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# taz.de -- Steuern für Zwangsarbeiterrenten: Bettelbrief aus Brandenburg
> Der deutsche Fiskus treibt Steuern auf Renten belgischer
> Weltkriegs-Zwangsarbeiter ein – und erzürnt damit das Nachbarland.
Bild: Wurden ausgebeutet und müssen nun Steuern nachzahlen: Zwangsarbeiter wä…
BRÜSSEL taz | Simona De Vos traute ihren Augen nicht, als sie vor ein paar
Tagen ihren Briefkasten öffnete. Die 84-Jährige aus dem belgischen Mechelen
fand darin einen Brief von einer Finanzbehörde in Brandenburg. Darin wurde
sie aufgefordert, rund 650 Euro Steuern nachzuzahlen auf die Witwenrente,
die sie vom deutschen Staat bekommt.
Ihr Mann war während des Zweiten Weltkriegs zwei Jahre lang Zwangsarbeiter
in einer deutschen Flugzeugfabrik. Vor eineinhalb Jahren starb er. 55 Euro
im Monat bekommt nun seine Witwe. Bisher war diese Rente steuerfrei, aber
nun soll Simona De Vos bezahlen. Eine ganze Akte sei bei ihr angekommen,
erzählt sie, mit Dokumenten für die Einkommensteuererklärung der
vergangenen fünf Jahre.
Der Grund für den Brief: Im September 2010 hat der Deutsche Bundestag ein
Gesetz verabschiedet, dass eine Besteuerung der Zwangsarbeiterrenten in
Höhe von 17 Prozent eingeführt hat - rückwirkend bis 2005. Jetzt müssen die
Männer oder ihre Witwen für die vergangenen Jahre nachbezahlen - teilweise
mehrere tausend Euro. Betroffen sind in Belgien rund 5.000 Personen.
"Für mich ist das ein Skandal. Die deutsche Regierung rügt ständig Staaten,
die von der Finanzkrise betroffen sind, wegen schlechter Staats- und
Haushaltsführung", sagt der sozialdemokratische Senator Ahmed Laaouej,
"aber diese Briefe sind kein gutes Benehmen. Berlin sollte lieber nicht so
überheblich sein."
## Was will die Behörde?
Er hat den belgischen Finanzminister aufgefordert, die deutschen
Forderungen zu überprüfen. Didier Reynders hat versprochen, mit Wolfgang
Schäuble Kontakt aufzunehmen, aber die belgischen Behörden sind skeptisch.
Die Erhebung von Steuern sei grundsätzlich legal und Einsprüche dagegen
könnten die Betroffenen ausschließlich direkt in Deutschland einreichen,
erklärte die zuständige Behörde für Pensionen in Brüssel. Eine Möglichkeit
sei, dass Personen mit geringem Einkommen den Steuerfreibetrag nutzen und
damit von der Zahlung befreit werden könnten.
Was die Belgier besonders erbost, ist nicht nur, dass Deutschland die
Steuern verlangt. Vor allem ärgert sie, dass die Briefe in deutscher
Sprache verschickt worden sind und viele Betroffene nicht verstehen, was
die Behörde von ihnen will. Für Simona De Vos ist es zudem schmerzhaft, an
die Zeit erinnert zu werden: Ihr Mann wurde während seiner Zeit in
Deutschland nervenkrank, erzählt sie.
Mehrere Dutzend Betroffene haben bereits Beschwerden bei der belgischen
Rentenbehörde eingereicht. In den Jahren 1942 bis 1944 waren rund 140.000
Belgier vom deutschen Naziregime zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Nach
dem Krieg hatten sie lange für eine Anerkennung ihrer Arbeitsleistung und
Rentenzahlungen kämpfen müssen. Simona De Vos ist frustriert: "Wenn sie
Steuern von mir haben wollen, dann sollen sie doch ihr Geld ganz behalten",
sagt die Witwe, "es sind sowieso nur ein paar mickrige Euro. Wenn sie daran
kratzen, dann will ich es gar nicht mehr haben."
21 Nov 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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