# taz.de -- World Series im Baseball: Legendär durchgeknallt | |
> Die Texas Rangers gelten im Finale der Major League Baseball gegen St. | |
> Louis wie im Vorjahr als Favorit. Der einst verrufene Klub glänzte in | |
> dieser Saison durch offensives Spiel. | |
Bild: Geübter Jubel: Im Halbfinale konnten sich die Texas Rangers gegen Detroi… | |
Donnerstag Nacht beginnt die World Series in St. Louis, und ein Gewinner | |
steht schon fest, bevor der erste Baseball überhaupt geworfen wurde. Arthur | |
Rhodes, Pitcher in Diensten der heimischen Cardinals, ist nicht nur bereits | |
im biblischen Spitzensportleralter von 41 Jahren, sondern wird zudem auf | |
jeden Fall einen jener Ringe überreicht bekommen, die traditionell die | |
Mitglieder von Meistermannschaften im US-Sport erhalten. | |
Denn zu Anfang der Saison stand Rhodes noch bei den Texas Rangers unter | |
Vertrag - und die sind der Gegner bei der 107. Auflage des "Fall Classic". | |
Rhodes allerdings, davon darf man getrost ausgehen, wird den | |
Herbstklassiker wohl lieber mit seiner aktuellen Mannschaft gewinnen | |
wollen. | |
Diese Cardinals, gegründet im Jahre 1882, sind nicht nur einer der | |
traditionsreichsten Klubs in der Geschichte des Major League Baseball, | |
sondern auch einer der erfolgreichsten. Bereits 18-mal spielte St. Louis in | |
einer World Series, zehnmal haben sie den Titel auch gewonnen - nur die New | |
York Yankees besitzen eine bessere Bilanz. | |
## Noch nie einen Titel gewonnen | |
Als Favoriten auf den Sieg in der auf höchstens sieben Spiele angesetzten | |
Endspielserie gilt aber Texas. Dazu stellen sie jedoch eherne Gesetze des | |
ehrwürdigen Baseball infrage: Anstatt mit solider Verteidigung und starkem | |
Pitching entscheiden die Rangers ihre Spiele mit dem Schläger. Beim | |
abschließenden 15:5-Halbfinal-Sieg schmetterten sie die Bälle den | |
Kontrahenten aus Detroit nur so um die Ohren. | |
Allerdings standen die Rangers auch schon in der vergangenen Saison im | |
Finale, und auch damals waren sie bereits in der Favoritenstellung - | |
verloren aber dann sang- und klanglos gegen die San Francisco Giants. Das | |
soll nicht noch einmal passieren. Diesmal wollen, ja müssen die Rangers | |
endlich die World-Series-Trophäe, die an ein überdimensioniertes | |
Nadelkissen erinnert, heim nach Arlington holen. | |
Es wäre das allererste Mal. Und es wäre verdient, meint auch Jim Leyland, | |
der Trainer der im Semifinale unterlegenen Detroit Tigers: "Die Rangers | |
sind ein Verein mit Klasse." Eine ziemlich überraschende Aussage: Denn die | |
Rangers haben nicht nur noch nie den Titel gewonnen, sie waren lange Jahre | |
auch die Lachnummer der Liga. Sportlichen Misserfolg garnierte der Klub vor | |
allem in den siebziger und achtziger Jahren mit nachgerade bizarren | |
Anekdoten. | |
Nachdem die Washington Senators 1972 nach Texas umzogen, versammelten die | |
Funktionäre jedes Jahr wieder einen Kader aus meist wenig talentierten, | |
aber oft sehr trinkfesten Profis. Der Frust nach Niederlagen wurde im Suff | |
ertränkt, die wenigen Siege wurden gefeiert. Kein Wunder, dass mancher | |
Ranger zu zweifelhaften Methoden griff: Nach einem überraschend guten | |
Auftritt verplapperte sich Pitcher Jim Merritt und gab zu, den Baseball mit | |
Haargel manipuliert zu haben. Er wurde prompt gesperrt. | |
## Unrühmliche Rekorde | |
Je weniger die Rangers auf dem Spielfeld zu lachen hatten, umso mehr Spaß | |
hatten sie in der Kabine. Ein gewisser Bob Brower machte es sich zur | |
Gewohnheit, seine Kollegen zu unterhalten, indem er sein Haustier mit in | |
die Umkleide brachte: Die Python verzehrte dann zur allgemeinen Belustigung | |
ein paar Ratten. Mannschaftskamerad Julio Franco wollte da nicht | |
zurückstehen und brachte von zu Hause seinen Tiger mit. | |
Die Raubkatze war allerdings nicht schuld, als ein Pitcher eines Tages | |
direkt vor seinem Spind, bekleidet nur mit Unterwäsche, im Stehen in eine | |
totenähnliche Starre fiel. Die wirkliche Ursache dieses mystischen Vorfalls | |
wurde nie geklärt. Der Spieler musste von Sanitätern abtransportiert werden | |
und wurde umgehend entlassen. | |
Ein Buch über jene frühen Jahre der Rangers trägt den bezeichnenden Titel | |
"Seasons in Hell". So erfolglos die Rangers auch spielten, Rekorde stellten | |
sie trotzdem auf. 1977 wurde der Cheftrainer, der im Baseball Manager | |
genannt wird, entlassen. Sein Nachfolger blieb nur einen Tag im Amt: Nach | |
einem Sieg im ersten und letzten Spiel seiner Amtszeit setzte er sich am | |
Morgen ins Flugzeug und verschwand mit der Begründung, er sei "einsam und | |
hätte Heimweh". Ein weiterer Interimscoach wurde schließlich halbwegs | |
dauerhaft ersetzt und die Rangers hatten es geschafft: vier verschiedene | |
Manager innerhalb von sieben Tagen. | |
Andere Trainer prügelten sich mit Spielern, legten sich mit Maskottchen an | |
oder nannten ihre eigenen Spieler wegen ihrer roten Trikots abfällig | |
"Blutgerinsel". Der legendär durchgeknallte Billy Martin, der später jene | |
skandalumwitterten Mannschaften der New York Yankees trainieren sollte, die | |
als "Bronx Zoo" in die Baseballgeschichte eingehen würden, soll einmal in | |
einem texanischen Golfklub mit einem Golfwagen die Golflegende Ben Hogan | |
überfahren und anschließend die Zeche an der Bar des Klubhauses geprellt | |
haben. | |
Ein wenig Ruhe kehrte in Texas erst ein, als eine Gruppe von Investoren | |
1989 den Klub erwarb. Aushängeschild des Konglomerats: Ein gewisser George | |
Bush jr., der fünf Jahre bis zu seiner Wahl zum Gouverneur von Texas | |
offiziell als Geschäftsführer agierte. Während seiner Zeit bei den Rangers | |
gab es zwar immer noch keine sportlichen Erfolge, aber immerhin leitete der | |
spätere US-Präsident einen Stadionneubau in die Wege - an dem er und seine | |
Partner sich auf Kosten der texanischen Steuerzahler allerdings nicht | |
unerheblich bereichert haben sollen. | |
Doch dank des schnieken neuen "Ballpark in Arlington" waren die Rangers | |
endgültig konkurrenzfähig. Siege waren nun an der Tagesordnung, aber zum | |
großen Wurf reichte es bislang noch nicht. "Wir freuen uns, dass wir die | |
World Series erreicht haben", ließ Michael Young, einer jener gefährlichen | |
Schlägerschwinger aus Texas, wissen, "aber wir haben noch Arbeit vor uns." | |
18 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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