# taz.de -- Mittelalter-TV im ZDF: Rotgelockte Venusfallen | |
> Intrigen, Sex, Geschichtsunterricht: Der Sechsteiler "Borgia" erzählt | |
> die Geschichte der mächtigen italienischen Familie. Und ist die teuerste | |
> TV-Produktion Europas. | |
Bild: Die schwärmerische Lucrezia (Isolda Dychauk) verfolgt aufgeregt die Ansp… | |
Wäre dieses TV-Event eine Sammlung von Standbildern, es wäre bezaubernd. | |
Keiner müsste mehr in Berlin vor dem Bode-Museum anstehen, um die | |
Ausstellung "Gesichter der Renaissance" zu sehen. Im Sechsteiler "Borgia" | |
im ZDF sind sie alle da: die hitzköpfigen Jünglinge, die rotgelockten | |
Venusfallen, die hermelingewandeten Päpste, ganz wie bei Botticelli, | |
Lorenzo Lotto, Bellini. | |
Aber diese sechs mal hundert Minuten, diese mit 25 Millionen mit die | |
teuerste TV-Produktion Europas, dieses Mammutding mit 4.000 Komparsen, mehr | |
als 120 Schauspielern aus 18 Nationen, es läuft und läuft und läuft. Sicher | |
ist es beeindruckend, wie hier versucht wird, die Geschichte dieser Borgias | |
zu erzählen, einer der einflussreichsten Familien im mittelalterlichen | |
Italien, an der Schwelle zur Renaissance. Voll ist jede Folge von Intrigen, | |
Machtspielen, Sex, Gewalt und Religion, manchmal auch ein bisschen | |
Exorzismus, alles drin. | |
Und, das erfährt man nebenbei, diese Borgias waren legendär gut bestückt. | |
So ist auch die Serie ein Bombast-Posing, um schon mal vorzulegen, wer am | |
meisten zu bieten hat, schließlich zieht ProSieben im November mit der | |
neunteiligen US-Produktion "Die Borgias" nach. Das Thema ist, unschwer zu | |
erkennen, dasselbe, die Hauptrolle ging an Jeremy Irons. | |
## Zu viel Geschichte für eine Serie | |
Im ZDF spielt John Doman, bekannt aus dem Krankenhausserienklassiker | |
"Emergency Room" und dem Drogenepos "The Wire", diesen Rodrigo Borgia, der | |
unbedingt Papst werden will und als Alexander VI. in die Geschichte | |
eingeht. | |
Geschichte gibt es reichlich, zu viel eigentlich in dieser Serie. Es | |
wimmelt nur so von Kardinälen, Fehden, Blutrache, man muss schon sehr genau | |
aufpassen, wer da gerade gegen wen intrigiert. Weil er seinen anerkannten | |
Sohn im Krieg verlor, holt Rodrigo nun seine drei illegitimen Kinder zu | |
sich, die er mit seiner Schwägerin gezeugt hat. Der Älteste von ihnen, | |
Juan, soll als Herzog von Gandia politische Macht sichern, der Mittlere, | |
Cesare, wird Bischof und die Tochter, Lucrezia, gewinnbringend verheiratet. | |
Alle drei sind die perfekten Renaissancegesichter, allen voran Mark Ryder | |
als Cesare. Stets unzufrieden und leicht cholerisch haut er einige Finger | |
und Ohren ab, würgt tödlich, geißelt sich dafür aber ausreichend mit | |
Peitschen und einem Nagel durch die Hand. Er fasst das so zusammen: "Ganz | |
gleich, wo ich bin, es ringen immer zwei Elemente in mir: das Tier und der | |
Erzengel. In den meisten Fällen gewinnt das Tier." Das ist als Charakter | |
durchaus spannend, und dieser Cesare Borgia diente damals auch Machiavelli | |
als Vorbild für seine "Il Principe". Allein, seine Geschichte ist nur eine | |
von vielen. | |
Die einzelnen Charaktere haben noch zu wenig Raum, um sich in den ersten | |
beiden Folgen zu entfalten, die vorab schon zu sehen waren und bei denen | |
Oliver Hirschbiegel ("Der Untergang") Regie geführt hat. Ausführlich werden | |
die Machtspiele rund um die Papstwahl erzählt, dafür wurde extra die | |
Sixtinische Kapelle in der Nähe von Prag nachgebaut. | |
Draußen toben unterdessen blutigste Gewalt, Vergewaltigungen, öffentliche | |
Folter. Es war finster damals vor dem Umbruch zur Säkularisierung. Und | |
gesprochen wurde offenbar so, dass man es auch prima als Inschriften | |
verwenden konnte: "Der Tod meines Erstgeborenen hat mich wachgerüttelt wie | |
die Glocke von Sankt Peter." | |
Mehr zum Klingen kommt in den kommenden Folgen hoffentlich noch Lucrezia | |
(Isolda Dychauk), deren Ziehmutter übrigens von Andrea Sawatzki gespielt | |
wird, einer der wenigen deutschen Schauspieler im Team. Als aufmüpfige, | |
sinnesfreudige junge Frau lernt Lucrezia schnell, ihre Weiblichkeit | |
einzusetzen. Es ist das einzige Machtmittel, das ihr als Frau damals | |
bleibt, um nicht zum Spielball männlicher Interessen zu werden. Überaus | |
klug analysiert sie ihren zukünftigen Mann: "Sein Interesse an mir ist nur | |
ein Spiegelbild seiner selbst." | |
"Borgia", Start der sechsteiligen Serie am Montag, 17.10., 20.15 Uhr, ZDF | |
17 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniela Zinser | |
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