# taz.de -- Der Internet-Großhändler: Der Herr der gebrauchten Bücher | |
> Deutschlands größte Ankaufplattform für alte Bücher, Musik und Spiele | |
> heißt Momox. Am Rand von Berlin lagert das aufstrebende Unternehmen | |
> Millionen Medien | |
Bild: Momox-Geschäftsführer ChristianWegner im Logistik-Zentrum in Neuenhagen… | |
"Das sind unsere heiligen Hallen", witzelt Momox-Gründer Christian Wegner | |
beim Betreten seines mächtigen Logistikzentrums in Neuenhagen. Am östlichen | |
Stadtrand von Berlin lagert der Brandenburger die Ware, die seine Firma | |
groß gemacht hat: rund vier Millionen gebrauchte Medien. Neben | |
Zehntausenden DVDs, CDs und Videospielen füllen vor allem Bücher die | |
Lagerregale im Halleninneren. An den Toren des Zentrums entladen | |
Mitarbeiter gerade einen Postwagen. "Die eingeschickten Pakete werden jetzt | |
registriert, anschließend wird die Ware geprüft. Wenn die Artikel | |
verkaufbar sind, kommen sie direkt ins Regal", kommentiert Wegner. | |
Rund eine Million Artikel erreichen das Unternehmen jeden Monat. Absender | |
sind private Haushalte. Momox verdient Geld, indem es gebrauchte Medien in | |
riesigen Mengen ankauft, um sie auf virtuellen Flohmärkten wie eBay und | |
Amazon weiterzuverkaufen. Der Schlüssel zum Erfolg ist die | |
Internetplattform momox.de, die jedermann ermöglicht, sich unliebsamer | |
Medien zu entledigen und noch Geld dafür zu bekommen. Der Kunde muss nur | |
ISBN oder Buchtitel ins Suchfeld eingeben, schon wird der Ankaufspreis | |
ausgespuckt. Ist man mit dem einverstanden, muss die Ware nur noch verpackt | |
werden: Die Post holt sie an der Haustür ab. | |
## "Den Toppreis gibts nicht" | |
Das Unternehmen kauft mit wenigen Ausnahmen fast alles an, was eine | |
ISBN-Nummer hat. Aber nicht jeder angebotene Preis ist wirklich attraktiv: | |
Bei Büchern wie Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg", die hundertfach im | |
Netz angeboten werden, zahlt die Firma gerade mal ein Viertel des | |
eBay-Preises - und auch der beträgt nur wenige Euro. "Den Toppreis erhält | |
man für seine Ware bei Momox nicht", räumt Timm Langhorst, der | |
Marketing-Chef von Momox, ein. "Der Vorteil ist, dass Sie bei uns bequem | |
und schnell einen großen Teil Ihres Bücherregals loswerden können. Sie | |
müssen Ihre Artikel nicht einzeln ins Netz reinstellen und bekommen alles | |
sofort abgenommen." | |
Auf 15 Prozent der angekauften Bücher bleibt das Unternehmen sitzen, | |
trotzdem läuft das Geschäft hervorragend. Seit der Gründung im Jahr 2006 | |
schreibt Momox schwarze Zahlen. Im Jahr 2010 machte die Firma bereits einen | |
Umsatz von 23 Millionen. "Im Jahr 2011 haben wir den Umsatz fast nochmals | |
verdoppelt", sagt Christian Wegner. | |
Wie ein Großunternehmer wirkt der 32-jährige Geschäftsführer überhaupt | |
nicht. In einen kleinen Buchladen würde er rein äußerlich besser passen als | |
in den Chefsessel einer Firma, die über 650 Mitarbeiter beschäftigt. Seine | |
Kleidung ist schlicht, man könnte ihn mit einem Lagerarbeiter verwechseln. | |
Anführer-Rhetorik: Fehlanzeige. Der Unternehmer berlinert, spricht ruhig | |
und leise. Lichtet man ihn für die Zeitung ab, verwehrt er ein Lachen, mit | |
dem manch anderer der Öffentlichkeit signalisiert: "Schaut her, ich kanns!" | |
Wegners Aufstieg erinnert an die Erzählung vom Spüljungen, der Millionär | |
wird. Aber glorifizieren will er seine Leistung nicht: "Hart arbeiten führt | |
nicht automatisch zum Erfolg, auch Glück und Zufall sind wichtig. Ich würde | |
nicht raus auf die Straße gehen und sagen: Macht ein Unternehmen auf, seid | |
erfolgreich! Das klappt so nicht." | |
Die Geschichte von Momox verdeutlicht, wie Fleiß, Glück, Zufall und Ideen | |
zusammen den Erfolg bringen können. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann | |
arbeitete Wegner ein Jahr für eine brandenburgische Holzfirma. Das Handtuch | |
warf er 2003, als ihm sein Arbeitgeber wieder nur einen befristeten Vertrag | |
anbieten wollte. Der damals 24-Jährige zog nach Berlin, wo die Suche nach | |
einem neuen Job überraschend erfolglos blieb. Der Besuch eines Kreuzberger | |
Geschäfts sollte das Leben des Arbeitslosen in neue Bahnen lenken: Bei | |
einem türkischen Antiquar kaufte er sich ein paar Bücher, die er dann doch | |
nicht lesen wollte. Die verschmähten Schmöker verkaufte er über eBay. Ein | |
Wälzer, der gerade mal zwei Euro gekostet hatte, ging am Ende für das | |
Zehnfache weg. "Wow! 18 Euro an einem Buch zu verdienen, ohne viel getan zu | |
haben, das war schon super", staunt Wegner noch heute. | |
Die Idee, durch An- und Verkauf von gebrauchter Ware im Internet Geld zu | |
verdienen, war geboren. Der Brandenburger spezialisierte sich rasch auf den | |
damals lukrativeren Handel mit alten CDs. Ganze Sammlungen kaufte er auf | |
eBay an, um die CDs dann einzeln auf Amazon weiterzuverkaufen. Das Geschäft | |
lief schnell so gut, dass Wegners Wohnung vor Waren überquoll. Nachdem ihn | |
seine Freundin vor die Wahl gestellt hatte - "Die CDs oder ich!" -, mietete | |
er sich 20 Quadratmeter als Lager an. Im Jahr 2005 erlebte das Geschäft | |
eine erste Krise. Wegner merkte, dass auch andere anfingen, CD-Sammlungen | |
im großen Stil aufzukaufen. Und immer mehr Verkäufer von Privatsammlungen | |
schummelten: "Ganz oben in den Karton legten sie gute CDs, der Rest drunter | |
war Schrott." | |
Der Händler kam auf die Idee, seine Ware gezielt über eine eigene Seite | |
aufzukaufen. Die Computerkenntnisse für die Programmierung der Homepage und | |
der Software, die den Ankaufspreis berechnet, brachte er sich selbst bei. | |
Was ihm partout nicht einfallen wollte, war ein Name für das Unternehmen. | |
"Im Internet waren die meisten Adressen schon vergeben. Also beauftragte | |
ich meine Freundin, einen kurzen Fantasienamen zu finden." "Momox" ging | |
schließlich im Mai 2006 online. Erste Beiträge in Lokalmedien beflügelten | |
das Geschäft - ein neues Lager musste her. Im August 2008 nahm Wegner dann | |
den Handel mit gebrauchten Büchern auf. Er wurde rasch zum Zugpferd des | |
Unternehmens, mittlerweile macht er 60 Prozent des Umsatzes aus. | |
## Schuld war RTL | |
Den Umzugsservice musste Wegner erneut im Sommer 2010 anrufen. Schuld war | |
RTL: Der Privatsender hatte den ersten Fernsehbeitrag über das Unternehmen | |
ausgestrahlt: "Binnen zwei Wochen wurden wir von 500.000 eingesandten | |
Artikeln überrascht und mussten uns nach einem größeren Lager umschauen. So | |
kamen wir zu unserer jetzigen Halle", sagt Wegner. | |
Das Potenzial von Momox scheint noch nicht ausgeschöpft zu sein: "Die | |
allermeisten kennen das ja noch gar nicht, dass man gebrauchte Ware | |
unkompliziert über das Netz verkaufen kann", meint Timm Langhorst. Wenn es | |
nach dem Marketing-Chef geht, soll schon der Januar die bisherigen | |
Umsatzrekorde brechen, weil Kunden ungewollte Weihnachtsgeschenke im Netz | |
loswerden wollen. Da die gegenwärtige Halle ein Jahr nach ihrem Bezug schon | |
wieder aus den Nähten platzt, hat die Firma 10.000 qm Lagerfläche im | |
ehemaligen Quelle-Versandzentrum in Leipzig angemietet. | |
Wenn man Christian Wegner zuhört, scheint für Momox nach oben noch viel | |
Luft zu sein: "Mit dem Erreichten wollen wir auf keinen Fall aufhören", | |
sagt der Geschäftsführer. Die Expansion in die Nachbarländer sei bereits im | |
Gange. Seit kurzem kauft die Firma auch Gebrauchtware aus Österreich, | |
Frankreich und Großbritannien an. Die Chancen auf dem europäischen Markt | |
stehen nicht schlecht. Schließlich sammelt sich nicht nur in deutschen | |
Wohnzimmern Staub auf ungenutzten Büchern. | |
31 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Goll | |
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