# taz.de -- Disput um Gentechnik-Schulprojekt: Lobbyalarm im Klassenzimmer | |
> Agrarminister Gert Lindemann will ein hannoversches | |
> Gentechnik-Schulprojekt auf ganz Niedersachsen ausweiten. | |
> Umweltinitiativen und Grüne sehen darin einseitige Propaganda. | |
Bild: Umstrittener Plan: Grüne Gentechnik auf niedersächsischen Stundenplänen | |
HANNOVER taz | Dieses Thema beschert ihm immer wieder Kritik von | |
Umweltinitiativen und Landtagsgrünen: Erst im Dezember hatte Niedersachsens | |
Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) angekündigt, ein Lernprojekt | |
zur sogenannten Grünen Gentechnik an Schulen in Hannover auch in diesem | |
Jahr 2012 fortzusetzen. Jetzt bereitet er gar die Ausweitung aufs ganze | |
Land vor - aus "HannoverGen" soll "NiedersachsenGen" werden. | |
Durch biotechnologische Experimente sollen SchülerInnen laut Lindemann "zu | |
einer eigenen Sichtweise" der Agrogentechnik kommen. 6.000 SchülerInnen | |
haben die "HannoverGen"-Labore an vier Schulen in der Region Hannover seit | |
Projektbeginn 2008 besucht. Die Versuche sollen sie "in die Lage versetzen, | |
sich selbst ein Urteil sowohl über Nutzen als auch Risiken zu bilden", so | |
Lindemann. | |
Eben das bezweifelt der Grünen-Agrarpolitiker Christian Meyer. Er nennt es | |
einen "Skandal, dieses Projekt der Genlobby fortzusetzen" und warnt | |
"dringend" vor einer Ausweitung. "Das klare Ziel ist", so Meyer, | |
"Propaganda für genmanipulierte Lebensmittel zu machen." | |
Auch Annemarie Völling von der Initiative Gentechnikfreie Regionen in | |
Deutschland, einer Kooperation von BUND und der Arbeitsgemeinschaft | |
Bäuerliche Landwirtschaft, spricht von einem "einseitig ausgerichteten | |
Projekt". Die Projektkosten in Höhe von rund einer Million Euro trugen bis | |
2011 zum Großteil Niedersachsens Agrar-, Kultus- und | |
Wissenschaftsministerien. Aber auch aus der Wirtschaft kam Geld: vom | |
Verband der Chemischen Industrie (VCI), dem Saatgutkonzern KWS Saat, der | |
seit Jahren Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben | |
durchführt, und vom Verein BioRegion, in dessen Beirat neben dem | |
Impfstoffentwickler VPM wiederum auch der VCI sitzt. | |
Der wissenschaftliche Leiter von "HannoverGen", Hans-Jörg Jacobsen, | |
Professor für Pflanzenbiotechnologie an der Uni Hannover, ist Vorstand im | |
Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik. Die Lobbyorganisation hat 2009 mit | |
einem offenen Appell an Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) versucht, | |
das Anbauverbot für Genmais zu verhindern. Bei der Agrogentechnik | |
"existieren keine Risiken", erklärt Jacobsen gerne in Interviews, Kritik | |
weist er als "Mumpitz" zurück. "HannoverGen", kündigte Jacobsen schon 2006 | |
an, solle "die Jugend ein bisschen immunisieren gegen diese merkwürdige | |
Propaganda". | |
Didaktisch vermittelt wird das etwa im Planspiel "GenFit GmbH": In einem | |
fiktiven Rollenspiel sollen SchülerInnen entscheiden, ob die Schulmensa bei | |
einer Genfood-Firma Lebensmittel wie den Ketchup "Fit-Tomat" und den | |
"Gen-ial-Reis" - beides gentechnisch mit Vitaminen zur Leistungs- und | |
Konzentrationssteigerung angereichert - bestellt. Oder doch "ausgewogene | |
Menüs" vom Biohof Meyer. | |
Dem Anspruch, neutral zu informieren, werde "HannoverGen" mit solchen | |
Materialien nicht gerecht, sagt Annemarie Völling von Gentechnikfreie | |
Regionen. Kritische Argumente würden zwar benannt, im Gegensatz zu | |
Pro-Argumenten aber "nicht sauber" sowie "verkürzt dargestellt". | |
Zwar hätten Gentechnik-Kritiker an "HannoverGen" nicht mitgewirkt, eine | |
"ausgewogene Informationsvermittlung über Chancen und Risiken" finde laut | |
einer Evaluation aber trotzdem statt, betont das | |
Landwirtschaftsministerium, das im laufenden Jahr 115.000 Euro für die | |
Fortsetzung des Projekts bereitstellt. Hinzu kommen 16 Anrechnungsstunden | |
für LehrerInnen pro Woche von Kultusminister Bernd Althusmann (CDU). Weil | |
aus der Evaluation auch ein "erheblicher Wissenszuwachs zum Thema Grüne | |
Gentechnik" hervorgehe, plane man nun den landesweiten Ausbau, erklärt eine | |
Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums. | |
Finanzierung und Umsetzung würden derzeit diskutiert. Nach | |
taz-Informationen sind für die Einführung von "NiedersachsenGen" fast 15 | |
Millionen Euro veranschlagt. Geld aus der Wirtschaft, so die Sprecherin, | |
sei für eine Ausweitung des Projekts aber nicht in Aussicht gestellt. | |
19 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
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