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# taz.de -- Streik bei "Pflegen und Wohnen": Kein Ende in Sicht
> Die Beschäftigten von Hamburgs größtem privatem Pflegeheimbetreiber
> "Pflege und Wohnen" kämpfen seit über drei Wochen für einen Tarifvertrag.
Bild: Protestieren für einen Tarifvertrag: Mitarbeiter des Pflegeheim-Betreibe…
Es ist bitterkalt am Harburger Rathaus, trotzdem haben sich am
Mittwochmorgen etwa 150 Mitarbeiter von Hamburgs größtem privatem
Pflegeheimbetreiber "Pflegen und Wohnen" hier versammelt. Eingepackt in
Schals und Mützen, die Streikweste über die Winterjacke gezogen, wollen sie
zum Pflegeheim Heimfeld gehen, um dort ihrer Forderung nach einem
Tarifvertrag Nachdruck zu verleihen.
Seit 23 Tagen sind die Beschäftigten im Erzwingungsstreik, doch ans
Aufhören denken sie nicht. "Wir machen so lange weiter, bis die
Geschäftsführung mit uns Tarifgespräche aufnimmt", sagt der
Betriebsratsvorsitzende Rolf in der Stroth. Sie finde das Verhalten von
"Pflegen und Wohnen" gegenüber den 1.600 Mitarbeitern skandalös, sagt eine
der Protestierenden, die anonym bleiben will. Sie arbeite seit über zehn
Jahren in einem der Pflegeheime. In staatlicher Trägerschaft sei die
tarifliche Regelung gängige Praxis gewesen, doch seitdem die Heime
privatisiert worden wären, schwinde die Einflussnahme der Mitarbeiter.
Die Geschäftsleitung hatte den bestehenden Tarifvertrag zum Juli des
vergangenen Jahres gekündigt. Er gilt nur noch für bereits angestellte
Mitarbeiter. Für neue Mitarbeiter solle es eine betriebsinterne Regelung
geben, sagt Johannes Kamm, der Geschäftsführer von "Pflegen und Wohnen". In
Gesprächen mit dem Betriebsrat werde diese bereits ausgehandelt. Er hoffe,
dass das baldige Ergebnis die Streikenden davon überzeuge, dass der neue
Weg zwar anders, aber nicht zu ihrem Nachteil sei.
"Die Geschäftsführer versuchen, sich mit den Gesprächen aus der Situation
zu winden", sagt Ver.di-Gewerkschaftssekretär Björn Krings. Der Betriebsrat
sei zur Teilnahme an den Verhandlungen über die betriebliche Regelung
gesetzlich verpflichtet. Mit Ver.di aber habe "Pflegen und Wohnen" in den
Wochen des Streiks nicht gesprochen. Um den Druck auf die Geschäftsleitung
zu erhöhen, seien die Proteste daher ausgeweitet worden.
Der zentrale Streiktag, an dem alle 13 Einrichtungen auf einmal bestreikt
werden, findet nicht wie bisher einmal, sondern nun zweimal die Woche
statt. An den anderen Tagen wird jeweils ein Pflegeheim bestreikt.
Zusätzlich dazu hat Ver.di vor ein paar Tagen eine Internetaktion
gestartet. Unterstützer können auf der Ver.di-Hamburg-Seite eine
Protestmail an den Inhaber der Pflegeheime, Andreas Franke, schicken. 200
Menschen haben bereits mitgemacht.
Am Dienstag verschickte die Geschäftsführung von "Pflegen und Wohnen" einen
Rundbrief an alle Mitarbeiter. In dem Brief, der der taz vorliegt, ist von
Defiziten bei der Behandlungspflege und von Auswirkungen auf die Ernährung
und Mobilität der Heimbewohner die Rede. Es gebe bereits Fälle, in denen
deren Gesundheit gelitten habe. Bei einer Fortsetzung des Streiks würden
sich die Auswirkungen noch verstärken. "Damit soll der moralische Druck auf
die Mitarbeiter erhöht werden", sagt Krings. Das sei unanständig und gehe
an der Realität vorbei, denn zu einem Arbeitskampf sei es nur gekommen,
weil die Geschäftsführer Tarifflucht begangen hätten. Den Brief werte er
als Zeichen dafür, dass die Geschäftsführer langsam nervös würden.
Geschäftsführer Kamm sieht das anders. Mit moralischem Druck habe der Brief
wenig zu tun, sagt er. Das Schreiben sei eine Bitte an die Mitarbeiter
gewesen, sich ihrer Verantwortung gegenüber den Bewohnern bewusst zu sein.
Zwar würde die Notdienstvereinbarung die Grundversorgung sicherstellen,
darüber hinaus müssten aber Abstriche gemacht werden. Der Tarifvertrag sei
gekündigt worden, weil er für das Unternehmen nicht mehr finanzierbar und
mit Ver.di kein Konsens zu finden gewesen sei.
"Pflegen und Wohnen" ist nicht der einzige private Pflegeheimbetreiber in
Hamburg, der Tarifverträge ablehnt. In manchen Heimen gebe es noch nicht
mal Betriebsräte, sagt Krings. "Pflegen und Wohnen" nehme als größter
Pflegeheimbetreiber aber eine Vorreiterrolle ein. "Deshalb bleiben wir
hartnäckig."
10 Feb 2012
## AUTOREN
Lina Sulzbacher
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