Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Fashionweek: Willkommen im Club – Stößchen!
> Diese Unterzeile ist suchmaschinenoptimiert: Homosexualität, Fashion,
> Champagner, Berlin.
Wenn man nach langen Jahren einer Beziehung – oder einer Ehe – wieder an
den Strand gespült wird, ist es tröstend, wenn dort gerade eine Beach-Party
veranstaltet wird und einem jemand sogleich einen Cocktail in die Hand
drückt: Stößchen! Homosexualität ist ja auch völlig SINNLOS, wenn man sich
nicht in die Gesellschaft anderer Homosexueller begibt. Alleine ist man
bloß anders und einsam und das interessiert keinen Menschen. Man muss
AUSGEHEN.
"Back on the Scene" in Berlin statt "Landmänner" in Brandenburg – es ist ja
nicht so, als ob man während der letzten zehn Jahre nicht mal hier gewesen
wäre, aber nun, als Single, kann man sich nicht mehr auf den Besucherstatus
zurückziehen. Es gilt topaktuell jener Spruch, der einst das Coming-out
markierte: Willkommen im Club! Wenn nur nicht all die Jahre dazwischen
lägen – aber hat sich wirklich etwas verändert? Man darf nicht mehr überall
rauchen und alle tragen Bärte.
Sonst alles wie immer: Mein bester Freund holt mich ab, wir glühen ein
bisschen vor – Stößchen – und dann geht es zu einem BEDEUTENDEN Berliner
Mode-Event. Gut, früher wären wir hier nur hereingekommen, weil wir die
Jungs hinter der Bar/am Empfang gekannt hätten, und heute sind wir
AKKREDITIERT. Das klingt erst mal professionell, aber dann finden wir die
Raucher-Lounge nicht und sind am Rande einer Panik: "Werden wir doch alt,
verlassen uns am Ende die Instinkte?", fragt mein bester Freund bang. Er
sah aber super aus und total jung, wie hier überhaupt alle total super
aussehen und jung.
"Hey, hallo, du siehst ja super aus", komme ich ins Gespräch mit einer
Frau, die oben Carla-Frisur und unten Prada trägt und auch schon fast
vierzig ist wie wir. So, und nur so kommt man hier nämlich ins Gespräch und
das ist auch nicht schlimm, solange die Leute einem dann ebenfalls auch
sagen, dass man ja total super aussieht. HERRGOTT, es nun ist mal ein
Mode-Event, bedeutend, aber die Sache wird nicht besser, als mir mein
bester Freund "Alles bloß Jeanshalle Nürtingen" ins Ohr raunt. Wenn nur ein
Satz nötig ist, um ein hochsubventioniertes Event aussehen zu lassen wie
ein brandenburgisches Feld, dann braucht man mehr Alkohol.
## angenehm sinnfrei
Eine Performance ist nun an der Reihe, mit viel Rumms und Bumms und Licht
und GLITZER. Menschen laufen vertikal auf eine Außenmauer hin und her und
es ist alles ganz angenehm sinnfrei und immer noch besser, als zu Hause zu
sitzen und Digital-Fotos zu verwalten. "Früher hätten wir alles daran
gesetzt, hier zu sein, erinnere dich mal", sagt mein bester Freund und
zeigt auf ein Rudel junger Homos in Röhrenhosen: "Guck mal, die sind ganz
erstarrt vor Bedeutung!"
Sie sehen nicht nur jung aus, sie SIND es. Aber erstarrt sind sie nicht,
ergriffen eher: In ihren Augen ist ein Leuchten, sie atmen den Moment. Die
Musik, die wundersam aufgebrezelten Leute - vielleicht sind sie wirklich
aus Nürtingen – MANN, BERLIN! – können einfach nicht fassen, was sie hier
gerade erleben. Und dann macht es Plopp: Direkt hinter uns wird die
kostenlose Champagner-Bar eröffnet. Unsere Instinkte, sie hatten uns also
doch nicht verlassen. Stößchen – auf den Zauber des Hier und Jetzt!
22 Jan 2012
## AUTOREN
Martin Reichert
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.