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# taz.de -- Revision einer Geschichte: Der ungeklärte Tod im Grenzgebiet
> Zwei Jäger erschießen 1992 zwei Rumänen, der Prozess endet mit
> Freispruch. Im Dokumentarfilm "Revision" lässt der Regisseur die Familien
> der Erschossenen erzählen.
Bild: Grigore Velcu (hier mit seiner Frau), einer der beiden Rumänen, die 1992…
BERLIN taz | Mit ihren Jagdgewehren schießen Heinz K. und Gerhard R. in
eine Gruppe von zwanzig rumänischen Staatsbürgern, die in dieser Nacht im
Sommer 1992 über ein Kornfeld von Polen nach Deutschland laufen.
Anschließend steigen die Schützen in ihr Auto und fahren weiter.
Am nächsten Tag entdeckt ein Mähdrescherfahrer die Leichen von Grigore
Velcu und Eudache Calderar. Eine Kugel hat den Schädel des ersten jungen
Mannes durchschlagen und sich in den Kopf des zweiten gebohrt. Der
Mähdrescherfahrer will Hilfe holen, plötzlich fängt das Feld zu brennen an.
Wenige Tage später stellt die Polizei Heinz K. und Gerhard R. Zwar geben
beide zu, geschossen zu haben, doch die Behörden scheitern anschließend
daran, dem ehemaligen Polizisten und seinem Jagdgast eine Straftat
nachzuweisen. Sieben Jahre später, am 20. Oktober 1999, spricht das
Amtsgericht Pasewalk Heinz K. und Gerhard R. frei.
"In diesem Prozess ist eine ganze Menge falsch gemacht worden", sagt
Wolfgang Heiermann. 2010 hat der Anwalt aus Köln für die Kinder von Grigore
Velcu die Chancen für ein Wiederaufnahmeverfahren geprüft, ohne Erfolg. Die
Familie hatte erst kurz zuvor erfahren, wie ihr Vater und Ehemann ums Leben
gekommen war. Die Staatsanwaltschaft hatte die Angehörigen nach der Tat
nicht kontaktiert, obwohl die Chancen für eine Verurteilung gestiegen
wären, wenn die Ehefrauen Nebenklage erhoben hätten.
Auch an anderen Stellen schlampten die Ermittler. "Sie hatten nicht im
Umfeld der Jäger ermittelt, um ihre Geschichte zu überprüfen", sagt
Heiermann. Die rund zwanzig Zeugen, die mit Velcu und Calderar die Grenze
überquert hatten, wurden vom Gericht ebenso wenig befragt wie die
Feuerwehrleute, die den Brand auf dem Feld gelöscht hatten. Dabei sollen
diese beobachtet haben, dass eines der Opfer noch nach dem Feldbrand
röchelte. Ein entscheidendes Detail für die Frage, ob den Jägern neben
fahrlässiger Tötung auch unterlassene Hilfeleistung zur Last gelegt werden
kann.
Im Gerichtsprozess, der erst sieben Jahre nach der Tat endete, aber nur
drei Verhandlungstage umfasste, spielten die Gutachten von Sachverständigen
eine tragende Rolle. Heinz K. und Gerhard R. hatten ausgesagt, sie hätten
die Flüchtlinge für Wildschweine gehalten. Doch eine Sachverständige kam zu
dem Schluss, dass man mit den Ferngläsern der Jäger durchaus Menschen von
Wildschweinen sicher unterscheiden konnte. Die Frage, ob das Kornfeld wegen
Funkenflugs von dem Mähdrescher abgebrannt war oder etwa weil es jemand
angezündet hatte, wurde nicht geklärt.
Entscheidend für den Freispruch war, dass das Gericht weder Heinz K. noch
Gerhard R. nachweisen konnte, den einen Schuss abgegeben zu haben, der
beide Männer getötet hatte. Ein Sachverständiger erklärte am Tag vor der
Urteilsverkündung, das sichergestellte Geschossteil passe nicht zu der
Munition, die die Jäger nach eigener Aussage verwendet hatten. Die
Staatsanwaltschaft glaubte auch nach dem Freispruch, die Beweise würden
ausreichen, um die beiden Schützen zu verurteilen, und legte Berufung ein.
Drei Jahre später wurde diese abgelehnt.
14 Feb 2012
## AUTOREN
Sebastian Fischer
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