# taz.de -- Kommentar Israel nach den Sozialprotesten: Ungleichheit bleibt Thema | |
> Der enorme Elan, mit dem die Demonstranten im Sommer für ihre Rechte | |
> kämpften, droht zu verpuffen. Doch zukünftige Wahlsieger müssen für mehr | |
> Gerechtigkeit sorgen. | |
Ausgerechnet am Tag, an dem Israels Abgeordnete über eine gerechtere | |
Verteilung der Steuerlast entscheiden, veröffentlichte die Organisation für | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren Bericht über | |
die wachsende soziale Kluft in den Mitgliedstaaten. Er zeigt: In Israel | |
wächst die Ungleichheit mit am schnellsten. | |
Das spüren die Bürger jeden Tag. Allein in den vergangenen zwei Wochen hat | |
sich der Gurkenpreis verdoppelt. Und wer sich italienische Pralinen leisten | |
will, muss mehr als doppelt so lange arbeiten wie in England. | |
Nach den Massendemonstrationen vom vergangenen Sommer hatte Regierungschef | |
Benjamin Netanjahu eine Kommission mit einer schnellen Lösung dieser | |
sozialen Misere beauftragt. Doch die lässt sich nicht eben so bewältigen. | |
Keine Frage: Die jüngsten Steuerreformen gehen in die richtige Richtung. | |
Aber sie reichen nicht aus, sondern werden die soziale Kluft bestenfalls | |
geringfügig verringern. Steht Israel also vor neuen Sozialprotesten? | |
Der enorme Elan, mit dem die Demonstranten im Sommer für ihre Rechte | |
kämpften, droht zu verpuffen. Der für den 1. November geplante | |
Generalstreik blieb aus. Und auch die Kundgebungen kurz zuvor waren | |
deutlich kleiner, als von den Veranstaltern erhofft. Dabei spielt eine | |
Rolle, dass die Protest-Initiatoren keine parteipolitischen Ambitionen | |
hegen. Ohne den Rahmen einer Organisation mit klarer Zielvorstellung sind | |
die protestierenden Massen nicht bei der Stange zu halten. | |
Was von den Protesten bleibt, ist, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik | |
nicht einfach wieder von der politischen Agenda Israels zu streichen sind. | |
Wer bei den kommenden Wahlen punkten will, wird überzeugend darlegen | |
müssen, dass er die Ressourcen gerechter verteilen wird als bisherige | |
Regierungen. Auch das ist nicht wenig. | |
6 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Gebetsrufe in Israel: Eine Initiative gegen Muslime | |
Beim Muezzin-Gesetz geht es nicht um Lärmschutz. Es dient dazu, Muslime zu | |
demütigen. Am liebsten wäre es den Hardlinern, wenn sie das Land verließen. | |
Sozialstaat in Israel: Steuerreform nach Protest | |
Nach der Massenbewegung vom Sommer verabschiedet das Parlament neue | |
Gesetze. Die Reichen müssen künftig mehr zahlen, die Mittelschicht weniger. |