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# taz.de -- Weltwasserforum in Marseille: Zeit für einen neuen Umgang
> In Marseille debattieren Staatsvertreter, Manager und Experten über das
> Geschäft mit dem Wasser. Die Nähe zu großen Konzernen ruft Kritik hervor.
Bild: Heißer Scheiß.
PARIS taz | „Time for Solutions“ – „Es ist an der Zeit, Lösungen zu
finden“: Unter diesem Motto versammeln sich seit Sonntag in Marseille
Besucher aus 140 Ländern zum diesjährigen „Weltwasserforum“. Rund 20.000
Teilnehmer – Staatsvertreter, Firmenangehörige, Experten und Interessierte
– wollen nach Angaben der Organisatoren in der französischen
Mittelmeermetropole bis zum kommenden Freitag über einen besseren Umgang
mit dem Wasser debattieren.
Hochrangige Staats- und Regierungspolitiker allerdings reisen vor allem aus
Drittweltländern an, wo die Wasserversorgung besonders problematisch ist
oder eine Quelle regionaler Konflikte darstellt. Es ist keine neue
Erkenntnis, dass Wasser ein strategischer Rohstoff ist.
Seine Nutzung für Landwirtschaft, Industrie oder zur Energieproduktion
mittels Staudämmen produziert vielerorts Spannungen, die bis zu Kriegen
eskalieren können. Solch ein Krisenherd existiert zurzeit etwa im Konflikt
zwischen Israel und Palästina, während sich Ägypten, Sudan und Äthiopien um
den kostbaren Nil streiten.
In Europa hingegen haben sich die Flussanrainer der Donau oder des Rheins
längst in grenzübergreifenden Verträgen im gemeinsamen Interesse auf
Regelungen geeinigt. Eines der Themen in Marseille soll es sein, diese
europäischen Erfahrungen mit Regionen in Afrika, Asien oder Amerika zu
teilen.
Am Montagnachmittag stellte die Generaldirektorin der Wissenschafts- und
Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco), Irina Bokova, den
vierten UNO-Weltwasserbericht vor. Doch der offizielle Anschein trügt: Das
Weltwasserforum ist keine UNO-Veranstaltung. Es wird seit 1997 im Turnus
von 3 Jahren von einem privaten „Conseil mondial de l’eau“ (Weltwasserrat)
organisiert. Sein Leiter, Loïc Fauchon, ist Geschäftsmann und leitet die
Filiale des Konzerns Veolia, die in Marseille für die Wasserversorgung und
unter anderem auch für die Verwaltung des Tagungsorts Parc Chanot zuständig
ist.
## Mangel an Unabhängigkeit
Die offensichtliche Nähe zu den großen Wasserkonzernen, namentlich zu den
französischen Marktführern Veolia und Suez, ist der Grund, dass Kritiker
dem Forum Mangel an Unabhängigkeit vorwerfen: „Diese kommerzielle Messe
entspricht in keiner Weise der Dringlichkeit des Problems, das die von
privaten Wirtschaftsinteressen konfiszierte Wasserversorgung und
-aufbereitung darstellt“, erklärte in Marseille etwa Jean-Luc Touly, einer
der Vertreter der zahlreichen Initiativen, die eine Einladung zu dem Forum
wegen dieser Kommerzialisierung abgelehnt haben.
Die nichtstaatlichen Gruppen (NGO) haben – wie schon vor drei Jahren in
Istanbul – ein paralleles Alternativforum organisiert. Dort werden die
Kommerzialisierung des Wassers und ihre Folgen nicht nur für die
Bevölkerung der Drittweltländer, sondern auch für die Konsumenten in Europa
angeprangert. Die EU beispielsweise hat zu Jahresbeginn eine Untersuchung
wegen Kartellabsprachen gegen die beiden großen französischen
Wasserkonzerne eingeleitet.
Inzwischen ist in Frankreich ein neuer Trend zu beobachten: Wie die
Hauptstadt Paris haben mehrere Kommunen beschlossen, die einst
privatisierte Wasserversorgung wieder in eigene öffentliche Regie zu
übernehmen. Ein Beispiel: Nachdem das ländliche Departement Les Landes nach
langjährigem Rechtsstreit die Wasserversorgung wieder übernommen hatte,
sanken die Wasserpreise in 75 Ortschaften kräftig, und nun gehören sie zu
den günstigsten des Landes. Und laut Aussagen von Verbrauchern in einer
Fernsehreportage von France-2 ist die Qualität gestiegen. Das Beispiel
dürfte Schule machen.
Für die zusehends unter Druck geratenden Konzerne ist ein internationales
Forum zur Imagepflege darum besonders nützlich.
12 Mar 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Grundwasser
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