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# taz.de -- die wahrheit: Brösliges Boson
> Elementarteilchenforschung: Ein tolles Jahr mit dem Europäischen
> Kernforschungszentrum Cern neigt sich dem glücklichen Ende zu.
Bild: Stets mit dem wichtigsten Element des Sieges gefeiert: einem ganz himmlis…
Rechtzeitig zum Jahreswechsel machen die verrückten Wissenschaftler vom
Cern wieder auf sich aufmerksam. Cern - das ist diese
Riesenforschungsanlage bei Meyrin im Schweizer Kanton Genf, die manche für
den nächsten Weltuntergang verantwortlich machen, weil dort
Elementarteilchen aufeinandergejagt werden.
Und dabei ist es passiert: Stellt euch vor, sie haben dort das
Gottesteilchen gesehen, das flüchtige Higgs-Boson. Na gut, "gesehen" ist
eher im übertragenen Sinne zu verstehen, aber man kann mit "etwa
99-prozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass das Higgs-Boson existiert",
konstatiert die taz.
Die skeptischere Spiegel-Online-Redaktion sprach nur von einer
95-prozentigen Wahrscheinlichkeit, aber das ist ja auch schon
unwahrscheinlich wahrscheinlich. Als richtiger Beweis gilt in der Physik
aber erst eine Wahrscheinlichkeit ab 99,9999 Prozent. Früher war für einen
Beweis noch die 100-Prozent-Wahrscheinlichkeit erforderlich, aber beim
letzten physikalischen Konzil wurden die Grenzen etwas gelockert.
Nun meldet die hyperaktive Presseabteilung des Cern laufend neue
wahnwitzige Entdeckungen, denen sie oft selbst nicht recht traut. Erinnern
wir uns nur an die Sommerlochmeldung, dass pfeilschnelle Neutrinos
"schneller als Einstein erlaubt" (Frankfurter Rundschau) dahinschossen. Die
fabelhaften Neutrinos sollten schneller als das Licht gewesen sein und
lösten aber vor allem eine Welle von Neutrino-Witzen im Internet aus.
"Kommt ein Neutrino in die Kneipe und sagt, ich komme gleich!"
Weil die Cern-Forscher aber ihren eigenen Messungen nicht trauten, die ja
Einstein widerlegt hätten, baten sie die restliche Forschergemeinde um
Mithilfe bei der Interpretation der aufsehenerregenden Ergebnisse. Doch die
restlichen Forscher schwiegen beredt. "Die Fachwelt mag der Entdeckung
nicht trauen", schrieb die FR.
Schnell zurück zum "scheuen Gesellen Higgs-Boson" (Hannoversche
Allgemeine). Klar "dass es auf der Fahndungsliste ganz oben steht … Für das
Gottesteilchen wird es eng", unkt der Stern. Dem pflichtet Michael
Hauschild vom Team Atlas des Cern bei: "So gut wie alle anderen Verstecke
wurden schon durchsucht", berichtet der Forscher.
Doch wie entsteht so ein geheimnisvolles Gottesteilchen eigentlich? Trocken
wissenschaftlich gesprochen, entsteht es bei Kollision zweier Protonen, die
dabei in kleinere Teilchen zerfallen. Oder anders trocken formuliert: "Das
ist, als ob man ein trockenes Brötchen an die Wand wirft und es
zerbröselt", meint Prof. Arnulf Quadt von der Universität Göttingen. Nur
ist das Higgs-Teilchen irgendwie weniger krümelig und gleich wieder weg. Es
hat sich verkrümelt sozusagen. Als hätte man gar kein trockenes Brötchen an
die Wand geworfen. Und als ob gar keine Wand da gewesen wäre.
Noch schwerer ist es, das Higgs-Feld zu erklären. Die erläuternde bildliche
Beschreibung des britischen Forschers David Miller irrlichterte in
verschiedenen Versionen durch die Presse: "Das (Higgs-Feld) funktioniert
wie eine politische Feier, bei der Margaret Thatcher auftaucht. Waren
vorher alle Menschen gleichmäßig im Raum verteilt, so zieht die prominente
Person Menschen an, so dass diese beständig eine Gruppe um sich schart."
Das heißt, "auch ein masseloses Partikel kann wie der Prominente im
Higgs-Feld Masse an sich binden." Hink, hink.
Margaret Thatcher masselos? Und die Masse, die sie an sich bindet, ist zwar
eine Masse, aber eine masselose Masse. Daraufhin erklärt der Standard
leicht verzweifelt in seiner Version: "Das Gerücht, Symbol des
Higgs-Bosons, dass Margret Thatcher die Runde durch den Partyraum macht,
bildet ebenfalls Cluster und muss demnach eine Masse haben." General
Cluster hilf, die Indianer kommen! Und wenn die "verräterischen Spuren"
(Die Zeit) nicht zum unendlich flüchtigen Higgs-Teilchen führen? Oder wenn
es dieses gar nicht gibt?
"Wir hatten ein tolles Jahr mit dem LHC!", sagt der Physiker Thomas Müller.
Und wir hatten auch ein tolles Jahr mit dem Cern und seinen tollen
Meldungen! Danke dafür!
27 Dec 2011
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