# taz.de -- Über Ball und die Welt: Ohne Kameras, Latrinen und Tore | |
> In der Guantanamo Bay Naval Base, dem Militärgefängnis der USA auf Kuba, | |
> wird ein Fußballplatz gebaut. Konservative Haushalts-politiker murren | |
> über Hafterleichterung. | |
Bild: 120 der 171 Guantanamo-Inhaftierten dürfen bald auf einem neuen Fussball… | |
Einen Fußballplatz baut die Burns & Roe Corp. aus New Jersey für 740.000 | |
Dollar auf Kuba, und im April wird er eingeweiht. Toll. Leider ist an dem | |
Satz ein bisschen was falsch, und die Assoziation von Palmen und | |
Sandstrand, die die Formulierung „auf Kuba“ auslöst, erweist sich als | |
missverständlich: Der Platz liegt in der Guantanamo Bay Naval Base, dem | |
berüchtigten Militärgefängnis der US-Army. | |
Aber immerhin die Summe, umgerechnet über eine halbe Million Euro, ist | |
richtig und bringt bodenständige US-Haushaltspolitiker auf die kubanische | |
Palme: Gus Bilirakis, republikanischer Kongressabgeordneter aus Florida, | |
findet diese Menge Geld unanständig, schließlich stellten die Häftlinge | |
eine große Gefahr für Amerika dar. | |
Admiral David Woods hingegen erklärt die hohen Kosten damit, dass man ja | |
wegen des US-Embargos gegen Kuba alles einfliegen lassen müsse: „Wir haben | |
ja nicht die Möglichkeit, uns auf die lokale Wirtschaft zu stützen.“ | |
Der Fußballplatz, der für 120 der derzeit 171 in Guantánamo einsitzenden | |
Häftlinge gebaut wird, muss auch nicht mit Überwachungszäunen und -kameras, | |
mit Latrinen und Fußballtoren ausgestattet werden. Wo er gebaut wird, im | |
„Camp 6“, gibt es schon zwei andere Anlagen, in denen kooperationswillige | |
Häftlinge ihre, sagen wir: Freizeit sinnvoller verbringen können. Man | |
spricht, behauptet der mehr als nur konservative Fernsehsender Fox, von | |
einem „super recreation center“. | |
Häme von rechts ist immer unappetitlich. Aber es stellt sich die Frage: | |
Warum Fußball? Zwar hat ein großer Teil der Gefangenen auch die | |
Möglichkeit, Basketball zu spielen, aber Baseball beispielsweise, das wohl | |
amerikanischste aller Spiele, wird nicht angeboten. Dabei hat sich Baseball | |
in Ländern wie Nicaragua, der Dominikanischen Republik, Kuba, aber auch in | |
Japan verbreiten können – überall da, wo die USA mehr als nur politischen | |
Einfluss erringen konnten. Baseball steht in gewisser Weise für den | |
„american spirit“. | |
## Volkssport im Gefängnis | |
Fußball hingegen konnte in den USA als großer Volkssport nie landen: der | |
Platz dafür war von Baseball und American Football besetzt. Dennoch setzt | |
die US-Army jetzt auf Fußball. Lässt man sich auf die Logik solcher | |
Militärs (oder gar solcher Leute von Fox) ein, ist das irritierend: Fußball | |
war schließlich die Lieblingssportart von Osama Bin Laden – einem | |
bekennenden Fan von Arsenal London. Selbst davon abgesehen, gilt Fußball | |
weiten Teilen der US-Rechten als europäisch, kollektivistisch und also | |
sozialistisch. | |
Zu vermuten ist, dass die US-Army ein doppeltes Kalkül verfolgt. Zum einen | |
dürfte der teure Fußballplatz auf Guantánamo, ähnlich wie die neuerdings | |
gegebenen Möglichkeiten, Nachrichten zu empfangen, Bücher zu lesen und | |
Fernsehen zu schauen, tatsächlich zur Hafterleichterung beitragen. | |
Zum anderen aber macht die Auswahl des Sportangebots deutlich, dass es | |
dabei nicht um eine Sozialisierung oder Resozialisierung in die | |
amerikanische Gesellschaft geht: Nach ihrer Zeit in Guantánamo sollen die | |
Häftlinge irgendwohin gehen oder gegangen werden – möglichst in eines der | |
fast 200 Länder, in denen Fußball Volkssport ist. | |
## Erfolgsbilanz einer Präsidentschaft | |
US-Präsident Barack Obama hatte seine Wahl 2008 unter anderem mit dem | |
Versprechen gewonnen, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Dass er | |
seinen aktuellen Wahlkampf nun mit dem Hinweis auf Hafterleichterung durch | |
einen Fußballplatz führt, sagt einiges über die Erfolgsbilanz seiner | |
Präsidentschaft aus. | |
Für die Qualität des Fußballs auf Guantánamo jedenfalls ist es schade, dass | |
Nizar Trabelsi in Belgien einsitzt und nicht im „Camp 6“. Der Tunesier | |
wurde nämlich wegen Beteiligung an einem Al-Qaida-Attentat zu zehn Jahren | |
Haft verurteilt; vorher war er Profifußballer bei Fortuna Düsseldorf und | |
dem Wuppertaler SV. Und wenn die Sepp-Herberger-Stiftung, die sich ja für | |
Fußball im Strafvollzug einsetzt, noch Bälle vorbeibringt – das würde ein | |
Fußballfest auf Guantánamo. | |
7 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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