# taz.de -- Hier bleiben: Protest mit 99 Ballons | |
> Auch in Bremen wurde anlässlich der Innenministerkonferenz gegen | |
> Roma-Abschiebung demonstriert - während das Verwaltungsgericht erneut | |
> über den Fall Silvana S. beriet. | |
Bild: Protestballons: In acht Städten wurde gegen Roma-Abschiebungen demonstri… | |
Silvana S. ist nur geduldet. Und daran wird sich vorerst auch nichts | |
ändern. So wie bei vielen Roma. | |
1998 kam S. mit ihrem Mann aus dem Kosovo nach Bremen, seit 2005 schon | |
droht ihr die Abschiebung. Die Familie hat zusammen fünf Kinder, die | |
jüngsten gehen in Bremen zur Schule. Die Mutter hat heute Depressionen, | |
dazu eine posttraumatische Belastungsstörung, so hat es ein Psychiater | |
bescheinigt. Im letzten Jahr wurde sie zudem wegen eines Herzklappenfehlers | |
behandelt, seit heute liegt sie wieder im Krankenhaus, diesmal wegen ihrer | |
Gallensteine. Lang ist die Liste ihrer ärztlichen Diagnosen, ein Arzt | |
bescheinigte ihr schon mal, "dauerhaft nicht reisefähig" zu sein. Doch das | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge möchte Frau S. gerne wieder in den | |
Kosovo schicken. Und das Verwaltungsgericht, das gestern einmal mehr über | |
ihren Fall beriet, mochte auch kein Abschiebehindernis feststellen. Erst | |
müsse der Gesundheitszustand weiter aufgeklärt werden, befanden die | |
Richter. Es sei "offenkundig", dass Frau S. "schwer krank" sei, sagt indes | |
ihr Anwalt Jan Sürig. | |
Es ist nicht lange her, da hat die Ausländerbehörde S. zur "freiwilligen | |
Ausreise" gedrängt. "Die ständige Angst, ins Kosovo zurückgeschickt zu | |
werden, hat meine Frau krank gemacht", sagt ihr Mann, der selbst auch in | |
ärztlicher Behandlung ist. Früher sei sie "nie krank gewesen", nun musste | |
sie sich mehreren Herzoperationen unterziehen. Als im Juni zuletzt gegen S. | |
verhandelt wurde, erzählt Sürig, da vertrat das Verwaltungsgericht die | |
These, dass auch jenseits familiärer Unterhaltspflichten im Falle einer | |
Abschiebung schon irgendwie für Unterhalt und Krankenbehandlung gesorgt | |
werde. Von einem "Unterstützungssystem unter den Volkszugehörigen der Roma" | |
sei da die Rede gewesen, sagt Sürig. Er vermutet dahinter das | |
"antiziganische Klischee". Da könne man genauso gut sagen: Alle Juden | |
hätten Geld, so Sürig. | |
Rund 20.000 Roma droht momentan der Rückfall in einen unsicheren Status und | |
letztlich die Abschiebung. Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen | |
haben deshalb gestern bundesweit an die Innenminister der Länder | |
appelliert, sich bei ihrer heute endenden Konferenz in Wiesbaden auf ein | |
dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Geduldete zu einigen. Die Innenminister | |
haben zwar bereits 2006 eine Bleiberechtsregelung beschlossen. Doch die | |
habe an der Lage wenig geändert, beklagen Flüchtlingsorganisationen. | |
In Bremen protestierten am Mittwoch, im Vorfeld des Ministertreffens, die | |
Initiative "Jugendliche ohne Grenzen" (JOG) und die Organisation "Alle | |
Bleiben" gegen die drohenden Roma-Abschiebungen. In insgesamt acht Städten | |
stiegen je 99 Luftballons mit Protestpostkarten auf, gerichtet an die | |
Innenminister. "Wir fordern endlich eine echte Bleiberechtsregelung, welche | |
die Betroffenen von der ständigen Angst vor ihre Abschiebung befreit", | |
sagte ein Sprecher von JOG. | |
In Bremen herrsche für die Roma derzeit "informeller Stillstand", sagt | |
Sürig. Zwar würden Roma derzeit nicht abgeschoben - eine generelle | |
Bleiberechtsregelung bekämen sie aber auch nicht. Unterdessen meldet der | |
Flüchtlingsrat, dass die Bremer Ausländerbehörde derzeit wieder | |
Aufforderungen zur "freiwilligen Ausreise" und Abschiebeandrohungen an Roma | |
aus dem Kosovo verschicke. Nun könnten auch Minderheiten wieder "in ihr | |
Heimatland" zurückkehren, heißt es darin. "De facto" drohe derzeit keinem | |
Roma die Rückkehr, sagte dazu das Innenressort. Sie blieben zwar | |
"ausreisepflichtig", die Abschiebung werde aber "nicht durchgesetzt". | |
Das Auswärtige Amt warnt Reisende aus Deutschland derzeit vor der | |
"angespannten" Lage im Norden des Kosovo. Zudem sei eine medizinische | |
Versorgung nach deutschem Standard im Kosovo "nicht gewährleistet". | |
Krankenhäuser seien mitunter nicht in der Lage, PatientInnen "angemessen" | |
medizinisch zu versorgen, die Hygiene sei "im Allgemeinen unzureichend". | |
8 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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