# taz.de -- Verlotterte Männer in „Justified“: Duelle im Drecknest | |
> „Wo wurde er getroffen?“ – „Keine Ahnung.“ – „Mann, ist es was … | |
> – „Oh ja. Er ist tot.“ Kabel Eins überzeugt mit der Neo-Western-Serie | |
> "Justified". | |
Bild: Wo Häuser und Menschen verfallen, ermittelt Marshal Raylan Givens. | |
Westernhut, Cowboystiefel, die Knarre immer griffbereit: Raylan Givens wäre | |
im Wilden Westen der perfekte Sheriff gewesen. Der Enddreißiger lebt aber | |
im 21. Jahrhundert, arbeitet als U.S. Marshal und muss sich an Gesetze | |
halten. | |
Gleich zu Beginn der US-Serie „Justified“ wird klar, dass er damit Probleme | |
hat. Am helllichten Tag knallt er einen Drogenbaron ab, dem er ein | |
Ultimatum gestellt hatte: „24 Stunden. Dann bist du raus aus der Stadt. | |
Sonst erschieße ich dich.“ Weil der Kerl immer noch da war und als Erster | |
seine Pistole zog, hält Givens seine Tat für gerechtfertigt. | |
Seine Vorgesetzten sehen das anders und versetzen den Revolverhelden vom | |
glitzernden Miami ins piefige Kentucky. Für Givens ist das schlimmer als | |
Knast, denn er kommt aus Kentucky, verließ seinen Heimatort Harlan mit 19 | |
und wollte nie wieder zurück. Man versteht, warum: In dem Nest weht ein | |
rauer Wind, Häuser und Menschen verfallen, über allem liegt eine Schicht | |
aus Staub und Dreck, und im Radio läuft Bluegrass. | |
Die Grundidee von „Justified“ ist nicht außerordentlich originell, aber sie | |
liefert die Basis für eine grandiose Serie. Ihr Held Givens ist an eine | |
Figur angelehnt, die aus Storys des US-Autoren Elmore Leonard bekannt ist. | |
Der 86-jährige Leonard ist als Produzent im „Justified“-Stab dabei und lobt | |
den Hauptdarsteller über den grünen Klee – zu Recht. Givens wird von | |
Timothy Olyphant verkörpert, und der wurde für diese Rolle geboren. Es ist | |
umwerfend, wie er selbstbewusst und ein bisschen gelangweilt an seine | |
Aufgaben heranschlendert. | |
Dabei begegnen Givens überall Geister der Vergangenheit: Kaum im Dienst, | |
bekommt er es mit Boyd Crowder (genial gestört: Walton Goggins) zu tun. | |
Einst arbeiteten sie gemeinsam unter Tage, heute ist Crowder Anführer einer | |
Nazi-Gang. Ihr Wiedersehen ist ein Kammerspiel von höchster Intensität, in | |
dem deutlich wird, dass in diesem Landstrich nur Zufälle darüber | |
entscheiden, ob du auf der guten oder auf der bösen Seite landest. | |
Außerdem trifft Givens auf seine Exfrau sowie auf die frühere | |
Highschool-Prinzessin Ava. Die steckt in Schwierigkeiten, weil sie die | |
Gewaltausbrüche ihres verlotterten Mannes nicht mehr ertrug und ihm deshalb | |
die Lebenslichter ausblies. Und dann ist da noch Givens’ Vater, ein | |
Krimineller, mit dem der Marshal nichts zu tun haben will. Willkommen zu | |
Hause! Marshals ermitteln nicht in Mordfällen, als Justizvollzugsbeamte | |
sind sie unter anderem für Festnahmen und Gefangenentransporte zuständig. | |
Schon deshalb ist „Justified“ eine Wohltat – endlich mal keine Mördersuc… | |
mit Hightech-Methoden! | |
## Duelle verbal und mit Schießeisen | |
Zu den Stärken der Serie zählen die sorgfältig ausgearbeiteten Charaktere. | |
Auch die vermeintlich Bösen bekommen ein Gesicht, werden mit originellen | |
Geschichten ausgestattet. Und weil Givens ein verbales Duell genauso | |
schätzt wie eines mit Schießeisen, ergeben sich immer wieder faszinierende | |
Begegnungen zwischen dem Marshal und seinen Gegenparts. In diesen | |
Suspense-Szenen schlägt der Humor oft in Härte um – wo eben noch gescherzt | |
wurde, liegt plötzlich ein toter Körper auf dem Asphalt. | |
Die Dialoge der Serie stehen in der Tradition von Elmore Leonards Storys | |
und gehören zum Besten, was es seit langem im Fernsehen zu erleben gab. | |
Allein dieses Gespräch zwischen dem Nazi Boyd und einem Gangmitglied, das | |
eine wichtige Nachricht hat, ist für die Ewigkeit: | |
„Auf deinen Bruder wurde geschossen.“ | |
„Was? Wo?“ | |
„In seinem Haus.“ | |
„Nein, du Pisser. Wo wurde er getroffen?“ | |
„Keine Ahnung.“ | |
„Mann, ist es was Ernstes?“ | |
„Oh ja. Er ist tot.“ | |
Ab Samstag, 23.15 Uhr. | |
9 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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