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# taz.de -- Whiteboard soll Schultafel ersetzen: Per Mausklick an die Tafel
> Die verhasste Kreidetafel wird bald abgeschafft. IT-Unternehmen sponsorn
> interaktive Weißwandtafeln für einen anschaulicheren Unterricht. Ein
> kluger Schachzug?
Bild: Fluch und Segen: Die neue Schultafel ist intelligent und heißt Whiteboar…
Mit dem Fortschritt an den Schulen ist das so eine Sache. In Sachsen-Anhalt
werden angehende Lehrer neuerdings mit intelligenten Whiteboards
ausgebildet. Damit die Lehramtsanwärter auch wirklich verstehen, worum es
da geht, werden ihre Lehrerausbilder künftig Hausarbeiten vergeben: "Was
ist eine orthodoxe Tafel? Und was ist eine neue Tafel?" So sollen die
Lehrer in spe zu Hause erst mal gründlich Schultafeln studieren, ehe sie
ins digitale Klassenzimmer dürfen.
Was der Magdeburger Lehrerausbilder Gunnar Möhring im Saal Leipzig der
Hannover-Messe zu berichten hat, erfüllt seine Kollegen mit Schmunzeln.
Drei hohe Schulbeamte aus Berlin, Hessen und Sachsen-Anhalt haben sich
eingefunden. Sie verraten auf der größten europäischen Bildungsmesse
didacta, was sie mit den interaktiven Weißwandtafeln anfangen, die ihnen
die Firma Smart geschenkt hat, genauer: für fünf Jahre ausleiht.
Smart technologies spendiert Berlin 30, Magdeburg 10 und Wiesbaden sogar 50
Boards, das sind jene multimedialen Nachfolger der grünen Kreidetafel, die
Schülern seit Jahrhunderten ein Gräuel sind. Ein kluger Schachzug von
Smart: Jeder Anwärter der drei Länder lernt umsonst am Whiteboard - beim
Unterricht in den Schulen ist's dann nicht mehr gratis.
## Fluch und Segen der neuen Technologie
Es ist Fluch und Segen der neuen Technologie: Sie birgt schier unendliche
neue Möglichkeiten, die den Unterricht anschaulicher und interaktiver
machen. Über ein Whiteboard lässt sich der intelligente Hefteintrag eines
Schülers (in Textbook, Tablet oder Smartphone) sofort für alle
Klassenkameraden sichtbar machen. Die kreidefreien Tafeln sind aber auch
komplizierte Geräte, deren Bedienung und Reichtum Lehrer erst studieren
müssen. Und sie sind teuer. Eine Tafel kostet bis zu 5.500 Euro.
Ist die befristete Schenkung von Smart also eine gut Tat? Oder eine perfide
Strategie des Anfütters: Es ist beides. Aber das Spiel bleibt zugleich
kompliziert. Denn zwischen den Lehrern und den Tafeln stehen die
Lehrerausbilder. Zunächst müssen sie lernen, wie Boards gehen - und das
fällt offenbar nicht leicht.
Die drei Ausbildungsleiter drehen und winden sich, als sie beschreiben
sollen, wie gut die Boards bei ihren Ausbildern ankommen. "Der Zuspruch zu
den Whiteboards ist bei den Referendaren durchaus unkomplizierter", murmelt
Möhring. Soll das heißen, dass die Ausbilder die neue Technologie nicht
mögen?
Nein, wiegeln alle drei Seminarleiter ab. "Der Großteil der Kollegen ist in
unserem Alter", sagt einer der Herren um die 60. "Das ist eine andere
Generation, die ist in der Handhabung von Technik zurückhaltender. Die sind
vielleicht gehemmter beim Ausprobieren." Auf Deutsch: Alle drei Länder
haben Probleme, ihre Lehrerausbilder mit den Maschinen vertraut zu machen.
Der hessische Ausbilder Manfred König sagt auch, warum. Eine Schulung "ist
keine Sache von zwei Stunden, sondern von drei Tagen". Sein Berliner
Kollege berichtet, dass er 500 Ausbilder in Berlin hat. "Erst müssen die
Fachseminarleiter mal die anderen 400 Ausbilder schulen. Der Druck auf den
Vorbereitungsdienst ist groß", sagt Joachim Dannert. Und Möhring sagt: "Es
geht darum, dass man die intelligenten Tafeln nicht nur wie einen besseren
Beamer benutzt."
Je länger die Ausbilder reden und je weniger sie dabei die einsam in der
Ecke herumstehende Supertafel benutzen, desto klarer wird: Mit dem
Lehrerseminar und dem Whiteboard treffen zwei Lernwelten aufeinander.
Hier die Welt Lehrerbildner, die im Stile des Alten Fritz Board für Board
einnehmen will - linear, von oben nach unten, auf Befehl und Gehorsam, und
das alles im Gleichschritt. Das sind die prototypischen
Verwaltungsprinzipien, wie sie Max Weber entwickelt hat und die noch heute
gelten. Dort die Welt der Boards. Sie funktioniert nicht linear, sondern
komplex.
Ein Tafelbild wird nicht mehr wie in der Kreidezeit von oben nach unten
erstellt. Es kommt von den Seiten, aus der Tiefe der Tafel, von den
Schülern per Mausklick. Das Bild ist multidimensional: mal eine
Handzeichnung des Lehrers, mal eine E-Mail aus Kanada, hier das
exemplarische Surfen vor aller Augen, dort haben die Schüler plötzlich
einen Nobelpreisträger vor sich: per Videoeinspielung.
## Smarte Boards für smarte Referendare
Es wäre ein Einfaches, die intelligenten Tafeln für eine ganz neue
Lehrerbildung zu nutzen. Anstatt Fritzens Seminargeneralen das Kommando zu
überlassen, könnte eine Kompetenzverschiebung stattfinden: Die Ausbildung
an den Boards wird rund um die Referendare organisiert, die als digital
native ihren Ausbildern in der Methodik oft weit voraus sind: vernetztes
Denken statt starrer hierarchischer Organisation, Lernen wie im Barcamp, in
schnell wechselnden Gruppen, ohne formale Vorgesetzte. "Wir müssen auf die
vorhandene Infrastruktur zugreifen", wehrt da einer der Oberausbilder im
Saal Leipzig zurück, wieso man nicht einfach die smarten Referendare die
smarten Boards erobern lässt.
Die Lehrerausbilder sehen sich als die intelligentesten ihrer Zunft. "Es
kommt zu einer Intensivierung der pädagogischen Diskussionen", berichtet
der Hesse König, der schon seit einem Jahr "positive Erfahrungen macht".
Das Verhältnis zwischen Ausbildern und Anwärtern verändere sich, das weiß
auch er. Und didaktische Fragen würden viel genauer erörtert. "Zum
Beispiel: der Unterrichtsanfang. Wie fange ich eine Stunde an? Mit dem
Whiteboard haben sie viel mehr Möglichkeiten!"
Jetzt sind die Lehrerbildner am Ende ihrer pädagogischen Sackgasse
angelangt. Denn der Einstieg in den Unterricht mit anschließender
Erarbeitung und Sicherung gehört in Lehrerköpfen zu den festen Phasen des
Lernens, eines Lernens, das auf den 45-Minuten-Takt ausgerichtet ist. Das
freilich ist eine Unterrichtschoreografie, mit der die Tiefenschärfe der
interaktiven Whiteboards nicht auszureizen ist. "Mit dem Herzen möchte ich
auch eine Lernrevolution", sagt Manfred König und knetet seine Hände. "Aber
es wird immer einen Unterrichtsanfang geben, und ich will nicht, dass das
Board die ganzen 45 Minuten an ist."
22 Feb 2012
## AUTOREN
Christian Füller
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