# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Mit den Zierhühnern ums Feuer herum | |
> Wer braucht schon ein Planschbecken, größer als ein Teebecher? | |
Viele schöne Jahre lang hat uns die Loggia am Wohnzimmer gereicht. Einen | |
Garten, so unsere Überzeugung, brauchen wir nicht. Wozu auch? Schließlich | |
führt die Sehnsucht nach ein paar Quadratmetern Scholle oft zu dem | |
schlimmsten Nebenwirkungen: Bevor man "Wüstenrot" oder "Schwäbisch Hall" | |
sagen kann, hat man schon einen Makler an den Hacken, kurz danach ein Haus | |
im Portfolio, einen Carport und, wenn es ganz schlimm läuft, noch eine | |
sonnengelbe Putzfassade, hinter der man sich den Kopf über Gemeindesteuern | |
zerbricht. | |
Wir wollten das alles nicht. An lauen Sommerabenden öffneten wir unsere | |
maroden Kastenfenster, tagsüber gammelten wir auf dem Spielplatz herum. Das | |
sollte reichen, alles andere sei furchtbar unpraktisch und überflüssig. | |
Auch die Ratschläge von Freunden aus fernen Kleinstädten konnten nicht | |
überzeugen. "Mit Kindern braucht man einen Garten!", sagten sie und ließen | |
ihre eigenen Parzellen mit Sandkästen und Spiellandschaften ausstatten, in | |
denen sich die Kinder angeblich wahnsinnig gut selber beschäftigten. Wir | |
sahen das nicht. Zwar freuten sich unsere Töchter, wenn sie im Sommer bei | |
der Oma in einem Planschbecken sitzen konnten, das größer war als ein | |
Teebecher. | |
Die meiste Zeit aber standen sie nur unschlüssig auf dem Rasen herum und | |
überlegten, was dieses ungewohnte Grün unter ihren Füßen war. Außerdem | |
würden wir alle mit einem Garten, so meine Theorie, von sozialen Wesen zu | |
Einzelgängern verkümmern. | |
Berichte aus den Randbezirken Berlins, wo es angeblich sogar leere | |
Spielplätze gibt, unterfütterten meine Vorbehalte genauso wie die jährliche | |
Weihnachtsparty bei Freunden in Norddeutschland. Trotz Schnee, Eis oder | |
Nieselregen mussten wir mit den dort lebenden Zierhühnern um das Feuer | |
herumschleichen und das wachsende Outdoor-Equipment des Hausherrn | |
bewundern: in einem Jahr die Feuerschale und den Grill, im nächsten den | |
Glühweinbereiter, später den mit Kohle befeuerten Eintopfofen. Ein Garten, | |
sagte ich mir, mache sonderlich. | |
Doch da arbeitete ich schon gegen das Gefühl, ein Garten könne doch das | |
Richtige für uns sein. Mir kam der Gedanke, wenn ich müde war, wenn ich | |
wieder keine Lust hatte, dauernd mit Wechselwäsche und Wickeltasche | |
unterwegs zu sein. Wenn ich mich darüber ärgerte, dass es bald ein | |
Grillverbot im Tiergarten geben sollte. | |
Und als unser Freund Markus mit einer Dose Bier und einer Zigarette bei uns | |
saß. "Ich bin ohne Garten aufgewachsen, und es hat mir nicht geschadet!", | |
verteidigte er unser städtisches Wohnmodell. Er sah blass aus, und ich | |
stellte mir vor, wie bald das Rosige aus den Wangen unserer Kinder weichen | |
würde. Wie sie mit den Jahren immer kränklicher würden, bis sie am Ende | |
genauso anämisch wirkten wie Markus. | |
"Wir probieren es", beschlossen wir also und begannen zu suchen. Wir fangen | |
nun unsere Outdoor-Sonderlings-Karriere mit einer Wohnung mit Garten an. | |
Niemals, so der Deal, werden wir im Fertighaus "Toskana" landen. Niemals | |
einen Carport besitzen oder einen Teich anlegen. Wegen der Hühner aber | |
ließe ich mit mir reden. | |
27 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Natalie Tenberg | |
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