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# taz.de -- Professor über Alkohol-Kater: "Rollmops schadet nicht"
> Mit dem Karneval kommt der Kater. Aber wie ihn überwinden?
> Medizin-Professor Singer über die psychische und körperliche Gewöhnung an
> Alkohol, Magengeschwüre und Durst.
Bild: Wie lässt sich der Kater vermeiden? Weniger durcheinander trinken.
sonntaz: Herr Singer, Sie erforschen die Wirkung von Alkohol. Wann hatten
Sie Ihren letzten Kater?
Manfred Singer: Oh, das ist schon eine Ewigkeit her, sicher über ein
Jahrzehnt.
Wie schaffen Sie es, ihn zu vermeiden?
Indem ich nicht so viel trinke. Vor allem trinke ich nicht verschiedene
Getränke durcheinander. Also nicht erst Bier, dann Wein und dann noch
Whisky. Dadurch kriegt man auch weniger Kater. Wissenschaftlich ist das
nicht untersucht. Das sind mehr Erfahrungswerte.
Was ist ein Kater?
Ein Kater ist die Folge einer akuten Alkoholvergiftung. Zu ihm gehören eine
ganze Menge von Symptomen: Durst, trockener Mund, Müdigkeit, Übelkeit.
Menschen mit Kater sind licht- und geräuschempfindlicher, schwitzen
vermehrt. Die Hände können zittern, der Pulsschlag ist erhöht. Man weiß aus
Studien, dass beim Kater auch eine Art Angstzustand auftreten kann. Aber
das größte Problem sind wohl die Kopfschmerzen.
Wie kommt es dazu?
Alkohol hemmt im Körper das sogenannte antidiuretische Hormon, ADH. Das
Hormon sorgt eigentlich dafür, dass der Körper Wasser zurückbehält. Wird
weniger ADH freigesetzt, gibt man mehr Wasser ab, und es kommt zu einer
Dehydration. Die könnte für die Kopfschmerzen mitverantwortlich sein.
Ist der Kater also nur eine Entwässerung des Körpers?
Sie spielt mit Sicherheit eine wichtige Rolle. Definitiv bewiesen ist das
auch nicht. Aber es gibt auch viele andere Substanzen, die für Kater sorgen
können. In alkoholischen Getränken sind zum Beispiel Fuselöle und Methanol.
Die verursachen auch die typischen Katersymptome, vor allen Dingen das
Methanol. Also beim Kater ist nicht nur die Menge entscheidend, sondern
auch die Qualität des Alkohols.
Was haben diese Kopfschmerzen denn mit dem Tier zu tun?
Gar nichts. Der Begriff Kater stammt wahrscheinlich aus dem griechischen
Wort katarhein, also herunterfließen. Auch möglich ist, dass es vom
lateinischen crapula für Katzenjammer abgeleitet wurde.
Und was hilft nun dagegen? Rollmops essen?
Wird sicherlich nicht schaden. Beim Trinken verliert man auch eine ganze
Menge Salz über die Nieren. Im Rollmops ist Salz. Ich kann mir also
vorstellen, dass das nicht schlecht ist.
Was ist mit Pfefferminzöl statt Aspirin am Morgen?
Dazu gibt es keine vernünftigen wissenschaftlichen Studien. Aber Aspirin
verursacht Schleimhautschäden im Magen. Das sollte man in jedem Fall
vermeiden.
Ein Konterbier?
Möglichst auch nicht. Man setzt dann die Alkoholvergiftung fort. Lieber
viel Wasser oder Tee trinken. Etwas, was dem Magen bekommt. Der Magen hat
ja durch den Alkohol ganz klar eine Entzündung. Sowohl die harten
Alkoholika als auch Bier und Wein verursachen Magengeschwüre. Wichtig ist
auch der Blutzucker. Der sinkt, wenn Sie viel Alkohol trinken. Das kann
auch eine Ursache für den Kater sein.
Also eher süß frühstücken?
Eigentlich schon. Ob das aber dem Verkaterten bekommt, wenn ihm eh schon
übel ist, bezweifle ich.
Den Kater spazieren führen?
Frische Luft ist sicherlich gut. Führt zu einem klaren Kopf.
Gibts denn irgendein Mittel, das wissenschaftlich geprüft gegen den Kater
hilft? Haben Sie etwas gefunden?
Wir haben die Wirkung von alkoholischen Getränken auf die Magensäure und
die Magenschleimhaut untersucht. Kaum etwas stimuliert die Magensäure
stärker als Bier und Wein. Früher dachte man, das liegt am Alkohol. Doch im
Bier und Wein sind etwa 2.000 Substanzen. Ethanol ist nur eine davon. Wir
konnten nachweisen, das die starke Säurestimulation nicht vom Alkohol
ausgeht, sondern von zwei Säuren: Äpfelsäure und Bernsteinsäure. Durch
diese Stoffe kann es zu vermehrten Reflux der Magensäure in die Speiseröhre
kommen, und dann haben Sie Sodbrennen.
Kann man diese Stoffe nicht weglassen?
Wir untersuchen gerade zusammen mit einem Berliner Forschungsinstitut ein
Bier, das diese beiden Substanzen nicht enthält. Wir versuchen also ein
Bier zu entwickeln, das magenfreundlich ist.
In der Fastenzeit legen viele Leute eine alkoholfreie Zeit ein, zur
sogenannten Leberverjüngung.
Das bringt auf jeden Fall etwas. Wenn auch keine Verjüngung, so doch eine
Erholung der geschundenen Leber. Dadurch wird die psychische und auch die
körperliche Gewöhnung an Alkohol unterbrochen. Gut ist auch, zwei oder drei
Tage in der Woche nichts zu trinken. Meine Frau und ich machen seit über
dreißig Jahren in der Fastenzeit "sieben Wochen ohne". In der Osternacht
veranstalten wir dann ein richtiges Fastenbrechen und trinken zusammen das
erste Glas Wein. Dadurch weiß ich den Alkohol dann auch wieder mehr zu
schätzen. Das ist wie mit allen Genüssen: Nur durch vorherige Askese kann
man überhaupt den vollen Genuss erleben.
Warum macht uns Alkohol mit zunehmendem Alter immer mehr Probleme?
Das liegt daran, dass mit dem Alter der Anteil an Körperfett pro Kilogramm
Körpergewicht zunimmt. Das heißt, im Verhältnis ist der Wassergehalt des
Körpers geringer. Ethanol löst sich aber besser in Wasser auf als in Fett.
So kriegt man im Alter beim Trinken einen höheren Blutalkoholspiegel. Man
wird also schneller betrunken und kriegt dann auch leichter einen Kater.
Der Körperfettanteil spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme des
Alkohols. Frauen haben ein anderes Fett-Wasser-Verhältnis als Männer,
deshalb vertragen sie weniger Alkohol.
Was kann ich denn dagegen tun?
Weniger Alkohol trinken.
Und wenn ich zum Alkohol etwas Fettiges esse?
Hilft nicht.
Sollte ich am besten gar keinen Alkohol trinken?
Nein, das auch nicht. Es gibt Studien, die zeigen, dass Alkohol positiv
wirken kann. Wenn Männer etwa zwanzig Gramm reinen Alkohol am Tag trinken,
das ist etwa ein halber Liter Bier oder ein Viertel Wein, bekommen sie
seltener einen Herzinfarkt oder auch Hirninfarkt als Abstinenzler.
Wie kommt das?
Alkohol und andere Inhaltsstoffe im Bier und Wein verhindern die Anhäufung
von Blutplättchen. Die sind für die Blutgerinnung zuständig, können aber
auch Arterien verstopfen und so Infarkte auslösen. Das gilt aber nur für
Menschen, die gesund sind, keine genetische Neigung zur Sucht haben oder
irgendeine Art von Lebererkrankung.
Also, wie soll ich nun trinken?
Bei unter zwanzig Gramm Alkohol am Tag geht ein Mann laut
Weltgesundheitsorganisation quasi kein gesundheitliches Risiko ein. Für
Frauen gilt die Hälfte. Sobald er oder sie aber das Doppelte trinken,
steigt das Risiko der Alkoholerkrankungen. Wie schon der große Heiler
Paracelsus wusste: Die Dosis macht das Gift.
11 Feb 2012
## AUTOREN
Maria Rossbauer
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