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# taz.de -- Ein Park als ideologischer Raum: Germanentum und Blütenpracht
> Der Rhododendronpark wird 75: Höchste Zeit, seine Geschichte als
> NS-Gründung zur Kenntnis zu nehmen - samt ideologischer
> Landschaftsplanung und Görings Wisent-Kult
Bild: Der Wisent aus dem Bremer Rhododendronpark hatte seinen größten Auftrit…
Der berühmte Bremer Rhododendronpark und das Ursprungskonzept des
Botanischen Gartens sind brauner Provenienz. Trotz des dieses Jahr
anstehenden 75. Park-Geburtstags ist nur wenigen Bremern bewusst, wie sehr
Gründung und Planung dieser Bremer Institutionen den Intentionen des
Nationalsozialismus entsprangen und entsprachen.
Weitgehend vergessen ist auch die Geschichte einer der bekanntesten Bremer
Freiplastiken: Der durch den Bremer Bildhauer Ernst Gorsemann geschaffene
"Wisentstier" kam 1940, drei Jahre nach Eröffnung des Parks, an seinen
jetzigen Standort. Die Kolossalplastik aus Bronze ist die einzige Skulptur,
die der Bremer Staat im "Dritten Reich" erwarb.
Es scheint keineswegs ein Zufall zu sein, dass das Werk seinen Platz in
einer Grünanlage fand, die die Nationalsozialisten zu ihrem Anliegen
machten - wer sich mit Gorsemanns "Stier" beschäftigt, landet unweigerlich
bei der Entstehungsgeschichte von Rhododendronpark und Botanischem Garten.
Er stößt zugleich auf ein selbst im 21. Jahrhundert noch gültiges Tabu:
Dass über Landschaftsplanung und Gartenarchitektur im Nationalsozialismus
nicht gesprochen wird. Bremen macht da keine Ausnahme, im Gegenteil: Es hat
den Anschein, dass das 75-jährige Jubiläum nicht genutzt werden wird, diese
Geschichtsverdrängung zu beenden.
1935, während Gorsemann seinen "Wisentstier" erstmals vor dem
gleichgeschalteten Berliner Künstlerhaus präsentierte, wurde im Bremer
Rathaus mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung die Deutsche
Rhododendron-Gesellschaft ins Leben gerufen. Federführend war der Bremer
Gartenbaudirektor und Nationalsozialist Richard Homann, am Gründungsakt
nahmen die Senatoren Haltermann und von Hoff sowie der Präsident des Bremer
Finanzwesens Duckwitz teil. Beide Senatoren wurden zu Ehrenmitgliedern der
Gesellschaft ernannt, der Kaufmann und Nationalsozialist von Engelbrechten
zum Präsidenten. Ziel war die Errichtung eines "Prüfungs- und
Sichtungsgarten für Rhododendron".
Mit dem Versuchsgarten sollten Züchter immergrüner Laubgewächse fachlich
unterstützt und ein autarker deutscher Markt für Rhododendren ermöglicht
werden, der nicht mehr auf niederländische Importe angewiesen war. Neben
dem wirtschaftlichen Zweck verfolgten die Gründer ideelle,
propagandistische und volkspädagogische Ziele: Die von der Natur
entfremdeten Volksgenossen sollten wieder mit heimatlicher Flora und
"deutschen Landschaften" vertraut werden. Durch Pflanzenschönheit sollte
das Lebensgefühl des "deutschen Menschen" gehoben werden, schrieben die
Bremer Nachrichten.
Der Senat stellte dafür die ehemaligen Landgüter Rickmers und Allmers zur
Verfügung. In der Mitte des 1937 abgeschlossenen ersten Park-Abschnitts
errichtete man einen Gedenkstein für Hans Rickmers, der zu den getöteten
Teilnehmern des Hitler-Putsches von 1923 gehörte. Die Park-Eröffnung wurde
an diesem Denkmal inszeniert, Senator Haltermann hielt die Eröffnungsrede.
Nach dem Krieg legte man den anstößigen Stein mit der Schrift nach unten
ins Terrarium - dort ist er noch heute.
Der Schöpfer des Parks, Homann, studierte Gartenarchitektur und
Landschaftsgestaltung in Berlin-Dahlem. Vielleicht hat er dort den
Architekten für Gartenbau Heinrich Wiepking kennengelernt. Wiepking und
Gorsemann wiederum gestalteten das erste Weltkriegsdenkmal auf der
Altmannshöhe. Wiepking war glühender Nationalsozialist und im "Dritten
Reich" Deutschlands einziger Inhaber eines Lehrstuhls für
Landschaftsarchitektur an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Als
Chefideologe für Landschaftsplanung beteiligte er sich an der
"Landschaftsgestaltung und -pflege" der eroberten Ostgebiete. Homanns
völkisch-geprägte Leitideen im Gartenbau sind wiederum beeinflusst von
Wiepkings Theorie, deren Basis ein einfach auf die Landschaft übertragenes
völkisches Weltbild ist.
Gorsemann hatte von 1920 bis 1935 in Berlin-Dahlem seine Wohn- und
Arbeitsstätte, ehe er als Professor für Bildhauerei an der Nordischen
Kunsthochschule Bremen (NKH) in seine Geburtsstadt zurückkehrte. Der
Bildhauer war nicht Mitglied in der NSDAP, aber das war kein Hindernis für
seine Arbeit an der NKH, der einzigen nationalsozialistischen
Kunsthochschulgründung. Die Nationalsozialisten schätzten seine Werke und
gaben ihm reichlich Aufträge.
Gorsemann hatte kein Problem mit Propagandakunst: 1937 zeigte er im Bremer
Künstlerhaus einen Hitler-Kopf, zuvor hatte er für ein Verlagshaus ein
Führerrelief gefertigt. Weitere propagandistische Werke für die Wehrmacht
sind bekannt.
Der "Wisentstier" lag ganz auf der Linie des Wisentkults, den die
Nationalsozialisten, insbesondere der Reichsmarschall und
Reichsjägermeister Hermann Göring, betrieben. Der beauftragte ähnliche
Werke und kaufte von Gorsemann einen Bronze-Steinbock. Göring entfachte
einen regelrechten Rummel um das Wisent als "germanisches Urvieh", er ließ
Zuchtstationen und Freigehege anlegen.
Die Verehrung des Wisents als "germanisches" Großwild reicht zurück ins
Kaiserreich, es gibt eine lange Tradition des Wisentbilds in der Kunst. Aus
Mitteleuropa war das Tier da längst verschwunden, die Urwälder ebenso. Der
Anblick der letzten Waldriesen in Zoos und wenigen Reservaten befeuerte
umso mehr die Phantasie: Als vermeintliche Fleischquelle der Germanen
sollten sie die Basis für germanische Kultur gewesen sein.
Der Koloss kündete von Kraft, Reinheit, Überlegenheit. Die
Nationalsozialisten stellten ihn auf dem Dach des deutschen Pavillons der
Weltausstellung in Paris 1937 aus, wo er eine Goldmedaille erhielt. So kam
es, dass Bremens Regierender Bürgermeister, SA-Gruppenführer Böhmcker, in
Paris zwei Stiere sehen konnte: den einen auf Picassos epochalen Bild
"Guernica" und den anderen als Plastik. Die Kunstwerke standen für die
Konfrontation der Systeme am Vorabend des Zweiten Weltkriegs.
Homanns Arbeit am Bremer Rhododendronpark fand in Berlin großen Anklang.
Man schlug ihn als Generalreferenten für die Landschaftspflege des Gaus
Danzig vor. Erneut wird eine feine Verbindungslinie sichtbar zwischen der
Landschaftsplanung und Vernichtungspolitik in den Ostgebieten, für die
Himmlers SS eine "Wehrlandschaft" plante. Wie wenig Distanz Gorsemann zu
diesen verbrecherischen Plänen hielt, zeigt sein künstlerischer Entwurf für
einen Pferdebrunnen, den er für Dorfplätze im Osten entwarf. Der
Reichsführer der SS verlieh ihm dafür den 1. Preis. Nach dem Krieg wurde
Homann entlassen. Bei der Entnazifizierung stufte man ihn als "Mitläufer"
ein. Gorsemann ging in Pension, galt aber offiziell als "Nichtbetroffener".
8 Jan 2012
## AUTOREN
Kai Artinger
## TAGS
Entnazifizierung
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Sozialdemokraten Informanten der Gestapo waren und daher Kriegsverbrecher
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