# taz.de -- Kommentar Grüner Personalstreit: Eine Urwahl wäre charmant | |
> Bei Joschka Fischer hatten die Grünen kein Problem, einen einzigen | |
> Kandidaten zur Spitze zu machen. Heute hat kein Spitzengrüner alle | |
> gewünschte Qualitäten. | |
Die Grünen liefen schon immer zur Höchstform auf, wenn es um ihr Personal | |
für Wahlkämpfe ging. Als sich die Partei 2002 Joschka Fischer am Ende als | |
alleinigen Mann an die Spitze stellte, kämpften an seiner Seite nicht | |
weniger als 6 (in Worten: sechs!) weitere SpitzenkandidatInnen. So wollte | |
die Partei zeigen, dass sie die Frauenquote ernst nimmt – und natürlich die | |
Eitelkeiten ihrer vielen Möchtegern-Spitzen bedienen. | |
Insofern ist der aktuelle Streit über die richtige Personalkombination für | |
den Wahlkampf keineswegs neu. Es ist nur ein – gerne gepflegter – Mythos, | |
dass diese Partei sich am leidenschaftlichsten über Inhalte streite. | |
Dennoch ist die Gemengelage heute anders: Beim damaligen Vizekanzler und | |
legendären Wahlkämpfer Fischer ließ sich die Zuspitzung auf einen einzigen | |
noch rechtfertigen. Nun hat keiner der Spitzengrünen alle gewünschten | |
Qualitäten vorzuweisen. | |
Trittin ist der versierteste Stratege und bei Finanz- und Europathemen auch | |
der Kompetenteste, doch wird er von Menschen zu oft als kühl und unnahbar | |
empfunden. Roth umarmt in ihrer, nun ja: herzlich-frischen Art jeden, der | |
nicht flieht – doch würde sie allein an der Spitze einen Gutteil | |
WählerInnen abschrecken. | |
Nun kann man ihr vorhalten, dass sie allein deshalb für Quote und Urwahl | |
bei der Spitzenkandidatenfrage plädiert, weil so ihre eigenen Chancen | |
steigen. Und liegt damit sicher nicht falsch. Trotzdem ist ihre Idee | |
richtig. Ein klug abgestimmtes gemischtes Doppel, vielleicht sogar ein | |
Quartett, kann Schwächen von KandidatInnen kompensieren. Und verschiedene | |
Milieus ansprechen, die die Grünen gewinnen wollen. | |
Auch der strategische Weg einer Urwahl hat Charme. Die vergangenen Wochen | |
haben gezeigt, wie wenig sich die Spitzenleute vertrauen. Eine Abstimmung | |
aller Mitglieder würde dieses Problem transparent auflösen. Und | |
gleichzeitig das Spitzenteam so breit demokratisch legitimieren, wie es in | |
der grünen Geschichte noch nie der Fall war. | |
11 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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