# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Pupskissen stricken mit Julia Häkel | |
> Trendforschung: "DB-Magazin", Frauen im "SZ-Magazin", "Bild". | |
Manchmal muss man erst eine Reise tun, um zu wissen, wo der Trend abgeht. | |
Dank der Bahn weiß ich das jetzt. Icke nach der | |
20-Jahre-taz-Wahrheitssause-Thomas-Gsella | |
schläft-besoffen-auf-dem-Tisch-ein-und-auch-sonst-war-es-schön auf dem Weg | |
nach Hause, greife ich in der mir gebliebenen Umnachtung zum | |
DB-Debil-Magazin und entdecke, was laut DB-Trendpersonal total angesagt | |
ist: "Zugsocking". | |
Frauen (!) treffen sich in der Bahn (!) und stricken Socken (!). Diese | |
Frauen "verabreden sich in Foren und fahren strickend durch die Republik". | |
Noch mal für Doofe: Man kauft eine unverschämt teure Fahrkarte beim | |
Fachdienst für Ausfall und Verspätung, um zu stricken. Mit welchem | |
Megatrend kommt die Bahn als Nächstes um die Ecke? Zugfucking? | |
Apropos Handarbeiten. Auch Gruner + Jahr baut die Reihe "Frauen in Heim und | |
Garten" weiter aus. Unter dem trendsicheren Auge von Julia Jäkel, die zwei | |
Buchstaben sei Dank nicht Julia Häkel heißt, soll 2012 ein Wohnmagazin für | |
junge Frauen erscheinen, das den Arbeitstitel "Sofa" trägt. Was knapp an | |
"Pupskissen" vorbeigeschrammt ist. Auf jeden Fall aber den Ruf Gruners, für | |
relevante Publikationen zu stehen - einst Journalismus, heute | |
"Anzeigenumfeld" genannt - manifestiert. | |
Welchen Stellenwert Frauen in der Süddeutschen Zeitung haben, konnten | |
Leserinnen und Leser vergangene Woche entdecken. Um mittels hübscher Ideen | |
zu gefallen, und um die SZ-Fans zu animieren, für einen guten Zweck Geld | |
lockerzumachen, wurden im SZ-Magazin MitarbeiterInnen vorgestellt, die man | |
samt Leistungsangebot wie Theaterbesuch oder Frühstück ersteigern kann. | |
Damit das auch reizvoll ist, nimmt man natürlich die tollen Schreiber und | |
nicht die Schwarzbrotmacher, die keinem auffallen. | |
## Hin zum Herrenklüngel | |
To cut a long story short: 22 der Personen sind männlich, zwei weiblich. | |
Den Einwand, vielleicht gibt es dort nicht viele tolle Frauen, kann man | |
getrost fortschießen: Die SZ hat eine Menge toller Schreiberinnen. Nun | |
frage ich mich natürlich, ob eine Zeitung, die Frauen so im Dunkeln stehen | |
lässt, das richtige Blatt für mich ist. So als Abonnentin. | |
So, jetzt mal weg von den Frauen, hin zum Herrenklüngel: Das Netzwerk | |
Recherche hat seinen Leuchtturmpreis dieses Jahr an eine Zeitung aus | |
Frankfurt vergeben, um deren von Haltung getragene Berichterstattung im | |
Falle Karl-Theodors zu Guttenberg zu würdigen. Fragt sich, ob der Preis im | |
kommenden Jahr vielleicht an eine Redaktion vergeben wird, die das | |
Gemauschel um die Abrechnung des Netzwerks rückhaltlos offenlegt? | |
Und noch einmal greifen wir das schöne Motiv der Reise auf, dieses Mal | |
allerdings im Kontext von Zeit. Eine Zeitreise unternimmt derzeit nämlich | |
Springer-Chef Mathias Döpfner und reist in jene Jahre, als Günter Wallraff | |
unter dem Namen Hans Esser bei der Bild arbeitete, um deren Methoden | |
aufzudecken. | |
Wie ein Geläuterter gibt sich der große Springer-Mann und ist doch vor | |
allem ein geschickter Taktiker. Als habe die Bild von heute mit der von | |
damals nichts mehr zu tun, wäscht er mit großer Geste den alten Schmutz von | |
den Händen, während die Ärmel den Dreck der Diekmann-Jetztzeit verbergen. | |
Dass die Mechanismen der Verniedlichung und Entpolitisierung auch heute | |
noch ihren Platz im Hause Springer haben, hat die Bild letzte Woche | |
bewiesen, als sie aus der Rechtsradikalen Beate Zschäpe, die immerhin mit | |
fremdenfeindlich motivierten Morden in Verbindung gebracht wird, eine Art | |
Räuberliebchen machte. Ganz in der Tradition der 70er Jahre titelte Bild: | |
"Nazi-Braut im Bett mit dem Killer!" Schlecht vor Dreck zurück nach Berlin! | |
22 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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