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# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Salsa und Sexappeal
> Wer den eigenen Körper stählen und dabei albern aussehen will, sollte zum
> Zumba gehen. Auch wenn man Gabi heißt und die türkisfarbenen Leggings
> kneifen.
Neulich bekam ich Post von meinem ehemaligen Fitness-Studio. Ein
wunderbares Schreiben. Es teilte mir mit, dass ich wieder Mitglied werden
könne, ohne eine Aufnahmegebühr zahlen zu müssen. Sie boten mir auch an,
dass ich nach sechs Monaten einen Monat lang umsonst trainieren könne, und
lockten mit dem Bild einer trainierten, aber nicht zu trainierten Frau zu
einem tollen, neuen Kurs, der mich sicherlich interessieren würde: Zumba!
Während ich die vier Stockwerke vom Briefkasten in die Wohnung zurücklegte,
malte ich mir aus, wie herrlich mein Leben würde, wenn ich dieses Angebot
annähme, wie blitzschnell mein Körper genau die Formen der zumbasierenden
Frau annähme.
Mit Zumba, dem neue Kurshype, fangen die Fitness-Studios weltweit alle
verlorenen Seelen ein, die sich den bisher schwer angesagten Yoga- und
Pilates-Kursen entzogen haben, weil sie ihnen zu langweilig erscheinen.
Beim Zumba muss man sich unvorteilhaft zu laut plärrender süd- und
mittelamerikanischer Musik rütteln und so tun, als habe man Sexappeal -
auch wenn man Gabi heißt und die türkisfarbenen Leggings kneifen. Vielen
Menschen gefällt das und deswegen hatte diese Art von Aerobic selbst meine
unsportlichste Freundin bewegt. Jahrelang war sie zufrieden damit, dünn wie
ein Streichholz durch die Welt zu staksen, und brauchte sich in
Winterferien niemals einen Skipass zu kaufen. Jetzt erklärte sie, ging sie
einmal in der Woche in ihr Kölner Fitness-Studio und tanzte Zumba.
Glücklicherweise fiel mir oben in meiner Wohnung ein, dass ich Salsa,
Merengue und alles das, was für mich eins ist, nicht ausstehen kann und
sofort jedes Lokal verlasse, in dem diese Musik gespielt wird. Außerdem
fand ich, als ich oben ankam, in der Kiste, in die ich jeglichen Papierkram
einfach achtlos hineinwerfe und in die ich auch den lieben Brief einwerfen
wollte, einen alten, verkrumpelten Kontoauszug. Da stand, wovon ich mich
vor einigen Monaten getrennt hatte: eine Abbuchung von etwa 50 Euro an die
Fitness First. Jahrelang hatte ich diesen Betrag klaglos gezahlt und bin
fast nie hingegangen. So wie die meisten, die sich von Kursplänen,
extensiven Öffnungszeiten und prominenten Innenstadtlagen blenden lassen.
Die Fitness First Ltd., deren gebräuntes, gestähltes Personal ich lange
subventionierte, hat weltweit etwa 1,3 Millionen Mitglieder, von denen
vermutlich etwa die Hälfte lange keinen Spind gesehen hat und trotzdem 50
Euro zahlt. Was könnte man mit dem Geld alles machen? Mit diesen
unglaublichen 390 Millionen Euro an Jahresbeiträgen? Pompeji wieder
aufbauen? Facebook-Anteile kaufen oder die ganze Welt mit Leihfahrrädern
überziehen?
Monatelang wollte ich mich im Fitness-Studio abmelden, aber ich war zu
faul, ein einfaches Schreiben aufzusetzen, in dem ich meine Mitgliedschaft
kündigte, und tat es erst, als ich einen entsprechenden Vordruck im
Internet fand. Vielen meiner Freunde geht es ähnlich, oft hält sie die
Hoffnung im Vertragsverhältnis, doch irgendwann sportlich zu werden. Ein
Fitness-Studio aber hat noch nie jemanden dauerhaft bekehrt. Mit oder ohne
Zumba.
2 Nov 2011
## AUTOREN
Natalie Tenberg
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