# taz.de -- Integrationsbeauftragte trifft Migranten: Eine Ombudsperson für Vi… | |
> Die Migrantenverbände fordern ein stärkeres Engagement gegen Rassismus. | |
> Nun soll es einen Ansprechpartner für die Familien der Neonaziopfer | |
> geben. | |
Bild: Schöne Worte, wenig Konkretes: Integrationsbeauftragte Böhmer und Vertr… | |
BERLIN taz | Der Wind pfiff um das Kanzleramt, als sich Maria Böhmer dort | |
mit Vertretern von Migrantenorganisationen zum obligatorischen Gruppenfoto | |
aufreihte. Dorthin hatte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung am | |
Mittwoch zum Gespräch über die Folgen des rechten Terrors eingeladen. | |
Hinterher gaben Böhmer und ausgewählte Teilnehmer des Treffens ein kurzes | |
Statement ab. Zwei Nachfragen der anwesenden Journalisten waren erlaubt, | |
dann entschwand die Staatssekretärin. | |
Viel hatte sie ohnehin nicht mitzuteilen gehabt. Zwar sagte Böhmer zu, dass | |
die Angehörigen der Mordopfer finanziell entschädigt werden sollen. Doch | |
dies ist schon lange bekannt. Auch sprach sie sich dafür aus, für die | |
betroffenen Familien eine Ombudsperson zu benennen, wie es auch schon | |
Bundespräsident Wulff vorgeschlagen hat. | |
Ansonsten aber flüchtete sie sich ins Allgemeine: Nun bräuchte es eine | |
breit angelegte Debatte über Rassismus und Rechtsextremismus, um einen | |
Bewusstseinswandel in der Bevölkerung zu bewirken: "Vielfalt ist Gewinn". | |
Was sie selbst zu dieser Debatte beitragen will, ließ Böhmer allerdings | |
offen. Auf die größte integrationspolitische Herausforderung ihrer Amtszeit | |
hat sie noch keine Antwort gefunden. | |
## "Was uns als Gesellschaft eint" | |
Dabei drängt das Problem. "Der Vertrauensverlust der Migranten in | |
staatliche Stellen ist groß", hat Ali Ertan Toprak von der Alevitischen | |
Gemeinde in Deutschland festgestellt. Trotzdem zeigte er sich mit dem | |
Treffen zufrieden. "Ich habe es zum ersten Mal erlebt, dass deutsche | |
Behörden so selbstkritisch mit ihrer Arbeit umgegangen sind", sagte er nach | |
dem Gespräch; das beruhige ihn. | |
Den Migrantenverbänden käme jetzt eine große Verantwortung zu, sagte | |
Toprak, der sich dagegen aussprach, "jetzt mit dem Finger auf die Politiker | |
zu zeigen". "Die Terroristen wollten unser Land spalten", so Toprak. Nun | |
gehe es darum, eine breite gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, | |
"was uns als Gesellschaft eint". | |
Auch Mehmet Tanriverdi von der Bundesarbeitsgemeinschaft der | |
Immigrantenverbände in Deutschland (BAGIV) zeigte sich dankbar, dass die | |
Bundesregierung so schnell und entschlossen gehandelt und der | |
Bundespräsident mit den Angehörigen der Opfer gesprochen habe. | |
Es sei "symptomatisch, dass solche Selbstverständlichkeiten so betont | |
werden müssen", befand dagegen Jee-Un Kim vom deutsch-asiatischen Verband | |
"Korientation" nach dem Treffen mit der Staatsministerin. Die Anwältin aus | |
Berlin wünscht sich einen Paradigmenwechsel in der Integrationsdebatte, | |
denn die größeren Integrationsdefizite verortet sie eher bei der | |
Mehrheitsgesellschaft: "Rassismus ist kein Randphänomen", findet Kim, "er | |
ist ein Problem der gesamten Gesellschaft." | |
## Volksverhetzung besser ahnden | |
"Dieser Rassismus der Mitte macht uns Angst", gab Mehmet Tanriverdi zu, der | |
sich in diesem Zusammenhang darüber erstaunt zeigte, dass Thilo Sarrazin | |
noch immer Mitglied der SPD sei. Er forderte gegenüber Böhmer sogar eine | |
Verschärfung des Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches, um Volksverhetzung | |
besser ahnden zu können. | |
Kenan Kücük vom Multikulturellen Forum aus Nordrhein-Westfalen zeigte sich | |
erleichtert, dass rassistische Gewalt nun endlich ernst genommen werde. Er | |
erinnerte daran, dass nach dem letzten Mord an einem türkischstämmigen | |
Gewerbetreibenden in Kassel 2006 "schon Hunderte auf die Straße gegangen" | |
seien, um gegen die beängstigende Mordserie zu protestieren. | |
Doch damals habe man mit der Befürchtung, es könnte ein rassistisches Motiv | |
dahinterstecken, kein Gehör gefunden, "keiner wollte es glauben". Dabei | |
könne es sich "gerade dieses Land mit dieser Geschichte nicht leisten, | |
rechtsextreme Gewalt einfach so hinzunehmen", so Kücük. | |
Das Bundespräsidialamt teilte indessen mit, dass die Gedenkfeier für die | |
Opfer der rassistischen Mordserie am 23. Februar 2012 im Konzerthaus am | |
historischen Gendarmenmarkt in Berlin stattfindet. Sie solle "ein Signal | |
des Zusammenhalts der Gesellschaft" setzen. Einzelheiten sollen zu einem | |
späteren Zeitpunkt genannt werden. | |
9 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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