# taz.de -- Die Wahrheit: MOPSIGES EHRENAMT | |
> "Was ist das denn? Was macht er denn mit dem da?", kreischt Sylvia. "Wer | |
> mit wem?", frage ich und schaue in die Richtung, in die ihr entsetzter | |
> Blick gewandert ist. | |
"Was ist das denn? Was macht er denn mit dem da?", kreischt Sylvia und | |
reißt die Augen auf. "Wer mit wem?", frage ich und schaue in die Richtung, | |
in die ihr entsetzter Blick gewandert ist. Ich entdecke Klaus - und auch | |
"den da", der sich ekstatisch zitternd an Klaus Schenkel reibt. "Er heißt | |
Viktor", stellt ihn Klaus schließlich vor, als "der da" fertig ist mit dem, | |
was er zu tun hatte, und sich die beiden zu uns setzen. | |
Klaus drückt "den da" zärtlich an seine Brust. Schön sieht das nicht aus. | |
Das faltige Gesicht. Die triefenden Augen. Der Speichelfaden im Mundwinkel. | |
Ich hätte Klaus eindeutig mehr Geschmack zugetraut. Aber Viktor scheint von | |
uns genauso wenig zu halten wie wir von ihm. Mit einem asthmatischen | |
Schnaufen wendet er sich von uns ab und starrt auf Sylvias Tortenstück. | |
"Du konntest Hunde doch noch nie leiden. Und nun ausgerechnet ein Mops!", | |
stellt Sylvia kopfschüttelnd fest und zieht ihren Teller näher zu sich, um | |
ihn vor feindlichen Übergriffen zu schützen. "Ach Quatsch", sagt Klaus, | |
"ich habe Hunde schon immer gemocht." Er krault dem Faltengesicht den | |
Nacken, was Viktor zu recht obszönen Geräuschen animiert. | |
"Also ich erinnere mich nur an deine Vorträge über unausgelebte | |
Gebärwünsche, wenn sich Frauen im besten Alter eine Katze anstatt eines | |
Liebhabers angeschafft haben." Sylvia übergeht Viktors sabbernde | |
Annäherung. "Und mir fallen deine Sprüche ein von wegen: lieber in den | |
Kochtopf als aufs Sofa", bemerke ich. Klaus zuckt gleichgültig die | |
Schultern. | |
Unerwähnt lasse ich darum die Hinweise auf seine vermeintliche | |
Tierhaarallergie, mit der er sich ums Katzenhüten und Gassigehen gedrückt | |
hat, wenn die Kleintierhalter im Freundeskreis um Hilfe baten. Und auch von | |
seinen Ausführungen über Triebsublimierung und Voyeurismus bei | |
Hundebesitzern schweige ich. | |
"Ich gehe jetzt ehrenamtlich ins Tierheim. Zweimal die Woche führe ich | |
einen der Hunde aus. Man muss sich ja sozial engagieren", erklärt Klaus | |
Viktors Anwesenheit und zupft an dessen Halsband. "Außerdem haben Tiere | |
eine positive Wirkung auf die Psyche und fördern Kommunikation." Er meidet | |
unseren Blick. "Fördern Kommunikation? Sitzt ihr etwa abends auf den Sofa | |
und unterhaltet euch über Hunde-Erziehungsshows?" Sylvia sieht angewidert | |
auf das röchelnde Etwas. "Nein", mault Klaus, "Kommunikation mit anderen." | |
Wie aufs Stichwort flanieren zwei langbeinige Grazien am Tisch vorbei und | |
brechen bei Viktors Anblick in entzücktes Gurren aus. "Ah, verstehe, das | |
meinst du also mit sozialem Engagement und Kommunikationsförderung", nicke | |
ich grinsend. "Mit dem Mops an die Möpse!", presst Sylvia zwischen zwei | |
Lachsalven hervor und bringt so Klaus Ehrenamt auf den Punkt. | |
"Hast du eigentlich schon mal davon gehört, dass es mit Hund und Herrchen | |
ähnlich sein soll wie mit Ehepaaren?", ergänzt sie glucksend. "Mit der Zeit | |
werden sie sich immer ähnlicher." Und nach einem Blick, der erst zu Klaus | |
und dann über Viktors Faltenmeer wandert, japst sie schließlich: "Ich | |
finde, du solltest ihn behalten." | |
21 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilke S. Prick | |
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