# taz.de -- Kolumne Blagen: Zu oll fürs Gymnasium | |
> Wenn es um ihr Auto geht ist die Autorin selbst ihrer Tochter gegenüber | |
> unnachgiebig: Wer meine treue Seele beleidigt, bekommt Probleme mit mir. | |
Kalt ist es und windig. Draußen vor der Tür rupft der Wind die | |
Birkenblätter von den Zweigen, und gerade setzt der schräge Herbstregen | |
ein. Die Einssechzigblondine kommt zu mir an den Schreibtisch. Sie hat | |
ihren Kannste-ruhig-mal-machen-Blick aufgesetzt und fragt mich, ob ich sie | |
zum Training fahren könne. Bitte. Den Autoschlüssel hält sie schon in der | |
Hand. | |
"Nö", sage ich, "ich hab zu tun. Setz dir ne Pudelmütze auf und fahr mit | |
dem Rad." "Menno!", mault die kleine Sportlerin, "hast du mal rausgeguckt, | |
was da los ist? Sechs Grad und Regen, Pfützen und Nässe. Du sagst doch | |
immer, ich soll auf meine Gesundheit achten, komm schon, das mit dem Auto | |
würde doch nur ein paar Minuten dauern." | |
Natürlich stimmt das. Selbstredend würde es nur ein paar Minuten dauern, | |
die Einssechzigblondine gesundheitsschonend quer durch die Kreisstadt zu | |
kutschieren, damit sie dort das Vereinswesen mit Leben erfüllt. Aber ich | |
habe keine Lust dazu. Denn die Abituranwärterin hat gestern mein Auto | |
beleidigt. Meinen Skoda, eine treue Seele, die in vierzehn Jahren 192.867 | |
Kilometer runtergerissen hat, den einen oder anderen Lackschaden aufweist, | |
abgerockte Polster hat und immer mal wieder muckt. Der aber - eben - mein | |
Auto ist. Das Auto, dem ich, wenn's keiner sieht, schon mal nach einer | |
Fünfhundertkilometertour zärtlich übers Armaturenbrett streiche und sage: | |
"Gut gemacht!" | |
Die Einssechzigblondine hingegen steht nicht auf alte Werte. Sie hält | |
meinen Skoda für ein ästhetisch untragbares, fast schon armseliges | |
Fortbewegungsmittel. Wie sie darauf kommt? Sie macht gerade Fahrschule. Für | |
stattliche 28 Euro steuert sie dort einmal pro Woche einen 5er BMW durch | |
die Straßen der Kleinstadt. Fünfundvierzig Minuten dauert so eine | |
Fahr"stunde", in der sie sich in den beheizten Ledersitz begibt, das | |
Mahagonilenkrad ergreift und bei schnurrendem Motor ihre Bahnen zieht. | |
Hat sie das Gefühl, ein entgegenkommendes Fahrzeug käme ihr zu nah, | |
übernimmt ihr Kumpel, Fahrlehrer Frankie, das Steuer. Und wenn die beiden | |
rückwärts einparken üben, piept allerlei elektronisches Gerät, sobald ein | |
Baumstumpf, ein Verkehrsschild oder eine vergessene Mülltonne im Weg stehen | |
könnten. | |
Mein Skoda stellt bei diesem Angebot eine für sie im Grunde unannehmbare | |
Möglichkeit der Fortbewegung dar. Bremsen, die man tief durchtreten muss, | |
eine Kupplung, die ordentlich Gas braucht beim Losfahren, und im | |
Handschuhfach lagern keine Handschuhe, sondern alte Ersatzglühlampen und | |
Lappen, mit denen ab und zu die Heckscheibe abgewischt wird, weil wieder | |
mal die Putzmitteldüse verstopft ist. Mit solch einer Karre, hat die | |
Einssechzigblondine gestern gesagt, werde sie nach bestandener Fahrprüfung | |
nicht ins Gymnasium fahren. Dieses Auto sei nicht vorzeigbar. | |
Auf die Idee, dass ich sie nach einer solchen Beleidigung nicht einmal in | |
die Nähe des Autos lassen würde, kommt sie seltsamerweise nicht. Aber so | |
ist es. Da kann sie sich von mir aus auf ihrem verdreckten Fahrrad ein- und | |
durchregnen lassen. Aber das weiß sie noch nicht. Und ich Schwachkopf zahle | |
Woche für Woche 28 Euro an Frankie. Einssechzig pro Minute. Mit dem Geld | |
könnte ich endlich mal Skodas Putzmitteldüse reinigen lassen. "Ab", | |
grummele ich, "troll dich zum Training! Kein Skoda für Snobs!" | |
24 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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