# taz.de -- Erinnern an sowjetisches Speziallager: Den Toten auf der Spur | |
> Die Gedenkstätte Hohenschönhausen veröffentlicht ein Totenbuch mit den | |
> Namen von fast 700 Opfern | |
Die Erinnerungskultur für die Opfer deutscher Diktaturen ist um einen | |
weiteren Mosaikstein reicher: Die Gedenkstätte Hohenschönhausen hat am | |
Montag parallel zur jährlichen Gedenkfeier für die im sowjetischen | |
"Speziallager Nr. 3" umgekommenen Gefangenen ein Totenbuch veröffentlicht, | |
in dem 693 Opfer mit ihren Daten verzeichnet sind. "Unser Ziel ist es, den | |
Toten damit wenigstens wieder einen Namen und eine Geschichte zu geben", | |
sagte der stellvertretende Gedenkstättendirektor Helmuth Frauendorfer auf | |
der Gedenkfeier. Diese wird jährlich vom Bezirksamt Lichtenberg auf dem | |
Friedhof Hohenschönhausen ausgerichtet, auf dem sich auch eine Gedenkstätte | |
für die Opfer befindet. | |
Das Kriegsende habe für viele Bürger des sowjetisch besetzten Deutschlands | |
den Beginn einer neuen Diktatur bedeutet, "die erneut Hunderttausende in | |
Lagern verschwinden ließ", so Frauendorfer weiter. Während einige Gäste | |
Kränze niederlegten, betonte Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich | |
(Linke) die Bedeutung des Gedenkens an die Opfer sowjetischer Gewalt: "Es | |
ist unsere Aufgabe, dass so etwas auf der ganzen Welt nie wieder möglich | |
wird." | |
Das Speziallager Nr. 3 entstand im Mai 1945 als eines von zehn sowjetischen | |
Gefangenenlagern auf deutschem Boden. Es wurde auf dem Gelände der | |
ehemaligen Großküche eines Wohlfahrtsverbands der Nationalsozialisten an | |
der Genslerstraße in Lichtenberg eingerichtet, an der auch die heutige | |
Gedenkstätte Hohenschönhausen liegt. Bis zur Auflösung des als Sammel- und | |
Durchgangslager genutzten Ortes im Oktober 1946 waren dort mehr als 20.000 | |
Menschen inhaftiert, zeitweise bis zu 4.200 gleichzeitig. Unter den | |
Inhaftierten, denen in der Regel und oft zu Unrecht eine terroristische, | |
antisowjetische oder nationalsozialistische Gesinnung vorgeworfen wurde, | |
waren auch Minderjährige sowie Frauen. Durch die katastrophalen | |
hygienischen Verhältnisse, Unterernährung und Misshandlungen kamen nach | |
Schätzungen über 1.000 Menschen im Speziallager Nr. 3 ums Leben. Die Toten | |
wurden meist nur notdürftig auf einem Müllabladeplatz vergraben. Erst 1995 | |
konnten die Überreste von 127 Opfern auf den städtischen Friedhof | |
umgebettet werden. | |
Das Totenbuch wird zunächst nur im Internet veröffentlicht. Für eine | |
schriftliche Publikation sind die Daten laut Peter Erler, der als | |
Historiker der Gedenkstätte Hohenschönhausen die Recherchen zum Totenbuch | |
leitete, teilweise noch zu unsicher. | |
Die mehrjährigen Nachforschungen zur Erstellung des Totenbuches gestalteten | |
sich schwierig: In Hohenschönhausen, erklärte Erler, habe es keine Ein- und | |
Abgangsbücher für die Gefangenen gegeben. Das Totenbuch basiere vor allem | |
auf schwer zu interpretierenden Karteikarten des russischen Staatsarchivs, | |
die 1950 anhand der Gefangenenakten von den Sowjets erstellt worden waren. | |
Auch einbezogene Quellen des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes und | |
der Wehrmachtsauskunftsstelle konnten nicht alle Zweifel ausräumen. "Gerade | |
deshalb hoffen wir, die Daten durch Hinweise aus der Bevölkerung besser | |
nachvollziehen zu können", so Erler. | |
24 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Dennis Drögemüller | |
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