# taz.de -- Samy Deluxe über Musik und Mission: "Ich will nicht mehr Sozialarb… | |
> In der Vergangenheit machte er mit seiner Musik Werbung für ein bunteres | |
> Deutschland. Vergeblich, findet Samy Deluxe. Jetzt will er wieder als | |
> Rapper gesehen werden. Ohne politischen Auftrag. Und ohne allzu viel | |
> Positives. | |
Bild: Glaubt nicht mehr ans Reden: Samy Deluxe. | |
taz: Herr Deluxe, in Ihrem Song "SchwarzWeiss" beschreiben Sie sich "wie | |
die Streifen auf einem Zebra". Haben Sie sich je gewünscht, einfach nur | |
schwarz oder nur weiß zu sein? | |
Samy Deluxe: Lange Zeit war das so. Als Kind gab es für mich immer ganz | |
viele Fragezeichen. Ich dachte, da ist was nicht richtig mit mir. Um mich | |
herum gab es keine Leute mit dunkler Hautfarbe. Ich bin aufgewachsen mit | |
weißer Mama, weißem Stiefvater, weißer Oma, weißem Opa. Als Teenager habe | |
ich dann sehr nach dieser anderen Seite gesucht, und einen Verein gefunden, | |
in dem Jugendliche mit afrikanischen Wurzeln zusammenkommen und über ihre | |
Agenda reden konnten. | |
Was stand darauf? | |
Ein wichtiges Thema war auf jeden Fall der uns entgegengebrachte Rassismus. | |
Mir hat nie jemand einen Molotow-Cocktail ins Zimmer geworfen, aber was man | |
unter Rassismus versteht, hängt auch immer von der Betrachtungsweise ab. Da | |
muss mir niemand erklären, er hätte nicht gelernt, dass "Neger" ein | |
Schimpfwort ist. Dann kam die Zeit, in der sich in mir ein regelrechter | |
Hass gegen weiße Leute aufgebaut hat, und ich mir mein Umfeld nur nach | |
Äußerlichkeiten ausgesucht habe. Doch irgendwann habe ich dann auch | |
gemerkt, dass die Tatsache, ob jemand schwarz oder weiß ist, kein Indikator | |
für einen guten Charakter sein muss. Innerlich bin ich also irgendwo | |
dazwischen geblieben. | |
Wie ist denn das "Dazwischen"? | |
Ich bin nie an einem Punkt angekommen, an dem ich vollkommen zufrieden mit | |
dem war, was ich als Mensch bin. Ich lerne aber mit der Zeit, zu verstehen, | |
dass es aus meiner Situation keinen Ausweg gibt. Ich kann vielleicht an | |
meiner Persönlichkeit etwas ändern, aber meine Hautfarbe nicht. Ich kann | |
auch nicht ändern, dass ich einen Beruf habe, der Menschen dazu einlädt, | |
sich eine Meinung über mich zu machen, ohne mich wirklich zu kennen. | |
Irgendwann habe ich dann für mich herausgefunden, dass ich nicht anders bin | |
als die, sondern die anders sind als ich. Nicht nur die gucken mich blöd | |
an, inzwischen gucke ich auch blöd zurück. | |
In "SchwarzWeiss" sprechen Sie von Schwarz und Weiß als den größten | |
Gegensätzen. Worin bestehen die? | |
In der Wahrnehmung dieser Welt letztendlich. Heute sind interkulturelle | |
Datings normal, aber ich bin in Zeiten aufgewachsen, in denen es noch | |
größere Gegensätze gab. Meine Mutter hat nicht sonderlich viel Zuspruch | |
erhalten, als sie einen Afrikaner geheiratet hat. Heute verbringe ich viel | |
Zeit in Amerika, weil mein Sohn dort lebt. Dort sind die Gegensätze ganz | |
andere. Da haben sich wirklich zwei Sachen unabhängig voneinander | |
entwickelt mit allen Klischees. Ich sehe Schwarz und Weiß in dem Lied aber | |
auch sinnbildlich. Blau und Lila sind eben nicht ganz so konträr. | |
Wo fühlen Sie sich zuhause? | |
Ich habe keine Antwort darauf. Diese Heimatlosigkeit ist glaube ich | |
momentan ein Kernthema in meinem Privatleben. Ich habe in meinem Studio in | |
Brackel einen Rückzugsort, und bin auch oft bei meinem Sohn in den Staaten, | |
oder in den Niederlanden bei meiner Freundin. Ich fühle mich immer für ein | |
paar Tage an einem Ort gut, und dann muss ich wieder woanders hin. Dieses | |
ewige Unterwegssein ist wichtig für mich. Andererseits mache ich es auch | |
schon so lange, dass es anstrengend wird, und dass ich mir nach manchen | |
Trips einen Ort wünsche, an dem ich richtig entspannen kann. Bisher habe | |
ich den noch nicht gefunden. | |
Haben Sie je darüber nachgedacht, zu Ihrem Sohn in die Staaten zu ziehen? | |
Das kommt eigentlich nicht infrage. Ich mag dieses Land nicht wirklich. Es | |
ist mir einfach zu krass in seinen Gegensätzen. Ich will aber auch nicht | |
unbedingt in Deutschland wohnen bleiben. | |
Was spricht gegen Deutschland? | |
Das ist auch ein Scheißland. Ich habe noch versucht, mit meinem vorletzten | |
Album "Dis wo ich herkomm" zu helfen. Ist aber alles nach hinten | |
losgegangen. Ich glaube, die Menschen hier wollen nicht, dass man ihnen | |
hilft. Ich habe viel Energie in Musik investiert, die viele positive | |
Denkansätze hat, habe aber nur so mittelmäßig viel Aufmerksamkeit dafür | |
gekriegt. Da muss nur ein Sarrazin herauskommen und sagen "Alles ist | |
scheiße, die Welt wird untergehen", und dann hört dem jeder zu. Momentan | |
bin ich nicht wirklich motiviert, mit meinen Ansätzen, etwas zu verändern, | |
weiterzumachen. | |
In Ihrem Song "Wer wird Millionär" prangern Sie soziale Ungerechtigkeiten | |
an. Ganz egal scheint es Ihnen nicht zu sein, was mit Deutschland | |
geschieht. | |
Ich prangere an, klar. Aber ich will nicht mehr Deutschlands beliebtester | |
Sozialarbeiter sein, sondern auch wieder als Rapper wahrgenommen werden. | |
Ich bin Musiker, das ist mein Hauptding. Ich sag jetzt auch viele Talkshows | |
und Podiumsdiskussionen ab, dieses ganze Blabla. Alle reden nur, keiner tut | |
irgendwas. Das ist anstrengend. | |
Was wäre, wenn Sie Christian Wulff einladen würden, mit ihm soziale | |
Projekte in die Wege zu leiten? | |
Ich kenne Christian Wulff nicht. Nie von dem gehört. Kann nicht so bekannt | |
sein wie ich. Nein, ach was. Ich habe ja schon mit einigen Leuten im | |
medialen Rahmen geredet, aber ich erhoffe mir auch nichts mehr davon. Ich | |
glaube einfach nicht mehr an dieses Konstrukt von Politik, glaube nicht, | |
dass sich irgendwas ändert, nur weil ich irgendwo ein Kreuz hinsetze. | |
Außerdem finde ich es anstrengend, sich mit diesem Prozess zu beschäftigen. | |
Deshalb lese ich keine Zeitung, höre kein Radio, gucke kein Fernsehen. Ich | |
will nichts mit diesem Kram zu tun haben, der alle anderen runterzieht. Ich | |
habe meine eigenen Probleme. | |
Gibt es keinen einzigen Politiker, der Ihr Vertrauen genießt? | |
Ich will ja jetzt auch nicht sagen, dass alle Politiker scheiße sind. Ich | |
glaube nur nicht, dass es funktioniert, ein System von innen heraus zu | |
verändern. Ich glaube auch, dass ich ein guter Politiker sein könnte: Ich | |
kann reden ohne Ende, einen Raum voller Menschen in den Bann ziehen und | |
habe moralische und ethische Grundwerte. Aber dann würde ich da reinkommen | |
und super engagiert mein Ding machen, doch dann merken, dass es egal ist, | |
welcher Politiker was sagt, weil die Fakten immer die gleichen bleiben: Die | |
Banken und die Industrie stehen in der Hierarchie über allem. Es gibt nur | |
wenige Leute, die ihrem Weg treu bleiben und doch etwas bewegen können. | |
Aber einige versuchen es. | |
Manche wollen bestimmt zur Polizei gehen und ein guter Polizist werden, | |
doch dann werden sie Arschlöcher. Viele wollen sicher auch gute Lehrer | |
sein, kriegen dann aber die härtesten Depressionen und lassen die an ihren | |
Kids raus. Heute ist deine erste Aufgabe als Lehrer nicht mehr das | |
Unterrichten, sondern du musst sozialisieren, was die Eltern zu Hause | |
verkackt haben. | |
Das heißt, Sie haben die Hoffnung aufgegeben? | |
Ich weiß nicht. Ich habe wahrscheinlich gerade einfach so eine Phase, in | |
der ich Bock habe, Frust rauszulassen, genauso wie ich vor ein paar Jahren | |
Lust hatte, ein extrem positives Album zu machen. Jetzt habe ich gerade | |
einen gegenteiligen Flash, als ob die Welt untergehen würde. Das ist der | |
Künstler in mir. | |
In Ihrer Musik haben Sie sich oft offensiv von anderen deutschen Rappern | |
abgegrenzt und Battleraps gemacht. Sehen Sie sich als Fahnenhalter des | |
deutschen Hip-Hop? | |
Ich glaube nicht, dass man sich so eine Position einfach geben kann. | |
Hip-Hop hat mehrere Facetten. Für manche Künstler bin ich gar kein Rapper. | |
Für die sind Rapper nur diejenigen, die fünfmal in jedem Satz | |
"Mutterficker" sagen. Ich bin Teil dieser Szene, aber ich befasse mich | |
nicht damit. Mir geht es eigentlich nur darum, Musik zu machen, und mich | |
daran zu erfreuen. | |
23 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Katharina Gipp | |
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