# taz.de -- Kastration von Sexualtätern: Europarat will Verstümmelungsstopp | |
> Deutschland ist neben Tschechien das letzte europäische Land, in dem die | |
> Kastration von Sexualtätern noch erlaubt ist. Das Anti-Folter-Komitee des | |
> Europarats fordert nun ein zügiges Ende. | |
Bild: Wirklich frei und gut informiert? Blick in eine Therapie-Abteilung für G… | |
STRASSBURG afp | Der Europarat hat die Kastration von Sexualstraftätern in | |
Deutschland kritisiert. Alle Bundesländer müssten "unverzüglich Schritte | |
ergreifen", um dieser Praxis ein Ende zu setzen, verlangte das | |
Anti-Folter-Komitee der Länderorganisation in einem am Mittwoch in | |
Straßburg veröffentlichten Bericht. Die Kastration durch einen operativen | |
Eingriff sei eine Verstümmelung, die nicht rückgängig zu machen sei und | |
erhebliche "physische und psychologische" Folgen haben könne. | |
Eine Delegation des Komitees hatte Ende 2010 zehn Tage lang mehrere | |
deutsche Bundesländer besucht. Über die Praxis der Orchiektomie - also der | |
Entfernung der Hoden - sprachen sie mit Betroffenen, aber auch mit | |
Vertretern der Berliner Ärztekammer. | |
Deutschland ist neben der Tschechischen Republik das letzte europäische | |
Land, in dem die chirurgische Kastration von Sexualtätern noch erlaubt ist. | |
Sie müssen aber vorher über die Folgen und möglichen Nebenwirkungen | |
informiert werden und dem Eingriff schriftlich zustimmen. Außerdem müssen | |
sie über 25 Jahre alt sein. | |
Trotz dieser Vorschriften sei nicht sichergestellt, ob die Betroffenen sich | |
immer "wirklich frei und gut informiert" für den Eingriff entscheiden, | |
gaben die Experten des Europarats zu bedenken. Manche gingen möglicherweise | |
davon aus, dies sei die einzige Möglichkeit, um einer lebenslangen | |
Verwahrung zu entgehen. Im übrigen werde diese Praxis von der | |
Internationalen Vereinigung für die Behandlung von Sexualstraftätern | |
(IATSO) nicht empfohlen - zumal es heute wirksame Hormonbehandlungen zur | |
Eindämmung des Sexualtriebs gebe. | |
## Bundesregierung: Kritik "nachvollziehbar" | |
Die Bundesrepublik verteidigte den Eingriff zur Eindämmung eines "abnormen | |
Geschlechtstriebs" mit dem Hinweis auf eine deutlich verringerte | |
Rückfallquote. In ihrer am gleichen Tag veröffentlichten Stellungnahme | |
verwies sie auf eine Untersuchung aus dem Jahre 1997, die 104 zwischen 1970 | |
und 1980 kastrierte Sexualstraftäter betraf. Dieser Studie zufolge wurden | |
von ihnen drei Prozent rückfällig. In einer Kontrollgruppe von 53 | |
Sexualtätern, die nicht chirurgisch kastriert wurden, wurde demnach fast | |
jeder zweite rückfällig. | |
Dennoch sei Kritik an der "medizin- und rechtshistorisch hoch belasteten | |
chirurgischen Kastration" nachzuvollziehen, räumte die Bundesregierung ein. | |
Daher werde dieser Eingriff in Deutschland heute nur noch "in wenigen | |
Einzelfällen" vorgenommen. Das Bundesjustizministerium stellte eine | |
"multidisziplinäre Debatte" über das Thema in Aussicht. Daran sollte der | |
Deutsche Ethikrat beteiligt werden. | |
22 Feb 2012 | |
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