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# taz.de -- Spürhunde mit Supernasen: Schlangeneier und Mahagoniplanken
> Hunde spüren nicht nur Verbrecher und Drogen auf. Die auf Flughäfen
> eingesetzten Artenschutzhunde finden auch Kaviar oder
> Elfenbeinschnitzereien.
Bild: Zoll-Hund Cara beim Einsatz auf dem Frankfurter Flughafen.
BERLIN taz | 2012 scheint das Jahr des Hundes zu sein, nämlich des
Spürhundes. Das Geschäft der Züchter boomt. Auch die
Naturschutzorganisation WWF ist auf den Hund gekommen: den
Artenschutz-Spürhund.
„Die Erfahrungen an deutschen Flughäfen stimmen Artenschützer wie
Zollbeamte gleichermaßen optimistisch“, heißt es in einer WWF-Erklärung von
Anfang den Jahres. Der Handel mit verbotenen Tier- und Pflanzenarten bildet
nach dem Waffen- und Drogenschmuggel das einträglichste illegale Geschäft.
Artenschutz-Spürhunde finden bedrohte Tiere oder deren Bestandteile auch
dort, wo Röntgenstrahlen sie nicht ausmachen: junge Sittiche in
Lockenwickler gequetscht, durchsichtige Schlangeneier in einem
Kugelschreiber. Die Hündin Jarra und der Welpe Willow haben für den
deutschen Zoll bereits gelernt, unter andere Hölzer gepackte
Mahagoniplanken aufzuspüren.
Seit Langem wissen Zollbeamte, dass vor einem Spürhund auch in Flaschen
gefüllte Drogen nicht sicher sind. Aber niemand weiß so recht: Wie machen
die das, diese Hunde?
„In dieser Hinsicht verfügen Hunde über eine fast magische Fähigkeit. Aber
irgendwo muss der Duftstoff schon noch am Behältnis dran sein“, sagt
Stephan Frings, Professor für Molekulare Physiologie an der Universität
Heidelberg. Er fährt fort: „Der Geruchssinn des Hundes reagiert schon, wenn
zum Beispiel beim Zuschrauben einer Flasche ein paar Moleküle des Inhalts
außen haften geblieben sind. So sauber bekommt das kaum ein Mensch hin,
dass ein Hund da gar nichts mehr riechen könnte. Das ist praktisch
unmöglich. Da dürfte man kein einziges Molekül draußen lassen.“
Frings Arbeitsgruppe im Institut für Zoologie untersucht die
Signalverarbeitung in Sinneszellen des Riech- und Schmerzsystems. Um das
„Wie“ des Riechens zu untersuchen, muss sie sich auch mit dem „Was“
beschäftigen. Ein Hund, der einen Menschen verfolgt, orientiere sich an
dessen Fußspur, so glaubte man früher.
Aber wie wir heute wissen, umgibt jedes Lebewesen eine Gaswolke aus den
bakteriellen Zersetzungsprodukten seiner abgestorbenen Körperzellen. Deren
Zusammensetzung ist auch beim Menschen so individuell wie ein Fingerabdruck
und wird vom Hund wahrgenommen.
## Zersetzungsprozesse
Daraus erklärt sich auch, warum Hunde eine Spur, wenn sie ganz frisch ist,
weniger gut aufnehmen können als nach einigen Stunden, nach
fortgeschrittenem Zersetzungsprozess.
„Was eingeatmet werden kann, kann auch gerochen werden“, sagt Stephan
Frings: „Um riechen zu können, müssen Duftmoleküle mit dem Atem in die Nase
kommen.“
Der Geruchssinn funktioniert übrigens bei Hund und Mensch sehr ähnlich.
Innerhalb der Nase realisiert ihn das Riechepithel (ein Teil der
Schleimhaut). Beim Hund ist es im Durchschnitt hundertmal größer als beim
Menschen. Hunde mit längeren Nasen wie Schweißhunde und Golden Retriever
sind übrigens damit gegenüber den kurznasigen Möpsen im Vorteil.
Doch bei dieser banalen Überlegenheit des Hundes durch mehr Fläche
gegenüber uns Menschen bleibt es nicht, sie wird auf immer neuen Ebenen auf
raffinierte Weise multipliziert. Manche Experten meinen, dass Hunde eine
Million Mal besser riechen können.
## Dem Menschen weitaus überlegen
Das Riechepithel beherbergt die Riechzellen genannte Nervenzellen
(Neuronen). Es ist der einzige Ort im Organismus, an dem solche direkt an
die Oberfläche treten. Aus diesen Neuronen ragen wie kleine Härchen Bündel
sogenannter Cilien. Ein Mensch hat etwa 5 Millionen Riechzellen, ein
Schäferhund 220 Millionen.
Die Hunderiechzelle wiederum verfügt über zwanzigmal mehr Cilien als eine
menschliche. Jedes dieser Härchen trägt einen chemosensorischen Rezeptor
für je ein bestimmtes Spektrum von Duftstoffen. Mittels chemischer
Reaktionen werden hier bei einzelnen Duftstoffen elektrische Impulse
erzeugt und an das Gehirn weitergegeben.
„Alle Nervenaktivität ist elektrische Aktivität“, erklärt Frings: Wir
messen die Aktivität der Riechzellen, indem wir elektrische Ableitungen vom
Riechepithel eines Lebewesens herstellen, während wir ihm Duftstoffe
zuführen. Außerdem untersuchen wir, wie das Gehirn auf einen Duftstoffreiz
reagiert“: Weiter geht es also im Gehirn, in einem Areal namens
Riechkolben. Hier werden die Informationen über die Duftstoffe analysiert
und Reaktionen darauf entworfen. Erforscht sind diese Prozesse bisher nur
sehr wenig.
## Spezifische Geruchskarten
„Zitronenduft, Orangenduft und der Geruch von faulen Eiern erzeugen jeweils
spezifische Aktivitätsmuster. Wir sprechen von einer Geruchskarte – einer
räumlichen Abbildung der Geruchsqualität im Gehirn“, erklärt Frings. Der
Geruch einer einzigen Zitrone besteht übrigens aus Hunderten von
Duftstoffen.
Zum Schluss kommt der Neurobiologe noch auf die genetischen
Voraussetzungen. Durch molekularbiologische Untersuchungen versucht sein
Team zu klären, welche Gene im Riechsystem aktiviert werden, und welche
Funktionen die dabei entstehenden Proteine haben.
Im Vergleich zum Hund entwickelten sich bei uns eine ganze Menge von Genen
mit Informationen für den Bau von Rezeptorproteinen zurück. Wir verfügen
über etwa 400 verschiedene davon, Hunde über rund 900.
## Geruchssinn zurückgebildet
„Ein großes Rätsel ist für uns, wie das in einer bestimmten Zelle
aktivierte, für die Duftstoffrezeptoren zuständige Gen ausgesucht wird“,
erklärt Stephan Frings: „In jeder Riechzelle ist es immer nur ein einziges
– viele hundert anderer Gene kommen gar nicht zum Zug.“
Was die genetische Ausstattung für das Riechen betrifft, so sind wir
Menschen im Vergleich zu Hunden eine Schwundstufe jenes Säugetiervorfahren,
den wir einmal mit ihnen gemeinsam hatten. Unser Trost: Wir können viel,
viel besser sehen! Das Geruchsystem ist für uns einfach nicht so wichtig.
Die Heidelberger versuchen auch, den Geruchssinn weiterer Tiere für den
Umweltschutz zu gewinnen. Frings erklärt: „Wir arbeiten auch am Riechsystem
von Fischen. Viele können sehr gut Chemikalien erschnüffeln und ändern
entsprechend ihr Verhalten. Das würde man gern für die Zukunft nutzen.
Besonders Fische könnten dabei helfen, umweltbelastende Stoffe zu finden“.
9 Mar 2012
## AUTOREN
Barbara Kerneck
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