# taz.de -- Die Wahrheit: Am Weltstar vorbei | |
> Die beiden jungen Frauen in einem Coffeeshop nahe der Oranienburger | |
> Straße in Berlin-Mitte haben ein ungewöhnliches Hobby: Sie verpassen | |
> Stars. | |
Bild: NIcht verpasst: Benedict Cumberbatch | |
Berlinale war gut“, sagt Pamela und rührt gedankenverloren in ihrem Kaffee. | |
„Robert Pattinson und dieser Khan aus Indien. Und natürlich Angelina Jolie | |
und Meryl Streep.“ – „Berlinale ist immer gut“, ergänzt ihre Freundin | |
Agnes, zieht an ihrer Zigarette und streicht sich eine Strähne aus der | |
Stirn. „Große Namen, viel Publikum, miserable Verkehrsverhältnisse. Da | |
kommt man quasi von allein zu spät.“ | |
Die beiden jungen Frauen, die wir in einem Coffeeshop nahe der | |
Oranienburger Straße in Berlin-Mitte treffen, haben ein ungewöhnliches | |
Hobby. Sie verpassen Stars. Seit fünf Jahren schon sind sie unterwegs auf | |
den Tummelplätzen der Schönen und Reichen, in Berlin, Cannes und Venedig, | |
bei den Festspielen in Salzburg und Bayreuth. Wo sich die ganz großen Namen | |
ein Stelldichein geben, sind Agnes und Pamela nicht weit. Aber eben auch | |
nie ganz nah dran. Begonnen hat das alles in Wien im Jahr 2006. Die beiden | |
waren in der Langen Nacht der Museen unterwegs und wollten zu einer Lesung | |
mit Tex Rubinowitz. | |
„Wir hatten sogar ein Buch von ihm dabei, um es signieren lassen“, sagt | |
Agnes. Aber dann war ein anderer Autor bei der Lesung ausgefallen. | |
Rubinowitz las früher als geplant, und als sich die beiden in das Foyer des | |
Leopoldmuseums hineingedrängelt hatten, sahen sie ihn gerade von der Bühne | |
verschwinden. „Und dann ist uns Wolfgang Schüssel begegnet.“ Pamela | |
schüttelt den Kopf. „Er kreuzte unseren Weg und sagte ,Guten Abend, die | |
Damen.‘“ | |
Als sie am nächsten Tag von der Begegnung mit dem österreichischen | |
Bundeskanzler in der WG erzählten, reagierten die Mitbewohner bedrückt. | |
„Alle hatten den Kopf gesenkt, keiner sagte etwas. So richtig begeistert | |
waren wir ja auch nicht über diesen Vorfall.“ Pamela rollt die Augen. „Ich | |
meine, Wolfgang Schüssel treffen ist ein bisschen wie von Thomas Gottschalk | |
begrapscht werden. Man kann davon erzählen, aber man möchte es kein zweites | |
Mal erleben.“ | |
„Das mit Herrn Rubinowitz war anders“, fügt Agnes hinzu. „Da schlug uns | |
eine Welle des Mitgefühls entgegen. Sag bloß. Der Rubinowitz. Verpasst. Und | |
nicht mal das Buch signiert. Schade, schade.“ | |
Danach beschlossen die beiden Frauen, es anders zu machen als der Rest. | |
Prominente treffen kann heutzutage schließlich jeder. Überall gibt es | |
Horden von Stars, in der U-Bahn, beim Bäcker, beim Frisör. | |
„Ich frage ganz offen: Was hat man von einem Autogramm?“ Agnes runzelt die | |
Stirn. „Autogrammkarten liegen zu Hause herum und vergilben. Digitale Fotos | |
sind meistens schlecht belichtet, und die Leute glauben einem gar nicht, | |
dass der auf dem Bild ein Promi sein soll. Aber dieser eine Moment, in dem | |
alles möglich gewesen wäre – Herr Rubinowitz, Pamela und ich. Der bleibt | |
mir für den Rest meines Lebens. Ein Leben, in dem alles hätte passieren | |
können.“ | |
Die beiden Groupies der Entsagung, wie sie sich nennen, haben strenge | |
Regeln aufgestellt. Sie können niemand verpassen, der gar nicht da oder tot | |
ist. Heath Ledger oder Woody Allen, der bisher nicht in Berlin war. | |
„Wir können auch nicht drei Stunden nach einer Premiere hin. Wir müssen da | |
sein, wenn der Star da ist. Aber der Star darf nicht dort sein, wo wir | |
sind.“ Agnes drückt ihre Zigarette aus. „Auf der Berlinale jetzt war Diane | |
Kruger unser absolutes Highlight. Wir sind nämlich mit dem Taxi | |
weggefahren, mit dem sie gekommen ist. Alles war noch da. Ihr Parfüm, das | |
Lächeln auf dem Gesicht des Taxifahrers, der Kaugummi, den sie an die | |
Armlehne geklebt hat.“ – „Nur sie nicht. Diane Kruger war nicht da!“, r… | |
Pamela, und ihre Wangen leuchten. „Am Roten Teppich verschwand sie gerade | |
in der Tür, die Schleppe ihres Kleides war noch zu sehen. Wir auf dem | |
Absatz kehrt gemacht, mehr brauchen wir nicht sehen und ab zum Taxistand. | |
Dann im Taxi, das war richtig groß.“ | |
Manchmal gibt es auch Abende, die völlig danebengehen. Vor drei Wochen | |
gingen die beiden zur Vorpremiere des Films „Dame, König, As, Spion“. „U… | |
plötzlich …“, Agnes schluckt, „ … stand dieser Cumberbatch vor uns. | |
Benedict Cumberbatch. Und zack, hat er einen Schnellhefter von mir | |
signiert. Einfach so. Geradezu aufgelauert hat er uns.“ | |
„Und dann hat er uns eingeladen. Eingeladen! Können Sie sich das | |
vorstellen?“ Rasend schnell rührt Pamela den Kaffee um. „Der musste nach | |
der Vorstellung gleich wieder zurück nach London und hat gesagt, er nimmt | |
uns im Privatjet mit. Und wir können zusammen essen und am nächsten Tag mit | |
ihm aufs Set gehen. Was sollen wir denn bitteschön in London?“ | |
„Na ja, wir hätten die Queen verpassen können“, wirft Agnes ein. „Gut, … | |
Queen, das stimmt.“ Pamela trinkt ihren Kaffee aus. „Wir sind lieber | |
hiergeblieben. Bestimmt ist Benedict Cumberbatch privat ganz anders, aber | |
wer will das schon wissen.“ | |
3 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Rob Alef | |
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