# taz.de -- Kommentar Ehegattensplitting: Dämliche Privilegien für alle! | |
> Das Ehegattensplitting wurde erfunden, um Frauen in die Kriegsproduktion | |
> zu locken - und ist noch heute unsinnig. Kein Grund, es Homo-Paaren zu | |
> verwehren. | |
Das Ehegattensplitting ist eines jener Institute, die Frauen davon abhalten | |
können, nach einer Kinderpause wieder voll berufstätig zu werden. Je mehr | |
sie verdienen, desto kleiner wird der Steuervorteil für das Paar. Obwohl | |
diese Wirkung viel beschrieben und kritisiert wurde und die Abschaffung des | |
Splitting immer mal wieder auf dem Plan steht, wird es demnächst wohl | |
ausgeweitet: auf verpartnerte Homopaare. | |
Das Kölner Finanzgericht hat dies jetzt schon verfügt, das | |
Verfassungsgericht wird wohl folgen. Und das ist natürlich richtig, denn | |
auch ein dämliches Privileg ist ein Privileg, an dem alle teilhaben | |
sollten, die sich gegenseitig unterstützend durchs Leben gehen – auch wenn | |
dessen Nachteile für Verpartnerte genauso gelten wie für Verheiratete. | |
Das Splitting ist das Erbe der nationalsozialistischen Frauenpolitik: | |
Ehegatten wurden damals gemeinsam veranlagt, was wegen der | |
Steuerprogression einen absurd hohen Steuersatz, vor allem für die weniger | |
verdienende Person, zur Folge hatte. Diese schlichte Addition der Einkommen | |
sollte Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten. | |
Das Ehegattensplitting wurde je nach Wirtschaftslage eingesetzt. Zunächst | |
gab es gar keins, weil die Frauen nicht arbeiten sollten. Als Frauen dann | |
in der Kriegsproduktion gebraucht wurden, wurden sie mittels | |
Ehegattensplitting, das den gemeinsamen Steuersatz minderte, gelockt. So | |
konnte man die Reservearmee der Frauen lenken. | |
Die eigentliche Ungerechtigkeit ist also die Addition der Einkommen im | |
Steuerrecht, die durch das Splitting im Nachhinein wieder gemildert wird. | |
Das Verfassungsgericht beanstandete denn auch 1957 die gemeinsame | |
Veranlagung als Abweichung vom Prinzip der Individualbesteuerung. Doch | |
Adenauer wollte die gemeinsame Veranlagung und milderte nur deren Nachteil | |
erneut durch das Ehegattensplitting. | |
Heute, da die Ehe nur eine unter vielen partnerschaftlichen Lebensformen | |
ist, ist das Splitting absurder denn je. Denn jetzt wird offenbar, dass es | |
nicht nur die Folgen der gemeinsamen Veranlagung ausgleicht, sondern dass | |
individuell besteuerte unverheiratete Paare dagegen im Nachteil sind. | |
Die richtige Antwort darauf wäre natürlich die Individualbesteuerung für | |
alle – mit einem Bonus für Familien mit Kindern. In der jetzigen Regierung | |
fordert das niemand. In der Opposition alle. Also: warten auf den | |
Regierungswechsel. | |
29 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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