# taz.de -- Letztes Interview mit Ex-Fußballer Konietzka: „So will ich nicht… | |
> Timo Konietzka, der erste Bundesliga-Torschütze, hat sich das Leben | |
> genommen. Im letzten Interview, das er gegeben hat, spricht er auch über | |
> seinen lange geplanten Tod. | |
Bild: Trainer Friedhelm 'Timo' Konietzka beim FC Ebikon in der Schweiz. | |
taz: Timo Konietzka, welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Ruhrgebiet? | |
Timo Konietzka: Wir waren eine normale, arme Familie. Mein Vater hat auf | |
der Zeche Victoria gearbeitet, meine drei Brüder und ich auch. Wir haben in | |
700 Metern Tiefe richtig malocht, Urlaub gab es nicht. Um sechs Uhr ging es | |
los, um zwei wieder raus. Und danach habe ich nur noch Fußball gespielt. | |
So landeten Sie als 19-Jähriger bei Borussia Dortmund. | |
Der Verein hat mir einen Job als Hilfsarbeiter bei der Union-Brauerei | |
vermittelt – ein vergleichsweise leichter Job. Im ersten Jahr bei Borussia | |
habe ich 60 Mark im Monat verdient, und die Schuhe musste ich mir noch | |
selbst kaufen. Allein vom Fußball konnte man nicht leben. Nach einem Jahr | |
wurde ich Hilfsarbeiter bei den Stadtwerken. Ich musste als Stammspieler | |
die Gaslaternen putzen. Aber das war nichts Besonderes, schließlich sind | |
alle arbeiten gegangen. | |
Trotz Ihrer Erfolge sind Sie vor allem als Schütze des ersten | |
Bundesligatores in Erinnerung geblieben. Ärgert Sie das? | |
Nein, überhaupt nicht. Die ersten Jahre danach hat es niemanden | |
interessiert. Aber mittlerweile, fast 50 Jahre später, werde ich damit | |
vorgestellt. Sogar das Fernsehen kommt heute noch vorbei, damit ich | |
erzähle, wie das damals war. | |
Dabei gibt es bis heute keine Aufnahmen von Ihrem Treffer. | |
Das Fernsehen war bei unserem Spiel in Bremen nicht vor Ort. Die Fotografen | |
haben darauf spekuliert, dass der erste Treffer für Werder fällt. Die | |
standen alle hinter unserem Tor. Ich habe schon mal 1.000 Mark für ein Bild | |
von dem Tor geboten. Bis heute hat sich niemand gemeldet. | |
Drei Jahre später wurden Sie in Diensten von 1860 München der erste | |
Bundesligaspieler, der ein halbes Jahr gesperrt wurde. | |
Wir sind als Deutscher Meister enttäuschend in die Saison gestartet. Meine | |
Form war schlecht, da ist man ja immer gereizt. Kurz vor Schluss hat Siggi | |
Held mit der Hand das 2:1 für Dortmund erzielt. Ich war als Erster beim | |
Schiedsrichter und soll ihm angeblich die Pfeife aus dem Mund geschlagen | |
und ihn vors Schienbein getreten haben. | |
Haben Sie es getan? | |
Jetzt kann ich es ja zugeben: Da ist schon was passiert, ich habe | |
gerempelt. Vielleicht hat der Schiri aus Angst die Pfeife fallen lassen. | |
Nachher habe ich mir gedacht: 'Mein Gott, was hast du denn da gemacht?' | |
Nachdem ich die Sperre abgesessen hatte, wurde ich in sämtlichen Stadien | |
ausgepfiffen. Da war für mich klar, dass ich die Bundesliga verlassen | |
würde. | |
Warum sind Sie ausgerechnet zum Schweizer Zweitligisten FC Winterthur | |
gewechselt? | |
Ich hatte sogar Angebote von Inter Mailand und Real Madrid. Aber in | |
Winterthur habe ich mehr verdient als in der Bundesliga. Mein höchster Lohn | |
in Deutschland waren 30.000 Mark im Jahr bei 1860 München. In Winterthur | |
habe ich um die 100.000 Mark verdient. Ich war schon 29 Jahre alt, die | |
Chance musste ich nutzen. Im Nachhinein war es ein Glücksfall, zumal ich | |
anschließend beim großen FC Zürich als Trainer anfangen konnte. | |
Hätten Sie sich bei Ihrem Wechsel erträumt, dass Sie einmal zum | |
Wahlschweizer werden würden? | |
Nein. Mein Instinkt hat mich geleitet. Dass ich in der Schweiz meine Frau | |
Claudia kennenlernen und mit ihr ein Hotel in bester Lage am | |
Vierwaldstättersee führen würde, hätte ich nicht erwartet. Ich habe im | |
Leben so viel Glück gehabt. Und das alles nur, weil ich in der Bundesliga | |
vom Platz geflogen bin. Der Schuss hätte natürlich auch nach hinten | |
losgehen können. Wer weiß, wo ich dann jetzt wäre. | |
Steht in Ihrem Pass „Timo Konietzka“? | |
Ja, auch wenn ich eigentlich als Friedhelm auf die Welt gekommen bin. | |
Während meiner Dortmunder Zeit war ich bei der Bundeswehr und hatte einen | |
Kurzhaarschnitt. Mein Mitspieler Jockel Bracht meinte: „Der sieht ja aus | |
wie der russische Marschall Timoschenko.“ Von da an haben mich alle Timo | |
gerufen. Irgendwann habe ich meine Bankgeschäfte mit Timo unterschrieben. | |
Dann machte mich der Oberbürgermeister von Krefeld darauf aufmerksam, dass | |
das Urkundenfälschung ist. | |
Wie ging es weiter? | |
Er hat sich für mich eingesetzt, so dass ich 1985 offiziell in Timo | |
umbenannt worden bin. | |
Anfang 2011 kamen Sie in Deutschland in die Schlagzeilen, weil Sie sich für | |
aktive Sterbehilfe einsetzen. | |
Mein Bruder und meine Schwester sind an Krebs gestorben. Lange Zeit konnten | |
sie nur noch im Bett liegen und mussten künstlich ernährt werden. Auch im | |
Bekanntenkreis habe ich einen Fall erlebt, dass jemand nur noch unter | |
Morphium stand und nicht mehr bei Sinnen war. Ich habe mich entschieden, | |
dass ich so nicht enden will. Ich will nicht leiden und ich will es auch | |
nicht meinen Nachkommen antun, noch jahrelang als Pflegefall am Leben | |
gehalten zu werden, wenn es mal so weit kommt. | |
Hat Sie das Medienecho überrascht? | |
Ich habe gesagt, dass ich meinen Tod schon geplant habe. Daraufhin bekam | |
ich zig Briefe und Anrufe: 'Mann, überleg dir das noch mal.' Meine Familie | |
war konfessionslos. Wenn Religionsunterricht war, habe ich auf dem | |
Pausenhof Fußball gespielt. Ich glaube nur an das, was ich höre, fühle und | |
sehe. Für mich ist das Leben so: Man wird geboren und irgendwann hört es | |
auch wieder auf. | |
Das Interview hat Kai Griepenkerl im Januar für das Buch „Ata, Ennatz, | |
Susi, Yyyves – 82 Köpfe des Revierfußballs“ (Klartext, Essen 2012) gefüh… | |
14 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Kai Griepenkerl | |
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