# taz.de -- Kunst all over in Los Angeles: Die Kunst des Überlebens | |
> Das Großprojekt "Pacific Standard Time - Art in Los Angeles 1945-1980" | |
> liefert ein Panorama der südkalifornischen Kunst seit dem Zweiten | |
> Weltkrieg. | |
Bild: Ed Ruscha, Standard Station. Amarillo, Texas, 1963. | |
Wer derzeit die Möglichkeit hat die südkalifornische Metropole Los Angeles | |
zu besuchen, wird im Rahmen von "Pacific Standard Time: Art in Los Angeles | |
1945-1980" erst einmal gar nicht wissen wie oder wo anfangen. Ob Keramik, | |
Konzeptkunst, Design und Architektur, Malerei und Skulptur, Video, | |
Performancekunst, Fotographie und Druckkunst oder Themenbereiche wie | |
"Kulturelle Identität und Politik" und "Die Geschichte von Kunsträumen in | |
Südkalifornien": All das findet sich an über 100 Kunstorten, Museen und | |
Projekträumen und Galerien. | |
Von Santa Barbara bis San Diego, unweit Tijuana an der mexikanischen | |
Grenze, finden bis April nächsten Jahres unzählige Ausstellungen, Konzerte, | |
Aktionen, Filmfestivals, Vorträge, Symposien und Diskussionen statt. | |
## Tribut zollen | |
Initiiert vom Getty Center, zollt das Mammutunternehmen nicht nur der | |
Kunstmetropole Los Angeles sowie sämtlichen weiteren Kunst- und | |
Kulturinstitutionen in Südkalifornien Tribut, sondern macht es darüber | |
hinaus deren noch nicht geschriebene (Kunst-)Geschichte umfassend | |
zugänglich. Und dabei kann man wirklich etwas lernen, lässt man | |
Werbesprüche wie "It's our turn!" beiseite, die sich noch immer auf den | |
vermeintlichen Wettstreit zwischen Ost-Westküste seit den fünfziger Jahren | |
des letzten Jahrhunderts beziehen. | |
Demnach kommt Kunst aus New York während es in Kalifornien nur "Finish | |
Fetish", Surf- und Autolack-Künstler oder eben Hippies gibt. "Pacific | |
Standard Time" kann dagegen beweisen, dass sich Kunst an der amerikanischen | |
Westküste eben ganz anders als im Osten entwickelt hat. | |
"Under the Big Black Sun: California Art 1974-1981" im Geffen Museum of | |
Contemporary Art (MOCA) wurde vom Chefkurator Paul Schimmel organisiert und | |
feiert Kalifornien als Experimentierfeld künstlerischer Freiheit und als | |
anarchisches Zentrum. Mit einem illustren Begleitprogram - zur Eröffnung | |
legte der Schriftsteller Henry Rollins auf, ehemaliger Sänger der | |
Hardcorepunkband Black Flag und inzwischen vielbeschäftigter Autor. | |
Am 28. Januar 2012 werden X auftreten, eine der ersten kalifornischen | |
Punkbands, deren Songtitel auch zum Ausstellungstitel wurde, neben zwei | |
weiteren legendären Bands, den Dead Kennedys und den Avengers. In der | |
Ausstellung lässt sich die Zeit zwischen dem Rücktritt von US-Präsident | |
Richard Nixon (1974) und Ronald Reagans Amtsbeginn (1981) in vielfältigen | |
Beiträgen aus Nord- und Südkalifornien plastisch verfolgen und neu | |
untersuchen. | |
Mit über 130 Künstlern, von Bas Jan Ader bis Bruce and Norman Yonemoto, ist | |
die Schau nicht nach Künstlern oder Medien eingeteilt, sondern in | |
Themenbereiche gegliedert. Sie reichen von der Frage der persönlichen | |
Identität, über US-amerikanische Geschichte, Politik und Militarismus, | |
Ökologie und Umwelt; urbanes Leben; Massenmedien und Konsum bis in das Feld | |
des dekorativen Handwerks und Designs sowie Ephemera. | |
## The Art of Creative Survival | |
Mit "Now Dig this!" im Hammer Museum, Los Angeles, gibt die Gastkuratorin | |
Kellie Jones, im richtigen Leben Professorin für Kunstgeschichte und | |
Archäologie an der New Yorker Columbia University, rare Einblicke in die | |
Ursprünge afro-amerikanischer Kunst in Los Angeles. In den sechziger und | |
siebziger Jahren entstanden zahlreiche Künstlergruppen und Gemeinschaften, | |
die unterschiedliche künstlerische Genres pflegten. Sie mussten sich selbst | |
organisieren, denn es gab keine andere Möglichkeit auszustellen, als selbst | |
Öffentlichkeit herzustellen. | |
Daniel Widener spricht dabei in seinem Text im sehr lesenswerten Reader zur | |
Ausstellung von "The Art of Creative Survival". Mit einem für die "Pacific | |
Standard Time" Ausstellungen überdurchnittlichem Frauenanteil, ist es vor | |
allem eine Schau der (plastischen) Selbstbehauptung, der Skulptur. Die | |
Künstlerinnen Senga Nengudi mit ihren Stretch-Pantyhose Raumplastiken | |
("Revive A, R, W") und Maren Hassinger's Stahlarbeit "A Place for Home", | |
haben beide in ihren Performances zusammengearbeitet und für die | |
Ausstellung ihre Arbeiten aus den siebziger Jahren neu inszeniert und damit | |
ein eigenes "Re-Enactment" im Museumsraum entwickelt. Wie Negundi, kam der | |
Documenta Künstler David Hammons in den siebziger Jahren aus Chicago nach | |
Kalifornien. | |
## Spezifische Praxis | |
Arbeiten wie "Bag Lady in Flight" (1970, 1990 rekonstruiert), eine elegante | |
Faltung/Fächerung aus Papiertüten, Schmiere und Haaren oder seine | |
Körper(ab)drucke ("America the Beautiful", "Wine leading the Wine", beide | |
1969) sind dort entstanden. Diese und zahlreiche Werke dokumentieren | |
präzise die künstlerischen Praktiken einer Zeit und eines Ortes, von denen | |
man wenig weiß, weil sie neben Bürgerrechtsbewegung und | |
Vietnamkriegsprotesten in den Hintergrund traten. Sie dort wieder | |
hervorzuholen, hat sich "Pacific Standard Time" zur Aufgabe gemacht. Die | |
Frage nach New York spielt dabei naturgemäß überhaupt keine Rolle. | |
15 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Bettina Allamoda | |
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