| # taz.de -- Rechtsextreme Gewalt: "Keine guten Nachrichten" | |
| > 2011 haben die Übergriffe von Nazis auf Menschen deutlich zugenommen. | |
| > Auch im Westen der Stadt ist man nicht sicherer, so die Opferberatung | |
| > ReachOut. | |
| Bild: Berlin ist (noch) nicht Zwickau, rechte Gewalt gibt es bereits | |
| Am 8. März 2011 wird ein 26-Jähriger am S-Bahnhof Lichtenberg von zwei | |
| Männern angriffen und mit einer zerschlagenen Bierflasche verletzt; der | |
| Mann ist polnischer Herkunft. Am 15. Juli 2011 wird in Schöneberg ein Mann | |
| beschimpft und gegen den Kopf gestoßen; er hat einen Unbekannten | |
| aufgefordert, keine NPD-Wahlwerbung in die Briefkästen zu stecken. Am 18. | |
| Dezember 2011 findet in Friedrichshain ein lesbisches Paar eine | |
| Drohnachricht auf der Fußmatte; darin wird Homosexuellen mit dem | |
| Verbrennungstod im KZ Oranienburg gedroht. | |
| Drei von 158 Fällen, in denen im vergangenen Jahr in Berlin Menschen aus | |
| rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer oder homophober Motivation | |
| heraus angegriffen wurden. Sie sind in der jährlichen Chronik der Berliner | |
| Opferberatung ReachOut dokumentiert, die am Mittwoch vorgestellt wurde. 230 | |
| Personen waren demnach von den Angriffen betroffen. | |
| „Wir haben keine guten Nachrichten zu vermelden“, sagte Sabine Seyb von | |
| ReachOut: Seit 2006 hat es nicht mehr so viele Fälle gegeben, 2010 waren es | |
| noch 109. Auffällig in diesem Jahr: Die Fälle verteilen sich fast genau zur | |
| Hälfte auf die östlichen und westlichen Bezirke. Bislang waren aus dem | |
| Osten der Stadt stets mehr Angriffe gemeldet worden. Die meisten Angriffe | |
| geschahen laut Chronik in Kreuzberg (17), Lichtenberg (16), Friedrichshain | |
| (16), Neukölln (15) und Wedding (13). Sie wurden vor allem auf öffentlichen | |
| Straßen, Plätzen und Parks verübt, aber auch in öffentlichen | |
| Verkehrsmitteln und auf Bahnhöfen. Für besonders bedrohlich halten es die | |
| Opferberater, dass etwas mehr als ein Dutzend Mal Menschen zu Hause | |
| angegriffen wurden. | |
| Als Angriffe werden in der Statistik Körperverletzung, versuchte | |
| Körperverletzung und „massive Bedrohung“ erfasst. „Die psychischen Folgen | |
| für die Opfer können bei einer Bedrohung genauso schwerwiegend sein wie bei | |
| einer Körperverletzung“, sagt Seyb. Die Zahlen, die ReachOut | |
| veröffentlicht, liegen regelmäßig deutlich über denen der Polizeistatistik. | |
| Denn die Opferberatung erfasst auch Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht | |
| werden oder nicht als politisch motivierte Straftaten anerkannt werden. Die | |
| Polizei hat für 2011 noch keine Zahlen veröffentlicht. Für 2010 listet sie | |
| unter „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ lediglich 29 | |
| Gewaltdelikte auf. | |
| ReachOut und andere Anti-rechts-Initiativen vermuten, dass etliche Angriffe | |
| in Zusammenhang mit einer „Feindesliste“ stehen, die auf der Website der | |
| Neonazigruppierung Nationaler Widerstand zu finden ist. Auf dieser Liste | |
| werden gegen Rechtsextremismus engagierte Bürger samt Adresse aufgeführt. | |
| Neben ReachOut stellten verschiedene antifaschistische Initiativen eigene | |
| Statistiken zu rassistischen Angriffen vor. Ihnen zufolge sind vor allem in | |
| Lichtenberg und Treptow-Köpenick mehr Vorfälle zu verzeichnen; auffallend | |
| viele geschahen rund um den S-Bahnhof Schöneweide. Gleich nebenan sind dort | |
| Treffpunkte der rechtsextremen Szene (siehe Text rechts). | |
| Die Opferberater und Initiativen kritisieren, dass Opfer oft nicht ernst | |
| genommen werden, wenn sie rassistische Übergriffe bei der Polizei melden – | |
| oft werde ihnen gar eine Mitschuld an dem Angriff unterstellt. Clara | |
| Herrmann, Grünen-Sprecherin für Strategien gegen den Rechtsextremismus, | |
| kritisiert vor dem Hintergrund der neuen Zahlen Innensenator Frank Henkel | |
| (CDU). Es sei nicht nachvollziehbar, dass Henkel „im Haushaltsentwurf die | |
| Mittel für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und | |
| Antisemitismus bei der Landeskommission gegen Gewalt um über 250.000 Euro | |
| gekürzt hat“. | |
| 29 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
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