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# taz.de -- Interview zur Braun-Affäre: "Der faulige Geruch dieser Geschäfte"
> Justizsenator Michael Braun (CDU) ist als Senator nicht mehr tragbar,
> sagt Klaus Eschen, Notar und ehemaliger Berliner Verfassungsrichter. Im
> Rechtsausschuss wurden nicht die richtigen Fragen gestellt.
taz: Herr Eschen, ist der Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Michael
Braun (CDU), noch tragbar?
Nein, das ist er nicht. Die Linie, die er eingeschlagen hat, bestärkt mich
in dem Bild, dass Politiker immer erst dann Konsequenzen ziehen, wenn sie
nicht mehr aus der Sackgasse herauskommen. Es wird weißgewaschen, solange
es irgendwie geht.
Braun verteidigt sich damit, unwissentlich Geschäfte mit Schrottimmobilien
beurkundet zu haben. Sie waren selbst lange Zeit Notar. Warum nehmen Sie
Braun das nicht ab?
Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein versierter Notar den
etwas fauligen Geruch dieser Geschäfte nicht mitbekommen hat.
Worauf wollen Sie hinaus?
Das wichtigste Organ eines seriösen Notars ist seine Nase. Man riecht, wenn
ein Geschäft faul ist - egal um was für eine Beurkundung es sich handelt.
Wenn eine Oma mit zwei Enkeln kommt, um ihr Testament zu ändern, dann
schickt man die Jungs auch raus und spricht mit der Frau allein. Das
Problem bei der Anhörung von Braun im Rechtsausschuss war, dass wenig
Kenntnisse vom notariellen Alltag vorherrschten. Ein seriöser Notar kann in
seinen Akten den gesamten Geschehensablauf rekonstuieren. Man müsste Braun
ganz andere Fragen stellen.
Klären Sie uns auf.
Man müsste Braun fragen, wie die Beurkundungen im einzelnen vor sich
gegangen sind. Wann hat er die Termine vereinbart? Zehn Minuten vorher?
Eine Stunde vorher? Drei Tage voher, oder wann? Mit welcher Begründung
wurden die Termine überhaupt außerhalb der Geschäftszeiten vereinbart? Es
besteht ja der Verdacht, dass der Makler oder Investor von einer
Überrumpelung des Käufers profitieren wollte. Mit der eiligen Beurkundung
sollte verhindert werden, dass der Mandant die Sache überschläft und von
der Fahne geht.
Und die weiteren Punkte?
Die Sachen wurden mit "Angebot" und getrennt davon mit "Annahme"
beurkundet. Normalerweise wird ein Vertrag von beiden Parteien gleichzeitig
geschlossen.
Was ist das Problem?
Wenn der Notar nur ein Kaufangebot des Käufers beurkundet, dann ist der
Käufer gebunden, aber der Verkäufer kann sich noch überlegen, ob er nicht
noch einen besseren Käufer findet.
Der laienhafte Käufer denkt: Es handelt sich ja nur um ein Kaufangebot?
Richtig. Er denkt, der eigentliche Vertrag ist noch nicht geschlossen, da
kommt er im Zweifelwieder raus. Das stimmt aber nicht.
Was ist noch wichtig?
Man müsste Braun fragen, warum er seine Mandanten nicht ausführlicher
belehrt hat. Wenn in dem Vertrag steht, "gekauft wie besichtigt", hätte ich
mich als Notar beim Mandanten erkundigt, ob er die Wohnung besichtigt hat.
Wie gesagt, als Notar entwickelt man eine Nase, ob der Mandant von dem
jeweiligen Verkäufervertreter geimpft wurde, zu allen Fragen des Notars "ja
und Amen" zu sagen. Das gilt auch für den Vertragsentwurf: Woher stammt er?
Von wem hat ihn der Mandant bekommen? Geht aus den Nebenakten hervor, dass
ihm der Vertrag 14 Tage vor Beurkundung vorlag?
Könnte sich Braun nicht in all diesen Punkten auf seine Schweigepflicht
berufen?
Die bezieht sich nur auf den einzelnen Fall. Fragen, wie er die
Urkundenentwürfe bekommen hat und wie die Termine vereinbart wurden,
unterliegen nicht der Schweigepflicht. Diese Fragen sagen nichts über das
Mandat aus, sondern über seine Praxis. Außerdem ist der Notar gegenüber dem
Landgerichts-Präsident als Aufsichtsbehörde offenbarungspflichtig.
Wagen Sie eine Prognose: Wie geht die Affäre Braun aus?
Er wird sagen, dass er seiner Familie diese Hexenjagd nicht mehr zumuten
kann. Dass er mit Rücksicht auf die CDU und Respekt für das Amt
zurücktritt. CDU und SPD werden das akzeptieren und ihn ehren. Und dann ist
die Sache erledigt.
9 Dec 2011
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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