# taz.de -- Das neue Christentum in Israel: Weiblich, asiatisch, christlich | |
> Die arabisch geprägten Christen in Israel sind auf dem Rückzug. Vor allem | |
> Gastarbeiter prägen heute das Bild der Christen im Heiligen Land. Ein | |
> Ortstermin in Jaffa. | |
Bild: Hat schon viele Christen erlebt, inzwischen mehrheitliche solche aus den … | |
JAFFA taz | Um die Weihnachtszeit gibt es alljährlich diverse Berichte über | |
die Situation der christlichen Minderheit im Heiligen Land im allgemeinen | |
und in Bethlehem, der Geburtsstätte Jesu, im Besonderen. Es wird erzählt | |
vom Leben hinter jüdischen Sperranlagen in einer muslimisch geprägten | |
Gesellschaft. Denn in den vergangenen Jahrhunderten waren, wenn von | |
Christen im Heiligen Land die Rede war, immer arabische Christen gemeint. | |
Sie waren vor und nach der jüdischen Staatsgründung im Land und haben sich | |
ihre Religion bewahrt. Doch Besatzung und die Intifadas haben inwzischen | |
viele von ihnen aus Israel vertrieben. Die Kirchen im Heiligen Land | |
beklagen seit Jahrzehnten Mitgliederschwund. Kurioserweise bleibt die Zahl | |
der Christen im Heiligen Land proportional zum Bevölkerungswachstum von | |
Juden und Moslems konstant. Der Grund: Die sinkende Mitgliederzahlen der | |
äthiopischen, koptischen, griechischen, armenischen und vor allem | |
arabischen Christen wird seit ein paar Jahrzehnten durch ins Land strömende | |
Fremdarbeiter ausgeglichen. Diese sind großenteils weiblich, asiatisch, | |
pflegen die Alten in Israel – und bleiben für begrenzte Zeit. | |
Auch andere Fremdarbeiter aus anderen Regionen, ebenso wie Flüchtlinge aus | |
Afrika, verdingen sich als günstige Arbeitskräfte. Sie arbeiten in Küchen | |
oder in der Landwirtschaft um Geld für ein besseres Leben in der Heimat | |
anzusparen und verlassen dann freiwillig das Land – oder werden | |
ausgewiesen. | |
## Gottesdienste in Englisch, Spanisch und Hindi | |
Ein gutes Beispiel für diesen stillen Wechsel innerhalb der christlichen | |
Gemeinde ist die Anzahl der Gottesdienste der katholischen Kirchen St. | |
Anthony und St. Peter in Jaffa, der alten arabischen Hafenstadt bei Tel | |
Aviv. Dort werden die zwei arabischen Gottesdienste am Samstag durch vier | |
auf Englisch abgehaltene in den Schatten gestellt, die hauptsächlich von | |
philippinischem Pflegepersonal besucht werden. Außerdem werden | |
Gottesdienste in spanisch, französisch für die afrikanischen Migranten, | |
diverse indische und asiatische Dialekte sowie in hebräisch angeboten, für | |
die israelisch assimilierte Jugend und russische Christen. | |
Für Pater Ramzi Sidawi von der St. Anthony Kathedrale sind diese Neuzugänge | |
eine ziemliche Herausforderung. So kommen Menschen zu ihm, die ihr Kind | |
taufen lassen möchten, aber selbst keine Papiere besitzen. Vor eine paar | |
Tagen, erzählt Sidawi, sei eine Frau gekommen, der ein Visum für zwei Tage | |
ausgestellt worden sei. "Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, am | |
13.12. ausgestellt und gültig bis zum 15.12. Irgendwie kommen diese | |
Menschen über die Runden", sagt der Pater. "Niemand weiß wie viele es | |
wirklich sind, aber sie machen die Arbeit, die kein Israeli machen will." | |
Seine Gemeinde hat um die 1.000 arabische Mitglieder und ungefähr | |
zwanzigmal so viele aus anderen Teilen der Welt, hauptsächlich von den | |
Philippinen. Und das, obwohl es eine eigene Kirche für die philippinische | |
Gemeinde gibt, die Messen nicht nur in Englisch, sondern auch in Tagalog | |
anbietet. | |
"Die Sprache macht schon einen großen Unterschied", sagt Sidawi. Es gäbe | |
nicht allzu viele Überschneidungen der verschiedenen Gruppen. "Die Inder | |
vermischen sich gerne mal mit den Philippinos, manchmal auch mit der | |
spanisch sprechenden Gruppe, aber abgesehen von Festivals und | |
Gottesdiensten bleiben die Leute zu 80 bis 90 Prozent in ihren eigenen | |
Gemeinden." Dennoch gibt es mittlerweile, wie sich an einem Samstag im | |
Gottesdienst beobachten lässt, einige philippinisch- arabische Familien. | |
## Sie reisen von weither an | |
Viele der nicht-arabischen Mitglieder kommen mit Bussen zum Gottesdienst, | |
da sie nicht in der näheren Umgebung wohnen, sondern in den | |
Arbeiterbezirken südlich von Tel Aviv. So herrscht ein buntes Treiben vor | |
der Kirche, wenn die Inder abreisen und Philippinos ankommen. | |
"Sonntags haben wir mehr arabische als englische Messen, weil die Menschen | |
aus der näheren Umgebung auch tagsüber kommen können. Wenn es sich um | |
Lehrer an unseren Schulen handelt, dann müssen sie nicht, so wie alle | |
anderen in Israel, sonntags arbeiten", erzählt Pater Ramzi Sidawi. "Die | |
Pflegekräfte können fast nie sonntags in die Kirche gehen, weil sie | |
arbeiten müssen." | |
Aber diejenigen, die es sonntags in den Gottesdienst des philippinischen | |
Pfarrers Marcel Ponpon in die Kirche schaffen singen viel, laut und sehr | |
fröhlich zusammen mit dem Chor und deren Tamburine und Gitarre – wer den | |
Text nicht kennt, kann ihn über die Folien auf dem Overheadprojektor | |
mitlesen. Natürlich fehlen sonntags die Kinder, die in der Schule sind und | |
die arbeitenden Männer – also ist die Frauen-Überzahl noch auffälliger als | |
sonst. | |
Nach dem Gottesdienst übt der Chor noch Weihnachtslieder. "Ich bin seit 30 | |
Jahren in Israel und habe kein Visum-Problem, denn ich habe geheiratet", | |
erzählt Shirley, deren Sohn Pfarrer Ponpon als Messdiener zur Seite steht. | |
"Wir gehen hier sehr warm und freundlich miteinander um in dieser Kirche." | |
## Die arabischen Christen bleiben unter sich | |
Und man vermische sich schon mal mit den anderssprachigen Gemeinden, sagt | |
Shirley. "Außer vielleicht die Araber, die bleiben offenbar lieber unter | |
sich." Ihre eigene philippinische Gemeinde habe sich in den vergangenen | |
zehn Jahren komplett verändert, sagt sie, viele Mitglieder wurden | |
ausgewiesen. | |
Auch Pater Ramzi Sidawi erinnert an die vielen rumänischen Gastarbeiter in | |
den frühen Neunziger Jahren. "Ich kenne das Phänomen schon von damals", | |
sagt er. "Sie lebten und arbeiteten in Israel damals – jetzt sind sie | |
verschwunden." | |
Einige der rund 40.000 philippinischen Christen in Israel haben sich Anfang | |
Dezember zu einer großen Gemeindefeier zusammengefunden und mussten auf | |
eine große Halle ausweichen, da es nicht genügend Platz, Kirchen und | |
Pfarrer mehr gibt um der Mitgliederzahl gerecht zu werden. "Wir sind alle | |
seit 10 Jahren in diesem Chor", erzählt Ronnie mit der Gitarre zwischen | |
zwei Weihnachtsliedern. | |
Wenn er nicht für den Kirchenchor Gitarre spielt, arbeitet er als | |
Reinigungskraft. Rosa kommt ursprünglich aus Afrika und ist mit 12 Jahren | |
das älteste Chor-Mitglied. "Wir treffen uns nur noch einmal die Woche, weil | |
die anderen alle immer arbeiten müssen", beschwert sie sich. "Früher war es | |
jeden Mittwoch, Samstag und Sonntag!" | |
30 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Julia Niemann | |
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