Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Blagen: Von Partytieren und Paartieren
> Die Einssechzigblondine trifft eine kluge Partnerwahl. Einen
> Frühstückskellner. Das ist ungefähr so cool wie ein Glöckner. Die
> Nachfrage hatte sich gelohnt.
Zuerst kannten wir ihn nur vom Hörensagen. Da sollte es neuerdings einen
Menschen im Leben der Einssechzigblondine geben, einen Jungmann, dem ihr
Herz zugeflogen war. Einen, wegen dem selbst beim Abendessen ihr Handy im
Minutentakt vibrierte.
Das schien einer zu sein, der mit nur einem Anruf das schier Unglaubliche
erreichte, nämlich dass sich die Einssechzigblondine an einem ganz
gewöhnlichen Dienstagabend noch einmal aus ihrer
Fernseh-Facebook-Handy-Position auf der Couch herausbegab, um durch den
kühlen Frühlingsabend einem Date entgegenzuradeln.
Der Kindsvater und ich freuten uns für sie. Das musste jetzt aber ein ganz
besonderes Exemplar sein. Denn in den letzten Monaten hatte es die
Einssechzigblondine nicht mangeln lassen an Tadeln, ihre Freundinnen
betreffend. Die nämlich, so ging ihre Klage, wurden, sobald sie einen
festen Freund hatten, vom coolen Partytier zum klammernden Paartier,
erzählte sie uns.
„Seit Laura mit Wadim zusammen ist, kriegt man die nur noch im Doppelpack
zu Gesicht“, schimpfte unsere Tochter. „Und wenn samstags Party ist, dann
ruft Laura kurz vorher an und sagt: Sei nicht sauer, aber Wadim und ich
machen uns einen schönen Videoabend.“ Bei derlei Gelegenheiten „könnte ich
kotzen!“, sagte sie.
Eins war klar, wenn dieser uns noch unbekannte Mann bei der
Einssechzigblondine Eindruck machen will, dann muss er pärchentechnisch was
ganz Besonderes sein. Also einer, der zwar mit ihr zusammen sein will, aber
auch locker lässt. Am besten also einer, der selbst was mit seiner Zeit
anzufangen weiß und eigene Freunde hat und nicht darauf angewiesen ist,
sich nur als Paar komplett zu fühlen. Ob wir den mal kennenlernen könnten,
fragten wir. Sie sprach es nicht aus, aber bei dieser Gelegenheit hätte sie
sich wohl gern den Finger in den Mund gesteckt. Wir schwiegen klug und
fragten nicht weiter nach.
Vor zwei Wochen war es so weit. Als wir abends nach Hause kamen, stand ein
Paar Quadratlatschen im Flur, und am Haken hing eine Carhartt-Jacke. Auf
der Couch fanden wir ein Pärchen vor, dessen männlicher Teil uns brav die
Hand gab und seinen Namen sagte. Ich hieß ihn herzlich willkommen und
ignorierte die warnenden Blickbotschaften meiner Tochter. „Kein Verhör“,
funkte sie mir zu, „einfach mal die Klappe halten!“
Aber das, tut mir leid, ging nun wirklich nicht. Dies hier war meine
Gelegenheit, Näheres zu erfahren. Und was soll ich sagen? Die Nachfrage
lohnte sich. Der attraktive Jungmann nämlich, den ich ganz beiläufig nach
seinem Beruf fragte („Neeeeein! Aus!“, funkten die Blondinen-Augen), übt
eine nicht alltägliche Profession aus. Er ist nämlich – Achtung! –
Frühstückskellner.
Ist das nicht toll? Früchstückskellner! Das ist ja ungefähr so cool wie
Glöckner. Oder Schrankenwärter. Jedenfalls ein Beruf, den man zu eher
ungewöhnlichen Zeiten ausübt. Dieser dunkellockige Frühstückskellner zum
Beispiel muss früh ins Bett, um morgens um drei aufzustehen, damit er die
Hotelgäste glauben machen kann, er könne sich nichts Schöneres vorstellen,
als ihnen in aller Herrgottsfrühe das erste Sturzbier zu servieren.
Ich war aufrichtig begeistert von der klugen Wahl meiner Tochter. Und das
sagte ich ihr später auch. Seitdem ward der Jungmann nicht mehr gesehen bei
uns. Das verstehe, wer will. Das Handy vibriert aber weiter.
11 Mar 2012
## AUTOREN
Anja Maier
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.