# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Leerstand statt Wohlstand | |
> Weil die Landwirtschaftsministerin Südafrikas im Sommer 2010 während der | |
> Fußball-WM in einem Hotel lebte, gibt es nun Ärger. Es ist der Fluch der | |
> Fifa. | |
Mit Fußball im engeren Sinne hat Tina Joemat-Pettersson nicht viel zu tun: | |
Sie ist die Landwirtschaftsministerin Südafrikas. Das aber war sie schon im | |
Sommer 2010, als dort die Weltmeisterschaft stattfand. Und die erlebte sie | |
sogar vor Ort: vier Wochen lang in einem Hotel in Johannesburg. | |
Darum gibts nun Ärger. Denn die Hotelzimmer, die die Frau Ministerin | |
zusammen mit zwei Bodyguards belegte, kosteten umgerechnet 13.000 Euro die | |
Nacht, fast 400.000 Euro über den gesamten Zeitraum. Verschwendung von | |
Steuergeldern lautet der Vorwurf der Opposition gegen Frau | |
Joemat-Pettersson, nebenbei Vorsitzende der Kommunistischen Partei in der | |
Nordkap-Provinz. | |
"Die Sache hat sehr viel mit der WM zu tun", erklärt nun ein | |
Ministeriumssprecher. In jenem Sommer seien Mieten und Hotelpreise enorm | |
angestiegen. Außerdem sei die Buchung bei einem ausländischen Unternehmen | |
erfolgt, das vom Weltfußballverband Fifa akkreditiert war. Was man also | |
ganz nebenbei erfährt, ist, wer im Sommer 2010 das Land wirklich regiert | |
hat. | |
Wenn eine südafrikanische Ministerin in einer südafrikanischen Stadt | |
während der WM absteigen wollte, musste sie das über eine von der Fifa | |
akkreditierte Firma abwickeln und selbstverständlich die Preise zahlen, die | |
dieser von dort vorgegeben wurden. Schließlich heißt das Spektakel ja schon | |
lange nicht mehr Weltmeisterschaft sondern "Fifa-Fußball-WM", registered | |
Trademark. | |
Mittlerweile hat sich der Fluch der Fifa aus Afrika weitgehend verzogen. | |
Die Nachwirkungen in Gestalt von teuren Luxusappartments, wo früher | |
Townships standen, sind noch zu besichtigen. Wenn nun der | |
Ministeriumssprecher erklärt, dass "der Betrag, den wir letztes Jahr | |
bezahlt haben, heute nicht mehr annähernd so hoch ist", sagt er damit nur, | |
dass die WM nicht Wohlstand und Prosperität hinterlassen hat, sondern jede | |
Menge Leerstand. | |
Tina Joemat-Pettersson jedenfalls, die bislang im Ruf stand, mit ihrer | |
Agrarpolitik die Rechte der Kleinbauern und Landarbeiter so weit zu | |
berücksichtigen, wie es die Ministerin eines abhängigen Landes kann, wehrt | |
sich: "Jetzt gelte ich auf einmal als extravagante Ministerin, die mir | |
nichts, dir nichts für ihren Luxus das Geld der Steuerzahler hinauswirft | |
und keine Rücksicht auf die Millionen Südafrikaner nimmt, die in bitterer | |
Armut leben." | |
Sie kann toben, so viel sie will - sie hat keine Chance. Immer wenn die | |
Fifa mit ihrem Präsidenten Joseph Sepp Blatter Einzug hält, hat die je | |
gewählte Regierung ihre Rechte abzugeben: In Straßenverkehr und Luftraum | |
hat die Fifa Vorrecht, über die Infrastruktur in Form von Stadien, | |
Flughäfen, Bahnhöfen und großen Straßen verfügt sie. Rechte von Firmen, die | |
nicht zum Fifa-Sponsorenpool gehören, dürfen von der jeweiligen Regierung | |
nicht mehr geschützt werden. | |
Als die WM 2006 in Deutschland stattfand, musste das Berliner Luxushotel | |
Adlon die Präsidentensuite mit ihren elf Räumen, der Bibliothek, der Sauna | |
und der Lounge vergrößern lassen. Was US-Präsident George W. Bush im Jahr | |
zuvor noch genügte, war Fifa-Präsident Joseph Sepp Blatter nicht mehr gut | |
genug. In Anbetracht solcher Bedürfnisse fehlt im Gemecker um Frau | |
Joemat-Petterssons Hotelrechnung nur noch dies: dass jemand erklärt, wie | |
gemein es doch von ihr sei, potenziellen ausländischen Investoren in diesem | |
für Südafrikas Selbstdarstellung so wichtigen Sommer 2010 eine attraktive | |
Hotelsuite schlicht vorenthalten zu haben. | |
Die Fifa-Karawane zieht nun weiter nach Brasilien, wo sich die dortigen | |
Regierungsmitglieder schon mal überlegen können, ob sie lieber in den | |
Behausungen absteigen, die von der Fifa akkreditierte Firmen ihnen | |
freundlich überlassen oder ob sie stattdessen lieber für die Dauer von vier | |
Wochen das Regieren einstellen. Sie brauchen keine Angst haben: Zum | |
Beruhigen der aufgebrachten Leute, die ihre Mieten nicht mehr bezahlen | |
können, werden sie im Anschluss wieder gebraucht. | |
9 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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