# taz.de -- Gesundheitsrisiko Feinstaub: "Orangensaft kann helfen" | |
> Je kleiner, umso gefährlicher, sagt Forscherin Annette Peters. Die | |
> Feinstaubpartikel würden Entzündungen auslösen, bestehende Leiden | |
> verstärken und im schlimmsten Fall tödlich sein. | |
Bild: Vitamin C soll bei hoher Feinstaubbelastung helfen. | |
taz: Frau Peters, warum ist gerade Feinstaub so gefährlich? | |
Annette Peters: Das liegt daran, dass er direkt in unsere Lungen gelangt, | |
während grobe Partikel in Nase und Rachenraum herausgefiltert werden. In | |
den Lungen lagert sich der Feinstaub ab und wirkt von dort aus auf den | |
ganzen Körper. | |
Sind die Feinstaubpartikel kleiner als 2,5 Mikrometer, dringen sie bis in | |
die Lungenbläschen und können von dort sogar in das Blut gelangen. Außerdem | |
befördern sie teilweise reaktive Substanzen. | |
Welche Krankheiten können so entstehen? | |
Der Feinstaub kann in der Lunge zu lokalen Entzündungen führen und | |
Atemwegserkrankungen hervorrufen. Diese Reaktionen und Partikel, die ins | |
Blut gelangen, können außerdem Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen. | |
Welche Personengruppen sind besonders gefährdet? | |
Feinstaub kann sowohl Krankheitsverläufe als auch Veranlagungen von | |
Personen negativ beeinflussen. Deshalb sind besonders Menschen gefährdet, | |
die bereits an einer Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. | |
Neuere Studien zeigen auch, dass die Gesundheit von Diabetikern beeinflusst | |
wird. | |
Feinstaub kann Fettgewebe aktivieren, so dass das Diabetesrisiko vor allem | |
bei Frauen erhöht werden kann. Kinder wiederum sind deshalb empfindlich, | |
weil sich ihr Immunsystem gerade erst entwickelt und auftretende | |
Schädigungen für ihr restliches Leben erhalten bleiben können. | |
Welche chemischen Prozesse spielen sich in unserem Körper ab, wenn wir | |
Feinstaub einatmen? | |
Durch den Feinstaub gelangen Substanzen in unseren Körper, die freie | |
Sauerstoffradikale freisetzen können. Das sind Moleküle, die besonders | |
reaktionsfreudig sind und körpereigene Moleküle schädigen können. | |
Man spricht in diesem Zusammenhang von oxidativem Stress, wie er zum | |
Beispiel auch von ungesunder Ernährung und Zigarettenrauchen hervorgerufen | |
wird. Das ist einer der Gründe, warum Vitamin C so wichtig ist. Es kann | |
freie Sauerstoffradikale "fangen". | |
Heißt das, Orangen essen hilft bei hoher Feinstaubbelastung? | |
Ja, das konnte man sogar mit einem Versuch bei Kindern in Mexiko City | |
nachweisen. Kinder, die morgens einen kleinen Orangensaft getrunken hatten, | |
hatten weniger Auswirkungen in der Lungenfunktion als Kinder, die keinen | |
getrunken hatten. | |
Lässt sich statistisch nachweisen, dass man am Feinstaub schneller sterben | |
kann? | |
Ja, an Tagen mit hoher Feinstaubbelastung sterben statistisch gesehen mehr | |
Menschen. Außerdem lässt sich nachweisen, dass die Sterberate bei Personen, | |
die in stärker belasteten Regionen leben, höher ist und sie häufiger an | |
Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Aber diese Effekte sind klein. Man | |
braucht sehr ausgefeilte statistische Techniken, um sie zu erkennen. | |
An den tagtäglichen Sterbezahlen von München oder Berlin sieht man das | |
nicht einfach so. Die EU-Gesetze wurden auch deshalb verabschiedet, weil | |
Untersuchungen aus den USA gezeigt hatten, dass Feinstaubbelastung die | |
Gesamtsterblichkeit verändert. Wir sind gerade dabei, mit einem großen | |
europäischen Projekt eine vergleichbare Datenbasis für Europa aufzubauen. | |
Unsere Städte sind ja viel dichter bebaut als die amerikanischen, so dass | |
es in Europa möglicherweise noch stärkere Effekte gibt. | |
Kann man das Rauchen von Zigaretten mit Feinstaubbelastung vergleichen? | |
Während ein Raucher zwischen 20 und 200 Milligramm feine Partikel pro Tag | |
einatmet, trägt der Feinstaub nur 200 Nanogramm pro Tag bei, was bedeutet, | |
dass Größenordnungen dazwischen liegen. Aber das Gesundheitsrisiko ist | |
dennoch nicht zu vernachlässigen. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu | |
erleiden, ist beim Raucher zwischen 60 und 100 Prozent erhöht, der | |
Feinstaub erhöht das Risiko immerhin um 10 Prozent. | |
28 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Fischer | |
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