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# taz.de -- Berliner Universitätsmedizin: "Aus dem Labor in die Praxis"
> Charité-Chef Karl Max Einhäupl über Wissenschaft in Berlin, Konkurrenz
> aus Übersee und das Zusammenspiel von Industrie und Forschung in seinem
> Haus
Bild: Saniert sich langsam: die Charité, hier das baufällig Bettenhaus auf de…
taz: Herr Einhäupl, die Charité macht in Berlin seit Jahren vor allem mit
tropfenden OP-Sälen, maroder Infrastruktur und Streiks von Pflegekräften
Schlagzeilen. Sie sind gerade 65 geworden. Warum tun Sie sich das noch an?
Karl Max Einhäupl: Die Charité ist eine Marke, die sich international
etabliert hat. Bundesweit ringen wir nur mit München und Heidelberg um die
Spitzenplätze. Hier zu wirken ist eine spannende Aufgabe. Auch wenn wir
akzeptiert haben, dass es nur eine bestimmte Menge Geldes gibt in der
Stadt, kämpfen wir für den Erhalt der Charité. Immerhin schaffen wir 2.000
zusätzliche Arbeitsplätze mit den 150 Millionen Euro Drittmitteln, die wir
jährlich einwerben. Dadurch kommen Menschen nach Berlin, die zum Ruf der
Stadt als Wissenschaftsstandort beitragen.
Kriegen Sie die richtig guten Leute überhaupt noch?
Wir haben eine ganze Reihe hervorragender Wissenschaftler nach Berlin holen
können. Wir profitieren von der Exzellenzinitiative, den Graduiertenschulen
und haben die 16 Sonderforschungsbereiche. Aber der Wettbewerb wird härter.
Auch andere Länder haben erkannt, dass in der Wissenschaft die Zukunft der
Wirtschaft liegt.
Gleichzeitig haben Sie den Professoren abgerungen, auf 5 Prozent ihres
Gehalts zu verzichten.
Mit dem freiwilligen Verzicht "oben" wollten wir ein Signal setzen: Alle
beteiligen sich am Sparplan. Immerhin waren das Pflegepersonal und die
medizinisch-technischen Angestellten mehrere Jahre unter Marktniveau
bezahlt worden. Denen mussten wir mehr geben.
Wie hat sich die Bezahlung für den Wachschutz entwickelt, der mit seinen
niedrigen Löhnen Aufsehen erregte?
Heute gibt es keine Berufsgruppe in der Charité mehr, die weniger verdient
als am Markt üblich. Damals haben wir 7,50 Euro bezahlt, heute sind es
mindestens 8,50. Dabei kann ich mir heute noch nicht vorstellen, dass man
eine Familie in Berlin mit 7,50 Euro pro Stunde halbwegs auskömmlich
versorgen kann.
Ein Professor kann das von seinem Gehalt aber immer noch sehr gut, oder?
Wenn wir einem Professor so viel zahlen würden wie einem Wachschützer,
würden wir keinen einzigen Professor an die Charité kriegen. Das ist ein
anderer Markt. Wenn Sie nach den USA und nach England schauen, verdienen
die Professoren dort deutlich mehr als bei uns.
Hat der internationale Ruf durch die Schlagzeilen über den baulichen
Zustand und die Diskussion über die Charité als Ganzes gelitten?
Es ist bemerkt worden. Der Ruf wird dann beschädigt, wenn wir aufgrund
fehlender Investitionen nicht mehr in der Lage sind, Wissenschaft zu
betreiben. Im Übrigen sind wir ja auch ein Krankenhaus. Ich höre so oft,
die Behandlung war wunderbar, das Ambiente aber nicht zum Aushalten. Das
haben die Berlinerinnen und Berliner nicht verdient.
Wie haben Sie die Zielgerade zur schwarzen Null denn erreicht?
Wir haben weiter Personal abgebaut, im Wesentlichen über Fluktuation.
Betriebsbedingt konnten wir nicht kündigen, das wollen wir auch nicht. Es
sind jetzt knapp 200 Vollzeitkräfte weniger als vor einem Jahr. Außerdem
haben wir viele nicht benötigte Flächen abgestoßen. Wir konzentrieren uns
auf die vier Kern-Campi.
Und dort reicht der Platz?
Er wird knapp. Wir haben jetzt schon die Situation, dass Wissenschaftler
Zimmer außerhalb der Campi anmieten, um dort zu forschen.
Die mieten sich dann in der Luisenstraße ein Apartment?
So etwas gibt es, in der Tat. Das bezahlen die Wissenschaftler aus ihren
Drittmitteln.
Warum geben Sie nicht einen der vier Standorte Mitte, Wedding, Steglitz
oder Buch auf und fokussieren Ihre Investitionen auf die anderen?
Die Größe der Charité und die Vielfalt an Forschungsstellen sind eine der
entscheidenden internationalen Wettbewerbsvorteile.
Soll auch weiterhin an allen Standorten geforscht und geheilt werden?
Krankenversorgung, Lehre und Forschung müssen eine Einheit bilden. Wir
wollen innovative Forschung direkt ans Krankenbett bringen: aus dem Labor
in die Praxis und umgekehrt. Viele Themen entstehen aus der Behandlung am
Patienten.
Eines der Großprojekte in den nächsten Jahren wird die Sanierung des
Bettenhauses. Wie sehen die Pläne konkret aus?
Wir renovieren das Hochhaus komplett, inklusive einer neuen Fassade. Das
Hörsaalgebäude reißen wir ab, an dieser Stelle entstehen ein neuer
Operationstrakt und ein Intensivgebäude. Wenn das spätestens 2016
abgeschlossen sein wird, werden wir das Mitte dieses Jahres entstehende
Interimkrankenhaus wieder abreißen.
Wann ziehen die Patienten um?
Im nächsten Jahr werden sie in das erwähnte Container-Krankenhaus verlegt.
In diesem Jahr wird vorwiegend geplant, abschließend wird man mit dem neuen
Senat überlegen müssen, wie wir mit dem dann leer stehenden OP-Trakt
umgehen.
Gebaut wird derzeit auch für ein neues Labor, die erste
Gemeinschaftseinrichtung von Vivantes und Charité. Wie hat sich die
Zusammenarbeit dort überhaupt entwickelt?
Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, obwohl Wissenschaftler und
Personal erhebliche Bedenken hatten. Jetzt sehen beide, dass sich etwas
bewegt, dass sich Möglichkeiten auftun und die Arbeitsplätze sicher sind.
Wirtschaftlich hat es sich sehr gelohnt für die Charité. Wir haben 2,2
Millionen Euro dadurch gespart.
Was bringt das wissenschaftlich?
Durch das Labor haben wir 20 Millionen Proben - das ist ein wunderbarer
Erprobungsplatz für die Industrie.
Sind Zusammenarbeiten mit der Industrie nicht sehr kritisch zu sehen?
Auftragsforschungen für die Industrie gibt es an allen Unis. Wir aber
wollen ein ganzes Entwicklungsprogramm mit Unternehmen gemeinsam starten.
Die Verträge müssen natürlich klar formuliert sein. Es soll für beide
Seiten ein Gewinn sein: Wir wollen ja nicht nur Rezeptor sein, sondern auch
eines Tages vom Produkt profitieren. In den USA ist das gang und gäbe.
Hier muss man sich als wissenschaftliche Einrichtung öffentlich
rechtfertigen.
Das finde ich auch gut. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass die
Kapazitäten der Industrie und die der Universitätsklinika
reißverschlussartig zusammenpassen. Wir wollen Transparenz sichern und
ethische Maßstäbe einhalten. Es geht in der Tat darum, neue Wege zu
beschreiten.
21 Feb 2012
## AUTOREN
Kristina Pezzei
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