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# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Das Medium der Alten
> Der MDR opfert langjährige Mitarbeiter. Verjüngung setzt jetzt auch schon
> in der Sachsenanstalt ein. Armes Deutschland.
Der Übergang ist jetzt vielleicht ein bisschen abrupt, aber kommen wir zu
einem ernsten Thema: Verjüngungswahn. Ausgerechnet der solcher Auswüchse
bislang eher unverdächtige MDR hat diese Woche gleich zwei verdiente
langjährige Mitarbeiter auf dem Altar des Alters geopfert: die „Polizeiruf
110“-Darsteller Wolfgang Winkler (69) und Jaecki Schwarz (66).
Mit dieser auch im Westen mit Bestürzung aufgenommenen Nachricht tastet
sich die wackere Dreiländeranstalt allmählich in Richtung 21. Jahrhundert
vor – zum Missfallen von Schwarz: „Wir hätten gern noch ein, zwei Jahre
weitergemacht.“ Und jetzt ist plötzlich Schluss, aus heiterem Himmel,
einfach ausgeschaltet, ohne Warnschuss. Die feine sächsische Art ist das
wahrlich nicht! Da ist „Verjüngungswahn“ (Schwarz) noch der freundlichste
denkbare Kommentar. Die neue MDR-Intendantin Karola Wille profiliert sich
mit dieser Personalie als knallharte Saniererin, als eiserne Lady von
Leipzig.
Ihrem geschichtsvergessenen Reformkurs mussten vor Winkler und Schwarz
bereits zwei weitere hochverdiente Kräfte weichen: Petra Kusch-Lück („Alles
Gute“) und Hans-Joachim Wolfram („Außenseiter, Spitzenreiter“), sie
Jahrgang 1948, er 1934 – kein Zweifel: Auch das ist Altersdiskriminierung
par excellence.
Wenn das Leipziger Beispiel Schule macht, droht dem deutschen Fernsehen
eine Überjüngung – eine fatale Entfremdung der immer jüngeren Macher von
ihrem immer älteren Publikum. Wo soll das enden? Wenn eine
„logo“-Moderatorin das „heute-journal“ von Claus Kleber übernimmt?
Fernsehen ist das Medium der Alten – und muss es auch bleiben. Wer
Experimente sucht – bitte, meinetwegen, muss jeder selbst wissen –, kann ja
mal in diesem Internet nachgucken. Im Fernsehen wird gemacht, was schon
immer funktioniert hat – was bitte soll daran falsch sein? VW stellt ja
auch nicht über Nacht auf Lenkdrachen um, nur weil die jetzt in Mode sind.
Der MDR-„Polizeiruf 110“ aus Halle hat nie mehr versprochen, als er halten
konnte: Effekthascherei war ihm fremd. Man sah einfach zwei gestandenen
Polizisten bei der Arbeit zu, die ja längst nicht immer so spektakulär ist,
wie andere Fernsehkrimis suggerieren. In einer sich stetig beschleunigenden
Welt voller Lautsprecher und Egobomber bildeten die selbstironischen
Ermittler Schmücke und Schneider einen Gegen- und Ruhepol.
Schwarz: „Wir haben immer mit einem Schmunzeln gespielt.“ Dafür haben ihre
treuen Zuschauer sie geliebt, dass sie ihnen am Sonntagabend für jeweils 90
Minuten ein Lächeln auf die Lippen gezaubert haben.
Neulich habe ich mir die Wiederholung eines MDR-„Polizeirufs“ angeguckt. In
„Blutiges Geld“ passierte nicht viel: Ein Baumarkt wurde überfallen – und
Herbert Schmücke (Schwarz) von einem kleinen Mädchen gefragt: „Bist du
immer so?“ Seine Antwort, schnörkellos und geradeheraus wie der ganze Film:
Ja.
Dass für ein klares Bekenntnis zur alten Schule beim MDR plötzlich kein
Platz mehr sein soll, ist ein Skandal. Armes Deutschland!
8 Mar 2012
## AUTOREN
David Denk
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