# taz.de -- Transparenz von Sportstiftungen: Der Mäzen mit nem Problem | |
> Jürgen Klinsmanns Stiftung Agapedia ist ein Muster an Transparenz. Die | |
> Katarina-Witt-Stiftung gibt sich dagegen merkwürdig verschlossen. | |
Bild: Katarina Witt flirtet beim Sportpresseball 2011 mit der Sportpresse. Ihre… | |
Jürgen Klinsmann und Katarina Witt haben einiges gemeinsam. Der Stern | |
beider Sportler ging in den Achtzigern auf. Beide können heute auf eine | |
extrem erfolgreiche Karriere zurückblicken. Klinsmann feierte zusammen mit | |
Franz Beckenbauer die Weltmeisterschaft, gewann 1996 als Kapitän die | |
Europameisterschaft und strickte am Sommermärchen 2006. | |
Witt war "das schönste Gesicht des Sozialismus", gewann zwei Mal Gold bei | |
Olympia und schenkte uns eine der erfolgreichsten Playboy-Ausgaben. Beide | |
wollten etwas von ihren Erfolgen an andere, weniger glückliche Menschen | |
abgeben. Beide gründeten eine Stiftung. Aber da enden auch schon die | |
Gemeinsamkeiten. | |
Wer sich über die Seriosität von Jürgen Klinsmanns Stiftung Agapedia | |
informieren will, der erhält prompt einen 57 Seiten langen Bericht der | |
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die die Finanzen der Stiftung | |
detailliert unter die Lupe genommen hat. Man erhält auch die aktuelle | |
Bestätigung der Gemeinnützigkeit vom Finanzamt Stuttgart - verbunden mit | |
der Einladung, sich die Arbeit der Stiftung vor Ort anzusehen. | |
Man erfährt, dass die Stiftung 2010 Spenden in Höhe von 748.000 Euro | |
gesammelt hat, die zu 100 Prozent in Projektarbeit geflossen sind. Gut | |
verständliche Berichte über die Projektarbeit der Stiftung sind auf der | |
Homepage von Agapedia einzusehen. | |
## Die Webseite nicht aktualisiert, das Telefon unbesetzt | |
Bei der Katarina-Witt-Stiftung geht es weniger transparent zu. Zwar wird | |
auf der Homepage der 2005 gegründeten Stiftung an prominenter Stelle zur | |
"Express-Spende" aufgerufen und ein Notruf abgesetzt, der zu Spenden für | |
ein gehörloses Mädchen aus Moldawien aufruft; sie soll ein Implantat | |
bekommen, das ihr beim Hören hilft, "dieser Eingriff ist in wenigen Wochen | |
erforderlich", heißt es. Der Notruf ist allerdings fast zwei Monate alt. | |
Wer dann bei der Stiftung anruft, um sich näher über den Fall des Mädchens | |
zu informieren, bekommt nur die Ansage eines Anrufbeantworters zu hören: | |
"Guten Tag, das Büro ist zurzeit leider nicht besetzt." Morgens, mittags | |
und abends. Man kann zwar sein Anliegen auf der Mailbox des | |
Anrufbeantworters hinterlassen, einen Rückruf erhält man aber, auch nach | |
Tagen, nicht. Längst nicht das einzige Glied in einer langen Kette von | |
Merkwürdigkeiten rund um die Katarina-Witt-Stiftung. | |
Sogar das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat mit seinen | |
Nachfragen bei der Katarina-Witt-Stiftung auf Granit gebissen. Das DZI ist | |
ein unabhängiges Institut, das seit mehr als 20 Jahren mildtätige | |
Stiftungen auf die korrekte Verwendung von Spendengeldern prüft. Bekannt | |
ist das Institut vor allem für sein Spendensiegel, welches nach | |
ausführlicher Prüfung an seriös wirtschaftende Stiftungen vergeben wird. | |
Der Erwerb des Siegels ist jedoch kostspielig. Deshalb beantragen vor allem | |
größere Organisationen wie Amnesty International oder die Aktion | |
Lichtblicke e. V. das Spendensiegel. | |
## Schwerpunkt auf Projekten, nicht Siegeln | |
Auch Jürgen Klinsmanns Stiftung Agapedia wollte das Siegel 1999 beantragen, | |
entschied sich jedoch dagegen: "Wir hätten einen Mehraufwand an | |
Verwaltungskosten gehabt in der Höhe von mehreren tausend Euro, ohne dass | |
dies unsere Projektarbeit verbessert hätte", meint Agapedia-Geschäftsführer | |
Stefan Barth. | |
Gibt es Zweifel an der Seriosität einer Stiftung, wird das DZI auch von | |
sich aus aktiv und bittet die betreffende Stiftung um die Satzung, die | |
Bestätigung der Gemeinnützigkeit vom Finanzamt, einen aktuellen | |
Finanzbericht sowie die wichtigsten Werbe- und Informationsmaterialien. | |
Über mehrere Jahre hinweg, zuletzt im Juni 2011, blieben jedoch alle | |
Anfragen des DZI an die Katarina-Witt-Stiftung unbeantwortet. | |
Interessierten Spendern ist es also nicht möglich, sich mit Hilfe des DZI | |
über die Arbeit der Witt-Stiftung zu informieren. Das Urteil des DZI lautet | |
deshalb: Einschätzung nicht möglich. "Damit hat die Stiftung uns nicht in | |
die Lage versetzt jenen Spendern, die Wert auf eine Spenderberatung legen, | |
die nötigen Informationen einzuräumen.", meint Burkard Wilke, | |
Geschäftsführer des DZI. Ein positives Urteil sieht anders aus. Deshalb hat | |
das DZI die Katarina-Witt-Stiftung über die Einstufung informiert. Die | |
Reaktion: keine. | |
## Nichtssagende Tortengrafiken, statt Bilanzen | |
Versucht der potenzielle Spender sich deshalb auf eigene Faust über die | |
Mittelverwendung der Stiftung zu informieren, stößt er in einer | |
Info-Broschüre der Stiftung auf eine Tortengrafik, die die Verwendung der | |
Spenden für den Zeitraum von 2009 bis 2011 aufweist. | |
Mal davon abgesehen, dass es seltsam ist, warum ausgerechnet dieser | |
Zeitraum dargestellt wird - üblicher wäre es, die Jahre einzeln auszuweisen | |
-, stellt sich noch eine weitere Frage: Wie kann die Witt-Stiftung die | |
Mittelverwendung für das Gesamtjahr 2011 in einer Broschüre ausweisen, die | |
bereits am 9. Dezember 2011 über einen Link auf der Facebook-Seite der | |
Stiftung zur Verfügung gestellt wurde? Also einen Monat vor dem Ende des | |
ausgewiesenen Zeitraums. | |
Des Weiteren steckt Witts Stiftung nur 61 Prozent der erhaltenen Spenden in | |
Projekte - nicht eben ein Spitzenwert. Bei Agapedia fließen 100 Prozent der | |
Spenden in die Projektarbeit. Die Verwaltungskosten werden vom | |
millionenschweren Stiftungsvermögen getragen, das Jürgen Klinsmann bei der | |
Gründung zur Verfügung gestellt hat. Über ein vergleichbares Vermögen | |
verfügt die Witt-Stiftung nicht. | |
## Zwei Stiftungen und andere Ungereimtheiten | |
Auch stellt sich die Frage nach der Rechtsform der Witt-Stiftung. Auf der | |
Stiftungshomepage wird die Witt-Stiftung ebenso wie in einer offiziellen | |
Info-Broschüre als gemeinnützige GmbH (gGmbH) ausgewiesen und nutzt somit | |
nicht die offizielle Rechtsform der "Stiftung bürgerlichen Rechts". Das | |
allein ist nichts Ungewöhnliches, nur: Auf Anfrage beim Bundesverband | |
deutscher Stiftungen, dessen Mitglied die Witt-Stiftung ist, wird | |
mitgeteilt, dass es neben der 2005 gegründeten gGmbH noch eine weitere | |
Katarina-Witt-Stiftung gebe, die im Jahr 2011 gegründet wurde. Und zwar als | |
"Stiftung bürgerlichen Rechts". Diese Stiftung wird jedoch weder in der | |
Info-Broschüre noch auf der Homepage der Stiftung erwähnt. | |
Man würde gerne wissen, was hinter diesen Ungereimtheiten steckt, ob es | |
vielleicht eine völlig logische und harmlose Erklärung gibt. Fragt man | |
jedoch bei der Stiftung nach, erhält man keine Antworten, sondern ein | |
Schreiben von Witts Anwalt Christian Schertz. Er schreibt: "Seien Sie davon | |
in Kenntnis gesetzt, dass bereits viele von Ihnen gestellten Fragen | |
Unwahrheiten inne wohnen und wir behalten uns auch deswegen für den Fall | |
einer Falschberichterstattung sämtliche denkbaren presserechtlichen | |
Schritte […] vor." Weiter heißt es, Schertz habe Witt empfohlen, "die von | |
Ihnen gestellten Fragen nicht zu beantworten". Die Katarina-Witt-Stiftung | |
scheint auf das wichtigste Gut beim Spendensammeln keinen Wert zu legen: | |
Vertrauen. | |
2 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Laurenz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rückschau aufs Sportjahr 2011, Teil 3: In Lederhosen gegen Olympia | |
Das Sportjahr 2011 neigt sich seinem Ende entgegen. Die | |
Leibesübungen-Redaktion blickt zurück: Diesmal auf Münchens gescheiterte | |
Olymiabewerbung. |