# taz.de -- Rente für Menschenhandelsopfer: Ein Fall, der Hoffnung macht | |
> Erstmals bekommt eine ehemalige Zwangsprostituierte aufgrund | |
> posttraumatischer Gesundheitsstörungen Entschädigung zugesprochen. | |
Bild: Straßenprostitution in Hamburg St. Georg | |
HAMBURG taz | Es sind nur 280 Euro. Pro Monat. Zu wenig zum Leben. Und | |
trotzdem steckt in der kleinen Grundrente ein großes Maß Hoffnung. | |
Katharina Meiser von der Hamburger "Koordinierungsstelle gegen | |
Frauenhandel" (Koofra) spricht deshalb von "Durchbruch", von "Ermutigung" | |
und einer "bundesweiten Signalwirkung". | |
Erstmals wurde einer Frau, die aus Osteuropa eingeschleppt und in Hamburg | |
zur Prostitution gezwungen wurde, eine lebenslange Entschädigung nach dem | |
Opferentschädigungsgesetz (OEG) gewährt. Ein Fall, auf den sich andere | |
Prostituierte werden berufen können. | |
Über die Frau, die vor ein paar Jahren mit falschen Versprechungen in die | |
Bundesrepublik gelotst wurde, darf wenig an die Öffentlichkeit gelangen. | |
Die heute 28-Jährige, nennen wir sie "Nina", gilt als hoch gefährdet. Sie | |
wurde gefangengehalten und gezwungen, männliche Kundschaft sexuell zu | |
befriedigen. | |
Nach mehreren Anläufen gelingt ihr die Flucht. Sie hat den Mut, ihre | |
Peiniger anzuzeigen und im Prozess gegen sie auszusagen. Die Aussage bringt | |
die Täter wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung | |
für Jahre hinter Gitter. Seitdem ist Nina ihres Lebens nicht mehr sicher, | |
eine posttraumatische Störung bleibt zurück. | |
Wie immer, wenn die Koofra Frauen betreut, die Opfer von Menschenhändlern | |
und Zuhältern werden, stellt die Organisation für Nina beim zuständigen | |
Versorgungsamt einen Antrag auf Entschädigung. Wie immer wird der Antrag | |
abgelehnt. | |
Wie immer legt die Koofra Widerspruch ein. Zum ersten Mal wurde diesem | |
Widerspruch nun stattgegeben - nach einem für die Betroffene | |
nervenaufreibenden zweijährigen Verfahren. | |
Das 1985 inkraftgetretene Gesetz geht von dem Grundgedanken aus, dass es | |
Aufgabe des Staates ist, seine Bürger vor Gewalttaten und kriminellen | |
Handlungen zu schützen. Versagt dieser Schutz und trägt das Opfer | |
körperlichen oder psychischen Schaden davon, so haftet der Staat in Form | |
einer regelmäßigen Rentenzahlung. | |
Doch das Gesetz kennt mehr Ausnahme als Regel. Die Tat muss eindeutig | |
bewiesen sein, die auftretende Schädigung muss hundertprozentig auf sie | |
zurückzuführen sein, das Opfer darf die Tat durch sein Verhalten nicht | |
begünstigt haben. All das sind Gründe, aus denen Zwangsprostituierte | |
regelmäßig mit ihren Entschädigungsanträgen scheitern. | |
Wegen erwiesener Erfolgslosigkeit haben es viele Beratungsstellen, die | |
weibliche Menschenhandelsopfer betreuen, längst aufgegeben, die | |
zeitraubende und für das Opfer oft entwürdige Antragsprozedur | |
durchzuziehen. | |
Das könnte sich nun ändern. Die Hamburger Anwältin Katrin Kirstein, die die | |
heute weitgehend erwerbsunfähige Nina in dem Antragsverfahren betreut hat, | |
sieht nun den Weg frei für weitere Entschädigungszahlungen. Möglich wird | |
dies durch den Berufsschadensausgleich und die sogenannte Ausgleichsrente, | |
die Menschen zusteht, die ihren Job aufgrund der Folgen von Gewalt nicht | |
mehr ausüben können. | |
Für andere Frauen, die sich aus der Zwangsprostitution befreien wollen, | |
könnte der Fall Nina so zu einem Hoffnungsschimmer werden. | |
18 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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