# taz.de -- Institut für Internet und Gesellschaft: Marionettenspieler Google? | |
> Das "Institut für Internet und Gesellschaft" erforscht neue Technologien | |
> und deren Anwendbarkeit. Skeptisch macht, dass der einzige Förderer | |
> bisher Google ist. | |
Bild: Schautafel des ersten Symposiums im Institut für Internet und Gesellscha… | |
BERLIN taz | "Meine neue Vase habe ich aus China." – "Ah was? Wann warst du | |
denn in China?" – "Gestern Abend. Für zehn Minuten, mit dem Laptop." – | |
Längst sind die virtuelle und die reale Welt kaum noch auseinanderzuhalten. | |
Dass sich dadurch einiges verändert hat, ist offensichtlich. | |
Sei es nun im Positiven, weil das Internet zum Beispiel die Möglichkeit | |
bietet, etwas aus China von zu Hause zu bestellen, oder im Negativen, in | |
Form von Cybermobbing. Man scheint schnell den Überblick zu verlieren in | |
der virtuellen Welt. Um herauszufinden, was das Internet bisher genau | |
verändert hat, wurde das Alexander von Humboldt Institut für Internet und | |
Gesellschaft eingerichtet. | |
Das Forschungsinstitut, das keine Studenten unterrichtet, hat seinen Sitz | |
in der Humboldt-Universität in Berlin und wurde vor gut sechs Monaten | |
gegründet. "Institute mit einer ähnlichen Forschungsrichtung gibt es | |
bereits an der Uni Harvard oder in Stanford", erzählt Gründungsdirektor | |
Thomas Schildhauer. | |
"Aber diese setzen sich beispielsweise eher mit Medienrecht und Gesetzen | |
auseinander", erklärt sein Kollege Ahmet Acar. "Unser Institut hingegen | |
soll sich erstmals auch mit der sozialen Komponente befassen." Dabei wird | |
das Institut nicht nur von der Humboldt-Universität, sondern auch von der | |
Universität der Künste, dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin | |
sowie dem Hans-Bredow-Institut für Medienforschung aus Hamburg unterstützt. | |
So weit, so wissenschaftlich. Doch der derzeit einzige Förderer des | |
Projekts ist ein Wirtschaftsunternehmen, die Suchmaschine Google. Das weckt | |
Zweifel an der Neutralität der Ergebnisse, ruft Kritik hervor und wirft die | |
Frage auf: Macht Google das alles nur für sich? | |
## Vorkehrungen für die Glaubwürdigkeit | |
Eine Einrichtung in der Schweiz beispielsweise dient Google als | |
firmeneigenes Entwicklungs- und Forschungszentrum. Das deutsche Institut | |
solle nun aber Ergebnisse für alle liefern, behauptet Google. Deshalb habe | |
das Unternehmen "Vorkehrungen" getroffen, um für die Glaubwürdigkeit der | |
Ergebnisse zu sorgen: Eine davon ist laut Ralf Bremer, Unternehmenssprecher | |
für Google Deutschland, die Wahl der Direktoren und wissenschaftlichen | |
Partner: "Sie alle stehen mit ihrem Renommee für die Unabhängigkeit der | |
Forschung ein", erklärt Bremer. | |
Außerdem sei die Finanzierung von der Forschung institutionell getrennt. | |
"Google sponsert die Anfangsphase der ersten drei Jahre", erklärt | |
Schildhauer. Diese Fördergesellschaft, zu der noch weitere Förderer | |
hinzukommen sollen, ist allerdings nur ein Standbein des Instituts. Dazu | |
gebe es noch die unabhängige Forschungsgesellschaft, "von der Google | |
allerdings kein Teil ist". Während die Förderer für die Finanzierung | |
zuständig seien, würden die Forscher die Ziele eigenständig festlegen. | |
Dazu gehören laut Schildhauer unter anderem Projekte mit Bezeichnungen wie | |
"Regulation Watch" oder "Foresight". Hinter den Begriffen, unter denen sich | |
der Normalbürger sehr wenig vorstellen kann, verbergen sich | |
Forschungsbereiche. "Regulation Watch" beschäftige sich vor allem mit der | |
Frage, was im Internet reguliert werden müsse. Beim "Foresight" hingegen | |
gehe es um Technologien, deren Einsatzmöglichkeiten und die Auswirkungen, | |
die diese haben können. All das wollen die Wissenschaftler aus | |
verschiedenen Richtungen, etwa der technischen oder der ökonomischen, | |
untersuchen. | |
Im Rahmen von "Foresight" beschäftigen sich die Professoren beispielsweise | |
mit einer Technik namens Geofencing. Sie könnte etwa bei Demenzkranken | |
eingesetzt werden, meint Schildhauer. Diese hätten dadurch die Möglichkeit, | |
mit einem Handy sogar das Haus für einen Spaziergang zu verlassen. | |
"Mit dem Smartphone definiert man dann einen Bereich und das Gerät startet | |
beispielsweise eine Navigationssoftware, um den Betroffenen wieder nach | |
Hause zu bringen, sobald sich dieser aus dem Bereich bewegt hat." Er gibt | |
allerdings zu bedenken, dass diese Technik auch als elektronische Fußfessel | |
eingesetzt werden könnte. | |
## Alle Ergebnisse sollen kostenlos ins Netz | |
Wichtiger als konkrete Ziele ist dem Gründungsdirektor die Möglichkeit, die | |
Menschen mit dem Institut und der Informierung über Vor- sowie Nachteile | |
zum Nachdenken zu bringen. So wollen sie beispielsweise Gesetzestexte | |
"übersetzen" und online stellen, um für ein besseres Verständnis der Texte | |
zu sorgen. | |
Um das zu ermöglichen, wird das Institut alle Ergebnisse kostenlos online | |
zur Verfügung stellen. Zudem soll es Veranstaltungen wie etwa Symposien und | |
Barcamps geben. Stattgefunden hat vergangenes Jahr bereits ein Barcamp mit | |
dem Titel "How the Internet Changes Our Reality". Außerdem gab es ein | |
Gründungssymposium, das unter dem Motto "Exploring the Digital Future" | |
stand. "Allein dort waren Wissenschaftler aus über 22 Ländern zu Besuch", | |
erzählt Acar, der für "Strategie und Planung" zuständig ist. | |
Doch wenn das Institut so wichtig ist, wieso ist es dann nicht bereits vor | |
Jahren gegründet worden? Will Google sich in Deutschland wieder beliebt | |
machen, nachdem Google Street View starke Kritik hervorgerufen hatte? | |
Google-Deutschland-Sprecher Bremer widerspricht: "Ja, Deutschland ist dem | |
Internet gegenüber besonders kritisch eingestellt, und es ist auch richtig, | |
dass es Diskussionen über bestimmte Google-Anwendungen gab. Aber als | |
Reaktion darauf kann man das Institut nicht bezeichnen." | |
Vielmehr, meint er, sehe Google diese Investition als ein | |
gesellschaftspolitisches Engagement, das besser zum Unternehmen passe als | |
irgendeine Charity-Veranstaltung. "Bisher hatte Google allerdings noch | |
nicht die personellen Möglichkeiten, das Institut zu gründen", erklärt er | |
den Zeitpunkt der Gründung. Anderen, die ein solches Institut wichtig | |
finden, hat wohl auch das Geld gefehlt. Experten sind sich allerdings | |
einig: Ein Institut ohne die Beteiligung von Google wäre besser angekommen. | |
26 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Sophia Kümmerle | |
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