# taz.de -- Reihe "Worst Case Szenarios": Ganz schlechter Sex | |
> Das Schauspielerduo Storm und Störmer sammelt Mieses aus Literatur und | |
> Kino. Den Auftakt ihrer Reihe im Theaterdiscounter machte ein Abend über | |
> peinliche Sexszenen. | |
Bild: Kannste knicken: schlechte Sexszenen in Film und Buch. | |
"Ich lande mein ganzes Ich in deinem Schoß." - Wer Kunst macht, begibt sich | |
oft auf dünnes Eis, wer über Sex schreibt, sowieso. Denjenigen, die dabei | |
eingebrochen oder gar jämmerlich ertrunken sind, widmet sich nun eine | |
Veranstaltungsreihe im "Theaterdiscounter" an der Klosterstraße. "Worst | |
Case Szenarios / Schlechte Kunstwerke" heißt die dreiteilige Serie, die am | |
Mittwoch mit dem Thema "Schlechter Sex" begonnen hat. Der Titel führt in | |
die Irre, denn um schlechten Sex geht es gar nicht, sondern um die | |
schlechte künstlerische Darstellung von Sex. | |
Die Kulisse ist denkbar einfach: ein braunes Ledersofa, zwei Stehlampen, | |
ein Tischchen mit Zeug drauf, hinten eine Leinwand. Andreas Storm und | |
Cathrin Störmer halten hier ihre "Vorlesungen mit Fallbeispielen". Die | |
beiden sind Schauspieler und Schauspielerin, heißen tatsächlich so und | |
arbeiten normalerweise in der Schweiz. Seit drei Jahren suchen sie in | |
Büchern und Filmen nach Beispielen für misslungene Kunst. Ihre Fundstücke | |
präsentieren sie nach Themen sortiert. In Zürich gab es schon 13 Folgen der | |
"Worst Case Szenarios", darunter solche zu schlechten Autobiografien, | |
Musikfilmen oder Ratgebern. | |
Storm und Störmer geben sich gar nicht erst die Mühe, ihr Material | |
ausführlich zu kommentieren oder zu systematisieren. Sie lassen es in | |
seiner Schlechtheit einfach für sich sprechen, indem sie die Filmszenen vom | |
Laptop vorspielen oder Textauszüge vorlesen. | |
## Bizarre Pornodialoge | |
Davon, dass es womöglich Ansichtssache ist, ob Kunst gut oder schlecht ist, | |
lassen sich die beiden nicht beirren. Sie räumen ein, dass es sich um eine | |
"radikal subjektive Auswahl" handelt. Es sind Szenen, die erregen oder | |
zumindest unterhalten sollen, tatsächlich aber schockierend, eklig, albern | |
oder einfach nur befremdlich wirken. Bizarre Pornodialoge, die auch noch | |
schlecht gespielt sind, scheußliche Sexszenen, wie Kriegsgefechte | |
beschrieben - das alles hauen uns Storm und Störmer nur so um die Ohren. | |
Klaus Kinski und Charlotte Roche, Friedrich Schlegel und E.T.A. Hoffmann, | |
sie alle tauchen kurz auf und verschwinden ebenso schnell wieder, machen | |
Platz für die nächsten "Sparschweinschlitze" und "tückischen Gerten", für | |
eine Frau, der ein Maschinengewehr aus dem Hintern wächst, und eine andere, | |
die kunstvoll an einem Maiskolben leckt. | |
Der Beststellerautor Paulo Coelho ist der heimliche Star des Abends, sein | |
Roman "Brida" erweist sich als Schatztruhe voller Gruseligkeiten. Cathrin | |
Störmer erklärt, Coelho sei auch in den anderen "Worst Case"-Folgen | |
Stammgast: Allzu kitschig gerät seine Sinnsuche, allzu aufdringlich seine | |
selbst diagnostizierte Erleuchtung. Und so ist auch Sex bei ihm stets eine | |
göttliche, kosmische Verschmelzung. "Mindestens", ergänzt Andreas Storm. | |
Blöd für all jene, bei denen das nicht so ist. | |
Storm und Störmer befassen sich mit Werken für Hetero- und Homosexuelle: | |
flauschige Titel wie "Das Kuschelsutra", bekloppte wie "Gayracula" und | |
technikverliebte wie "Aktion Eisprung". Die Show hat bisweilen einen | |
literaturtheoretischen Einschlag, wenn erklärt wird, wie Kritiker streiten, | |
ob der Roman "Teleny" von Oscar Wilde stammt oder ihm nur zugeschrieben | |
wird. Ist letztlich auch egal: "Schwuler Apokalyptikbarock trifft | |
Biologieunterricht", fasst Andreas Storm die Stimmung des Werks treffend | |
zusammen ("Die Samenleiter waren so voll, dass wir fühlten, wie sie | |
überflossen"). | |
Schwierig wird es, wenn die Szenen nicht einfach nur lustig sind, sondern | |
faktisch Missbrauch darstellen oder rassistische und sexistische Klischees | |
bedienen. Dabei gelingt es Storm und Störmer noch ganz gut, die | |
Klischeefrage zu reflektieren, indem sie darauf hinweisen, wie | |
frauenverachtend die Idee von "dauergeilen" Frauen ist, die auch noch im | |
Moment der Vergewaltigung verzückt stöhnen, oder wie rassistisch es ist, | |
wenn die "exotischen Wilden" im Regenwald die weiße Reisende entführen. Die | |
Missbrauchsfrage geht jedoch teilweise auf unangenehme Art im Pointenrausch | |
unter. Werke mit SM-Szenen in Klöstern sind eben nicht einfach nur eine | |
Vorwegnahme der aktuellen Missbrauchsdebatte, wie Störmer scherzhaft | |
bemerkt. Irgendeine Form von Sensibilität für das, was man da gerade | |
verbreitet, sollte man trotz allen Humors doch noch haben. | |
Dennoch gerät der Abend unterm Strich zu einer schönen Mischung aus | |
absurden, ekelhaften oder schlichtweg lustigen Szenen aus Filmen, Romanen, | |
Erotikratgebern. Und was beim Thema Sex so gut funktioniert, dürfte mit | |
schlechten Büchern und Filmen ähnlich amüsant verlaufen. So etwas wie eine | |
Gesamtbotschaft wollen Storm und Störmer gar nicht aus dem Ganzen ableiten. | |
Höchstens diese: Über Geschmack kann man nicht streiten - aber sehr gut | |
lachen. | |
23 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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