Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Habseligkeiten: Gefährlicher als Brustimplantate
> Skifahren ist stillos, unsozial und suizidal. Aus eigener Erfahrung
> schöpfend, gibt unsere Autorin einen Einblick in den Irrsinn des
> Wintersports.
Wir könnten Eier kochen, heißen Kaffee in Thermoskannen schütten, Koffer
und Kuscheldecken herunterschleppen, dann wieder hoch laufen, um zu
kontrollieren, ob der Herd wirklich aus ist. Wir würden Plastiktüten in
Ritzen quetschen, darüber diskutieren, ob der Schlitten wirklich mitmuss,
könnten auf die Avus fahren, darauf warten, dass die Kinder einschlafen,
heimlich bei McDrive vorbeifahren und mit schlechtem Gewissen unsere
jährliche Dosis Junk Food essen. Wir würden die ganze Nacht lang fahren und
morgens im Sonnenschein ankommen. Im Skigebiet.
Wir müssten dann loslaufen, Skier mieten, eine Skischule finden, die
Kinderbetreuung inspizieren, Skipässe besorgen, die Zahnbürsten auspacken.
Schließlich stünden wir dann in Schuhen, die 100 Kilo wiegen, auf
Pulverschnee und würden krampfhaft überlegen, was man nun mit dem Bergski
und dem Talski anstellt. Uns wäre kalt und mulmig. Also lassen wir es. Wir
sind keine Skifahrer.
Im Gegenteil. Ich halte den Skisport für ein wirtschaftlich unattraktives,
zeitaufwändiges und zudem saugefährliches Freizeitangebot. Eins, für das
man viel Plunder braucht. Bretter, Stöcke und Schuhe kann man mieten, aber
was ist mit dem Rest? Den bunten Anoraks, den Brillen, den Schneehosen?
Man ist mit diesem ganzen Zeug auf einem Berg unterwegs. Und man klettert
ihn nicht hinauf, sondern muss sich dafür in eine Furcht einflößende
Konstruktion begeben, die sich Lift nennt, sich mitunter sogar neben Fremde
setzen. Zu zweit hängt man entweder in einem Anker oder in einem Körbchen
an einer dünnen Schnur, die einen weit über den Boden hebt.
Nicht auszudenken, was passiert, wenn einem dort das Smartphone entfällt,
weil man gerade ein Foto von sich in dieser Horrorsituation bei Facebook
hochladen wollte. Kommt der Lift oben an, wird man wie Vieh rausgetrieben,
denn der Mechanismus wartet nicht, bis man seine sieben Sachen arrangiert
hat, sondern dreht sich erbarmungslos weiter.
Einmal habe ich es mit dem Skifahren versucht, trat in Lech auf die Piste
und fiel als Erstes vornüber auf die Nase. Zum Glück war ich jung und
gelenkig. Denn ich stürzte links herum, rechts herum und immer wieder. Ich
maß die Piste mit meinem Po, und wenn ich fuhr, dann nur steil geradeaus,
weil das einfach war, aber leider auch richtig schnell.
Als vorsichtiger Mensch habe ich mich immer nach hinten gelehnt, aber wenn
man als Skifahrer das Tempo drosseln möchte, muss man sich kopfüber ins
tiefe Tal stürzen. Mir gelang das nicht. Nach drei Tagen des Leidens wusste
ich, dass Skifahren gefährlich ist. Tausende von Leuten kommen mit
Gebrechen aus dem Skiurlaub, fallen im Beruf aus und brauchen teure
Operationen. Dafür hat dann jeder großes Verständnis. Arme Frauen aber, die
ihren Busen haben aufpumpen lassen, sollen, als Akt der Buße sozusagen, die
Entfernung lebensgefährlicher Implantate selbst zahlen. Das ist doch
verrückt.
Wer weiß, vielleicht wäre Dieter Althaus ohne den Skisport längst
Bundespräsident. Angeblich sinkt die Zahl der verkauften Skier seit Jahren.
Ich finde das gut.
22 Feb 2012
## AUTOREN
Natalie Tenberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.