Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Islamkritische Satirezeitung: Brandsatz gegen "Charlie"
> Auf die Redaktion des Satireblatts "Charlie Hebdo" flog ein
> Molotowcocktail, der enormen Schaden angerichtet hat. Die aktuelle
> Ausgabe kritisiert den Islam.
Bild: Anschlag: ein Redakteur von "Charlie Hebdo" vor der ausgebrannten Redakti…
Bei "Charlie" hat's gebrannt. In der Nacht zum Mittwoch haben Unbekannte
einen Molotowcocktail ins Büro der Redaktion geworfen, die jede Woche die
Satirezeitung Charlie Hebdo herausgibt. Der materielle Schaden ist enorm.
Der Mitarbeiter Patrick Pelloux zog eine erste Bilanz: "Alles ist zerstört,
auch die Layout-Tische, es gibt überall Ruß. Die elektrischen Leitungen
sind geschmolzen."
Die Täter können sich also die Hände reiben, sie haben keine halbe Sache
gemacht. Verletzt wurde bei dem Anschlag niemand - außer das Symbol der
Pressefreiheit. Dem frechen "Charlie" werden die Brandstifter jedoch nicht
das Maul stopfen.
Bezeichnenderweise erfolgte der Angriff auf die Redaktion von Charlie Hebdo
im Erdgeschoss eines Gebäudes an der Rue Davout im 20. Bezirk von Paris in
der Nacht vor dem Erscheinen der aktuellen Ausgabe. Der Zusammenhang mit
dem Hauptthema der muslimischen Scharia in der aktuellen Nummer ist
deutlich.
Als wahrscheinlichstes Motiv des Brandschlags gilt die Wut von muslimischen
Fanatiker, die sich für diese respektlose Darstellung ihres Propheten
rächen wollten. Auch im Internet wurde Charlie Hebdo attackiert. Deren
Seite wurde geknackt und darauf ein Foto von Mekka und ein Spruch zum Ruhme
Allahs gestellt.
## Islam und Humor sind kompatibel
Wie ein antireligiöses Manifest klingt das Editorial von Charlie Hebdo auf
Seite drei zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien und einer Ankündigung
der Scharia in Libyen: "Einmal mehr fragt sich der Westen, ob der Islam mit
der Demokratie vereinbar ist. […] Aber keine Religion ist mit der
Demokratie vereinbar, wenn sie in Form einer politischen Partei und im
Namen Gottes die Macht erobern will."
Diese Gedanken waren der Ausgangspunkt für die Redaktion, den Schwerpunkt
der neuen Nummer ganz auf das Thema Islam zu legen. Das beginnt mit einer
Parodie auf der Titelseite, auf der "Charlie" in "Charia Hebdo" umbenannt
worden ist, und auf der ein lächelnder "Mahomet" in einer Sprechblase
scherzt: "Wer sich darüber nicht tot lacht, bekommt hundert
Peitschenhiebe." Auf der letzten Seite erklärt "Mahomet", dieses Mal mit
einer roten Clownsnase: "Ja, der Islam ist mit Humor kompatibel."
Es ist nicht das erste Mal, dass diese Zeitung jemandem auf die Füße tritt,
mit entsprechenden Reaktionen. Als die 1970 gegründete Zeitung, damals noch
unter dem Namen Hara-kiri, sich pietäts- und respektlos zum Ableben von
General de Gaulle äußerte, wurde sie kurzerhand verboten. Auch handfest
bedroht wurde Charlie Hebdo schon, namentlich als die Wochenzeitung die
dänischen Mohammedkarikaturen wie mehrere andere europäische Medien auch
abgebildet hatte.
Redaktionschef "Charb" (Stéphane Charbonnier) bestätigte zudem, dass er
mehrfach per E-Mail Beschimpfungen aus dem arabischen Raum aber auch aus
Frankreich erhalten habe. Und seine Zeitung, die regelmäßig auch
christliche Fundamentalisten auf die Schippe nimmt, habe bisher nur mit den
Muslimen solchen Ärger bekommen. Ein Bekennerschreiben gebe es heute nicht,
für ihn sei aber klar, dass "die Leute, die das gemacht haben, niemanden
repräsentieren". Im Übrigen mache "Charlie" einen klaren Unterschied
zwischen Humor und böswilliger Provokation.
## "Libération" bot Asyl an
Über den Geschmack der Ausgabe mit "Mahomet" als Gastkommentator kann man
geteilter Meinung sein, nicht aber über einen Versuch, ihre
Veröffentlichung in Frankreich gewaltsam zu verhindern oder ihre Autoren
mit einem Molotowcocktail dafür zu bestrafen.
Das kommt in den zahlreichen Reaktionen zum Ausdruck. Premierminister
François Fillon äußerte seine "Empörung" und gab zu bedenken: "Die
Meinungsfreiheit ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Demokratie,
und jeder Angriff auf die Pressefreiheit muss mit größter Entschlossenheit
verurteilt werden. Kein Anliegen kann eine (solche) gewalttätige Aktion
rechtfertigen."
Dass Satire über den Islam und die Scharia oder auch nur eine Karikatur von
Mohammed provoziert und heftigste Reaktionen auslösen kann, weiß man seit
den umstrittenen zwölf Zeichnungen der dänischen Jyllands Posten, die vor
fünf Jahren Proteste und Bedrohungen zur Folge hatten. Charlie Hebdo hatte
damals aus Solidarität diese Karikaturen ebenfalls publiziert und sich so
aus Loyalität mit den Kollegen auch in die Schusslinie gebracht.
Französische Muslime hatten erfolglos dagegen Klage eingereicht.
Besonders gespannt war man auf die Stellungnahme des repräsentativen Rats
der französischen Muslime (CFCM): "Wenn es sich um einen kriminellen
Anschlag handelt, verurteilen wir diesen entschieden", erklärte der
CFCM-Vorsitzende Mohammed Moussaoui, der jedoch in Erinnerung ruft, dass
"die Tatsache allein, den Propheten zu karikieren, eine Beleidigung für die
Muslime darstellt". Doch die jetzigen Zeichnungen von Charlie Hebdo haben
für ihn keine vergleichbare Bedeutung wie die Karikaturen von 2006.
Die Zeitung Libération bot den Kollegen von Charlie Hebdo für die
Fortsetzung ihrer Produktion "Asyl" an. "Wir nehmen die Teams von ,Charlie
Hebdo' bei ,Libé' als Gast auf, bis sie wieder ihre eigenen Büros und
Computer haben", sagte Redaktionsleiter Nicolas Demorand, der auch schon
erwägt, eine Sonderausgabe von Libération mit Beiträgen der
"Charlie"-Karikaturisten herauszubringen.
Die für eine Trennung von Religion und Staat engagierte tunesische
Filmregisseurin Nadia El-Fani ("Laïcité inch'Allah") sagte im französischen
Fernsehen: "Die Muslime müssen verstehen lernen, dass zwischen Humor und
Anstiftung zu Hass ein Unterschied besteht."
Vor einem Haufen Kartons mit angekohlten Papieren und Bürogegenständen
kündigte Charb an, die nächste Nummer werde ungeachtet der widrigen
Umstände am nächsten Mittwoch am Kiosk erhältlich sein. Ein kommerzieller
Erfolg war auf jeden Fall die "Charia"-Nummer, schon am Vormittag waren
sämtliche Exemplare verkauft.
3 Nov 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.