |
Da Brinker die Rechnungen des "Sign"-Programms nach Aussage der | |
Prevent-Chefin stets persönlich vorgelegt wurden, hätte er sehen müssen, | |
dass die Agentur nur wenige hundert Präventionsveranstaltungen durchführte, | |
EWE aber Geld für alle 116 an "Sign" beteiligten Schulen mit knapp 1.200 | |
Klassen überweisen sollte - und das offenbar anstandslos tat. | |
Nein, hieß es vor zwei Wochen noch bei Deutschlands fünftgrößtem | |
Energiekonzern, eine besondere Nähe des EWE-Chefs zu "Sign" gebe es nicht. | |
Das war damals schon unglaubwürdig, Brinker trat oft bei "Sign" auf, viele | |
Bilder zeigen ihn mit Prevent-Chefin del Valle. Jetzt gibt es Belege dafür, | |
dass Brinker auch sonst sehr nah dran war an "Sign" und Prevent. Es sieht | |
sogar so aus, als habe er es del Valle erst ermöglicht, Millionen am | |
Projekt vorbei zu schleusen. | |
Als 2010 zwei Banken die Prevent-Chefin wegen Verdachts auf Geldwäsche | |
anzeigten, ermittelte die Oldenburger Staatsanwaltschaft. Das Verfahren | |
wurde eingestellt, die Ermittler allerdings vermuteten, "dass die | |
Gewinnsituation der Firmen prevent GmbH/prevent KG seitens der EWE bekannt | |
und gewollt ist". | |
Ob und warum es gewollt war, dass del Valle jährlich Millionen abzweigt - | |
darauf gab EWE der taz keine Antwort, auch nicht zur Vermutung der | |
Ermittler, das "Firmenkonstrukt GmbH/KG" sei gewählt worden, "um die | |
Publizitätspflicht in öffentlichen Registern zu umgehen, da die EWE bzgl. | |
der Gewinnsituation der agentur sign … ein negatives Image bekommen | |
könnte". Eine KG muss ihren Jahresabschluss nicht offen legen, Geldflüsse | |
lassen sich dort verschleiern. | |
Sollte EWE das tatsächlich gewollt haben, dann ist am ehesten Werner | |
Brinker der, der es zugelassen hat. Nach Aussage von Agentur-Chefin del | |
Valle hat sich Brinker "in einem regelmäßigen persönlichen Austausch mit | |
mir über Stand und Entwicklung des Projekts detailliert informiert". Ihm | |
persönlich seien das "monatliche Projekt-Reporting" und die quartalsweisen | |
Rechnungen über zuletzt jeweils gut 840.000 Euro vorgelegt worden. | |
Unterlagen weisen auch darauf hin, dass offenbar allein Brinker wesentliche | |
Dokumente, die die Kooperation von EWE und Prevent regelten, unterschrieben | |
hat, obwohl die EWE AG laut Satzung stets von zwei Vorstandsmitgliedern | |
oder einem Prokuristen und einem Vorstandsmitglied vertreten wird. So | |
unterzeichnete etwa nur Brinker eine Ergänzung zum "Sign"-Vertrag, in der | |
die Vergütung zum Quartalsbeginn im Voraus vereinbart wurde - bevor also | |
die Leistung zu erbringen war. | |
Der EWE-Vorstandsvorsitzende allein erklärte sich mit der Verlängerung des | |
bis 2004 befristeten "Sign"-Projektes bis 2007 einverstanden und gab auf | |
persönlichem Briefpapier del Valle sein Einverständnis für eine Erhöhung | |
der Projektkosten und deren jährliche Anpassung. Die Verlängerung des | |
Programms vom 3. Juli 2006 bis 2017 genehmigte womöglich auch nur Brinker - | |
der entsprechende Brief del Valles ist an ihn adressiert. Warum er das tat? | |
Keine Antwort von EWE. | |
Überhaupt, der "Vertrag über die Durchführung des Präventionsprojektes | |
Sign" vom 12. Dezember 2000 - ein fragwürdiges Konstrukt. Das der taz | |
vorliegende Exemplar ist nur von del Valle und ihrem Geschäftspartner | |
Volker Segelhorst unterzeichnet, Unterschriften der EWE fehlen. Ob ein nach | |
der EWE-Satzung gültiger Vertrag überhaupt vorliegt, konnte oder wollte der | |
Konzern nicht sagen. | |
Zustande gekommen ist er aber, das "Sign"-Projekt wurde seit elf Jahren | |
durchgeführt. Was der Vertrag - auf Papier der Agentur Prevent - | |
festschreibt, hätte bei den Juristen des Energiekonzerns Alarmglocken | |
schrillen lassen müssen, falls sie ihn je vorgelegt bekommen haben. | |
So wird die Vergütung für Prevent nicht aufgrund der tatsächlichen Zahl der | |
durch "Sign"-Veranstaltungen geschulten Klassen berechnet, sondern anhand | |
aller Klassen der beteiligten Schulen, auch wenn - wie geschehen - längst | |
nicht alle teilnahmen. Immerhin: Sollte "die angenommene Anzahl an | |
teilnehmenden Schulklassen erheblich (mehr als 10 Prozent) von der | |
vereinbarten Grundlage" - also allen Klassen - abweichen, sei eine | |
Anpassung vorzunehmen. Nur geschah das nicht unbedingt. | |
2010 etwa fanden bei knapp 1.200 Schulklassen nur wenige hundert | |
Veranstaltungen statt. Warum EWE - oder Vorstandschef Brinker, der die | |
Rechnungen laut del Valle persönlich vorgelegt bekam - nicht Geld | |
einbehielt, wollte das Unternehmen nicht erklären. Es schwieg auch zu der | |
Frage, warum es zur Vorleistung bereit war und das Geld für "Sign" zum | |
Quartalsbeginn voraus zahlte. | |
EWE ließ sich offenbar auch über den Vertrag hinaus ausnehmen: Für 1.500 | |
Kalender, die an Lehrer der "Sign"-Schulen verteilt wurden, stellte Prevent | |
EWE 49.500 Euro netto in Rechnung - mit einer völlig unspezifizierten | |
Rechnung, auf der noch nicht einmal die Papierqualität angegeben wurde, | |
dabei werden die Papierkosten bei einem Netto-Stückpreis von 33 Euro pro | |
Kalender doch wohl enthalten gewesen sein. Druckereien, denen die taz die | |
Rechnung vorlegte, kalkulierten für die Leistung maximal 9.000 Euro. | |
Pikant: Die Druckerei, die die Kalender produzierte, wurde von Volker | |
Segelhorst geführt, del Valles Kompagnon bei Prevent. Auch waren | |
sechsstellige Beträge für Öffentlichkeitsarbeit bereits Bestandteil der | |
Quartalsrechnungen, die EWE zu begleichen hatte. Ob EWE den anscheinend | |
drastisch überhöhten Preis für die Kalender zahlte, ob sie | |
Vergleichsangebote anforderte? Keine Antwort. | |
Der Aufsichtsrat der EWE AG habe dem "Sign"-Projekt grünes Licht gegeben, | |
sagte dessen Vorsitzender Günther Boekhoff der taz. Aber wusste er, was | |
Brinker vereinbart hatte? Vielleicht sollte das Kontrollgremium nochmal | |
genauer hinschauen. | |
Mitarbeit: Peter Scheibe | |
13 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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