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# taz.de -- Medikamenten-Skandal: "Contergan war ein Kollateralschaden"
> Jan Schulte-Hillen hat wegen des Schlafmittels kurze Arme. Mehr nicht. Er
> sagt, dass er Glück hat und das Medizinprodukte immer noch lax getestet
> werden.
Bild: Jan Schulte-Hillen isst gern Äpfel. Einen jeden Morgen.
Man sollte nicht versuchen, Jan Schulte-Hillen als behindert zu bezeichnen.
Auch wenn das Contergan seinen Körper verändert hat. Man muss dann
mindestens mit einer sehr energischen Antwort rechnen: "Vorsicht! Ich fasse
mich nicht als behindert auf. Ich habe kurze Arme, sicher, das ist im
Alltag auch oft irre lästig, aber es bestimmt nicht mein Leben. Ich bin
verheiratet, wir haben zwei Söhne, ich arbeite als Arzt, fahre Auto,
Motorrad und Ski."
Jan Schulte-Hillen ist der Sohn des Rechtsanwalts Karl-Hermann
Schulte-Hillen, der dafür gesorgt hat, dass die Fälle von
contergangeschädigten Kindern in den 60er-Jahren bekannt wurden und dass es
schließlich zum Prozess gegen die Firma Grünenthal kommen konnte. Über
Schulte-Hillens Kampf ist eine Dokumentation gedreht worden. Er ist einer
der prominentesten Gegner der Firma Grünenthal.
"Ich habe großes Glück gehabt", sagt Jan Schulte-Hillen im
sonntaz-Gespräch, "verglichen mit den vielen Menschen, denen es wirklich
dreckig geht, die keine Arme und Beine haben, die auf dem Boden leben, sich
rollend fortbewegen müssen."
Den Contergan-Skandal betrachtet Schulte-Hillen distanziert und analytisch.
"Ein Teil der Errungenschaften unserer westlichen Zivilisation besteht nun
einmal darin, dass wir auch bei kleineren Beschwerden schnell zu einem
Medikament greifen, um diesen Zustand abzuschalten", sagt er. "Das haben
wir uns durch Forschen und Wirtschaften erarbeitet. Contergan war aus
dieser Sicht ein Kollateralschaden." Man könne auch sagen: eine
Lifestyle-Droge, ein Smashhit. "Wir gingen davon aus, dass wir in einem
sicheren System lebten, und waren dann total erstaunt, als sich
herausstellte, dass etwas total schädlich war."
Die Konsequenzen aus dem Skandal schätzt er sehr zurückhaltend ein:
"Konsequenzen? Ach kommen Sie … Schon gut, im Arzneimittelbereich ist was
passiert nach Contergan. Aber sonst?" Ehe Ikea ein Sofa auf den Markt
bringe, lasse es einen Roboter sich 50.000-mal darauf hinsetzen.
"Und dann schauen Sie sich, ganz aktuell, den Markt der Medizinprodukte an,
den Markt dieser ganzen Brust-, Knie-, Hüftprothesen also, Implantate, die
im menschlichen Körper verbleiben. Die werden vergleichsweise lax getestet,
und die wenigsten regen sich auf. Oder Nahrungsergänzungsmittel, die kommen
praktisch ungeprüft auf den Markt. Ich finde das vogelwild.
18 Feb 2012
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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