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# taz.de -- Reiten und Schuften: Für ein paar Tage Cowgirl
> Auf einer Ranch mit Eco-Farming-Konzept hat der Gast ganz schön zu tun.
> Seit mehr als hundert Jahren zieht es viele gerade deshalb in die Prärie.
Bild: Freizet-Rancher zu spielen ist ein gutes Konzept zur Entschleunigung.
Das große Trinken geht schon in Denver los. Colorados Hauptstadt liegt
bereits 1.500 Meter über dem Meeresspiegel, und von hier aus geht es immer
noch höher hinauf auf dem Weg in den Süden der Rocky Mountains. Hier wächst
jede Wasserflasche über ihren neumodischen Wert als Accessoire hinaus und
muss, konsequent an den Hals gesetzt, Lippenplatzen und Kopfschmerz
vorbeugen. Sonst kann es einem ergehen wie dem spanischen Landesforscher
Antonio Valverde y Cosío.
Der glaubte 1719, in den schneebedeckten und vom Morgen rot gefärbten
Bergkuppen das Blut Christi zu erkennen. Sangre de Christo heißt die
Bergkette längs des San-Luis-Tals seitdem. Sie ist auch in der TV-Serie
South Park zu sehen und ein stumm erhabener Begleiter auf der knapp
vierstündigen, gnadenlosen Reise (Autofahrt) zur Zapata-Ranch in Mosca.
Ähnlich stark haben Bergkette oder Wassermangel auch die Fantasie von Judy
Messaline beflügelt. 58 Ufos hat die 60-Jährige schon gesichtet. Hier, in
der Pampa, wo keine Werbetafel die Aussicht stört. Das letzte sah aus wie
eine Zigarre und flog die Berge längs. Deshalb hat sie am Rande des State
Highway 17, nahe der Stadt Hooper, den Ufo-Watchtower gebaut, einen
Aussichtsturm samt Aliengarten. Hinterlässt der Reisende etwas ganz
Persönliches in einem der skurrilen Beete, nimmt er für 2 Dollar
extraterrestrische Energie mit auf den Weg.
Irgendwann beendet eine Cottonwood-Formation die Fahrt durch das unendliche
Panorama aus blauem Himmel, gelber Erde, den grasenden Bisonherden und den
Bergen im Westen und Osten. Die Geschwister Asta und Tess Repenning sind
den mexikanischen Siedlern heute noch dankbar, dass sie die Ranch 1860 hier
im Schatten dieser hohen Pappeln aufbauten und gegen die Ute-Indianer
verteidigten. Denn weit und breit wächst hier nur Weidegras und „Brush“,
ein garstiges, bodennahes Gestrüpp, in dem gern mal eine Schlange vor sich
hinklappert.
Asta und Tess jedoch sind damit aufgewachsen. Vieles, was die beiden über
den Betrieb einer Ranch wissen, haben sie vom „Duke“ gelernt. Dem
erfahrenen Rancher war die Working Cattle & Bison Ranch Mitte der 1990er
von einer gemeinnützigen Naturschutzorganisation übertragen worden, die
eine nachhaltige Landwirtschaft in dem Gebiet zur Bedingung macht. Seitdem
leitet er die Nachbarranch Medano und hat die Zapata-Ranch den beiden
jungen Geschwistern überlassen.
Die Arbeitsteilung der beiden Mittzwanzigerinnen wird auf den ersten Blick
klar: Asta sieht aus wie ein klassischer Cowboy und scheint in Hut und
Lederchaps geboren zu sein. Sie plant alle Aktivitäten und Arbeitsabläufe
auf der Ranch, ist ansonsten aber draußen bei der Herde. Ihre aparte
Schwester Tess ist fürs Marketing der Ranch und den Verkauf der Tiere
zuständig. Eine gute Entscheidung, denn der männliche Cowboy kriegt auch
bei Verhandlungen bis heute die Zähne nicht auseinander.
Eine „Working Ranch“ kann sich kaum noch allein mit Landwirtschaft,
Viehtrieb und Bisonfleisch über Wasser halten. Schon 1893 stellten Farmer
fest, dass Ferien auf einer solchen Arbeitsranch sehr beliebt sind und eine
weitere Einnahmequelle bedeuten. Seitdem haben viele ihre Scheunentore auch
für Besucher geöffnet, die in die Arbeit mit den Rinder-und Bisonherden
einbezogen werden wollen. Wer einmal versucht hat, ein Jungtier zum Branden
auf den Boden zu werfen, der weiß am Abend, was er getan hat.
Zunächst aber wird dem Laien auf der Ranch vermittelt, worum es bei der
Arbeit geht. Das Treiben einer Herde im Team von 15 Cowboys wird auf einer
Flipchart erklärt, auch Tiere haben ihre Eigenheiten: „Rinder reagieren
sehr geschmeidig in der Herde und lassen sich gut über Land bewegen. Die
Bisons neigen zu ruckartigem Losspringen und plötzlichem Stehenbleiben. Das
macht die Sache etwas mühsam“, ruft Asta der Gästetruppe über die Schulter
zu. Alle sitzen inzwischen mehr gesattelt als gespornt, die Wasserflasche
im Anschlag. Wir befinden uns hier auf knapp 3.000 Metern. Auf dem Programm
des ersten Tages steht auch ein ausgedehnter Ausflug zu Pferd.
## Mysteriöse Winde
Daran muss man sich auch erst mal gewöhnen: stundenlanges Reiten durch eine
zunehmend betörende Landschaft. Neben der seelischen Erbauung sorgt das für
Sattelfestigkeit. „Nach drei Tagen lässt der Schmerz nach“, lacht das
Cowgirl. Das Pferd Rosie sieht ein bisschen aus wie Pippi Langstrumpfs
„Kleiner Onkel“, ist genauso freundlich zur Anfängerin, kann aber auch
unvermittelt in Galopp verfallen, als unterwegs ein verblüffend brauner
Schwarzbär für Aufregung sorgt.
Auch andere wundersame Tiere teilen sich hier den geräumigen Platz. Am
helllichten Tag fliegen weiße Eulen, rennen gestreifte Squirrels, grasen
Wildtiere aller Art, unbeeindruckt von der menschlichen Minderheit. Und
geradeaus, im Osten, leuchten die Great Sand Dunes am Fuße der
Sangre-de-Christo-Berge.
Von mysteriösen Winden wurde der feine Sand aus dem Rio Grande seit
Jahrtausenden dort hingeweht, hat sich zu einer Art Sahara-Gebirge
aufgetürmt und beansprucht nun eine Fläche von 80 Quadratkilometern. Beim
Aufstieg auf den 230-Meter-Gipfel wird Tage später das Wort
„Extrem-Peeling“ fallen, kurz vor der vergnüglichen Abwärtsfahrt auf dem
Plasteschlitten
Trotz allem, nach sechs Stunden auf dem Pferd macht sich bei den Gästen ein
gewisser Verfall der Körperspannung bemerkbar. Wie die Daltons nach einem
Postkutschenüberfall schleppen sich Ross und Reiter am Nachmittag dem
verdienten Feierabend an Bisonsteak entgegen. Nur Eileen Wolf ist nicht zu
bremsen. Die 58-Jährige ist für eine Woche aus Minnesota hergekommen, um
mehr über das Viehtreiben und das Branding der Jungtiere zu lernen.
Es ist nicht ihr erster Aufenthalt auf einer Ranch. Im Laufe der Jahre hat
sie schon einige besucht und hat immer noch Fragen. Sie ist Police
Detective und hat erst letzte Woche nach monatelangen Ermittlungen 22
Scheckbetrüger verhaften müssen, die versucht hatten, Wal-Mart übers Ohr zu
hauen. Davon will sie sich nun hier erholen und klatscht erfreut in die
Hände, als Asta ihr den Plan für den nächsten Tag zeigt: Kastrieren der
Jungbullen. Das wollte sie schon immer einmal machen!
## Logistisches Grasen
Darüber kann der stille Chefkoch Mike Rosenberg nur den Kopf schütteln. Er
war früher selbst Cowboy, bis er sich auf die Kochkunst verlegte. Er
bereitet das zarte Biobisonfleisch zu, ein Ergebnis des
Eco-Farming-Konzepts der Ranch. Statt wenige Tiere auf unbegrenzte Zeit in
einem Weideabschnitt zu belassen, kontrolliert und plant Asta wie ein
Logistiker, wie viel der 2.500 Bisons und fast ebenso vielen Rinder wann
auf welchem Stück Land grasen. Damit gönnen sie dem Boden und den Pflanzen
die notwendigen Ruhephasen, um sich nachhaltig zu erholen. Das sind dann
auch die Tage am Schreibtisch, die dem robusten Cowgirl nicht so sehr
liegen. Viel lieber ist ihr die Zeit draußen, und das vor allem im
November, wenn die Bisonherde in die Halle getrieben wird.
Hier wird der Bestand gezählt, und sie entscheidet, welches Tier bleibt und
welches in den Verkauf geht. „Das ist immer ein großes Getöse“, erzählt …
25-Jährige, „immer nur ein Bison darf rein, die Cowboys schließen und
öffnen die Klappen, damit man sie separat reinlassen kann. Das klappt nur
auf Zuruf, und hier drin wirds richtig laut“. Zum Schluss klemmt die
1,60-Meter-Frau den Kopf eines riesigen Bisons ein und fuhrwerkt sachkundig
in seinem Maul herum. So bestimmt sie Alter und Geschlecht und kann das
zottige Tier seiner weiteren Bestimmung zuführen.
26 Nov 2011
## AUTOREN
Jenny Mansch
## TAGS
Reiseland USA
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