# taz.de -- Kolumne Unbeliebt: Wulff – Ende der Soap | |
> Ein blasser Politiker lässt sich zum Serienhelden formen - und scheitert. | |
> Wie Christian Wulff wurde, was er ist. | |
Der Jurist Christian Wulff leidet unter Beliebtheitssucht. Es ist schwer zu | |
sagen, wann sie ihn befallen hat, so etwas verläuft schrittweise. Fest | |
steht, dass er am Anfang seiner Karriere sehr unbeliebt war, das waren die | |
Jahre, als er in Niedersachsen drei Wahlen gegen ein Honigkuchenpferd | |
namens Gerhard Schröder verlor. Dann hat er jemanden gefunden, der ihm | |
sagte, wie er an die Droge Beliebtheit rankommt, Olaf Glaeseker, einen | |
Journalisten, der sein Berater wurde. | |
Ich traf Glaeseker zum ersten Mal 2008 zum Mittagessen in Hannover. Er hat | |
ein fast schüchternes Lächeln und ist ein virtuoser Charmeur. Er fiel | |
schnell ins Private und erzählte von Autourlauben mit seiner Frau. Später | |
unterschrieb er seine SMS immer mit "Liebe Grüße". | |
Das hatte Methode, und Glaeseker hat sie bei Wulff kultiviert. Beide | |
zeigten sich liebenswürdig, beinahe liebedienerisch. Sie zoomten sich | |
heran. | |
Du bist toll, Du bist wichtig, Du bist bei mir beliebt. | |
Immer in der Hoffnung, dass sich beim Gegenüber das Gefühl wohliger Nähe | |
einstellt. | |
Als ich den Berater kennen lernte, berichtete er mir – einem ihm | |
Unbekannten –, wie er Wulff coacht, was passte, weil Glaeseker an der | |
Sporthochschule in Köln studiert hat. Aber im Grunde waren es mehr als die | |
Berichte eines stolzen Trainers, es hörte sich an, als hätte er eine Figur | |
erfunden. Die Hauptfigur einer großartigen TV-Serie, die in Hannover | |
spielt. | |
"Christian Wulff" – die beliebte Serie. Werde Teil der Soap! | |
Glaeseker schrieb die Folgen. | |
Der Herausforderer. Das Ehe-Aus. Die Neue. Bettina. Der Gestalter. Gegen | |
Kochs Kampagne. Der verliebte Vater. Berlin ist nicht alles. Der | |
VW-Beschützer. | |
In einer eher unwichtigen Folge durfte ich mitspielen. Im Herbst 2008 | |
wollte der Ministerpräsident vor einem Bildungsgipfel glänzen, zu dem | |
Angela Merkel gerufen hatte. Mit einer Kollegin kam ich zum Interview in | |
die niedersächsische Landesvertretung in Berlin. Am Fenster im Büro war ein | |
Frühstück aufgebaut, es gab Rührei und Obst und Büsumer Krabben. | |
Eigentlich nett, aber irgendwie von allem ein bisschen zu viel. Auch von | |
der überbordenden Gastfreundschaft, mit der Wulff die Köstlichkeiten | |
anpries, die er selbst nicht kostete. | |
Hinten im Büro tippte Glaeseker in den Computer. Das nächste Drehbuch? | |
Vorne spielte sich Christian Wulff. Interviews sind auch Inszenierungen, | |
und ich bot Wulff den Kniff für diese Folge: Der Sitzenbleiber, der sich | |
aus seiner eigenen, harten Erfahrung für die Schulabbrecher einsetzt. | |
Ich lese Glaesekers Mails von damals. Er schreibt nicht MP oder | |
Ministerpräsident, er schreibt "Christian Wulff". Im Jahr 2010 wird die | |
Soap ins Hauptprogramm gehoben. Schauplatz ist Berlin. Der Drehbuchautor | |
zieht mit um. | |
Das Schloss. Das Kleid. Die Rede. Der Papst. | |
Aber am neuen Ort werden die Abnehmer der Folgen wählerisch und kühl. | |
Bisher wurde die Soap aus Glaesekers Hand einfach so ausgestrahlt. Und als | |
Fortsetzungsroman in Bild gedruckt. Nun recherchieren die Produzenten | |
selbst. | |
Der Kredit. | |
Die Liebesgrüße werden wertlos. Die Beliebtheit schwindet. Kalter Entzug. | |
Panik beim Hauptdarsteller. Der Drehbuchautor: Erst ratlos, dann muss er | |
gehen. | |
Am Donnerstag noch einmal Hauptprogramm. "Christian Wulff". 20.15 Uhr. Als | |
es losgeht, wird eingeblendet: ",Der lange Weg hinterm Kiel' ca. 20.35 | |
Uhr". | |
Wer setzt die Serie endlich ab? Die Möglichkeit dazu hat nur der | |
Hauptdarsteller selbst. | |
Abschied vom Schloss. | |
6 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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